Ausstellungsbesprechungen

Gerhard Richter – Abstrakte Bilder

Abstrakte Bilder sind fiktive Modelle, weil sie eine Wirklichkeit veranschaulichen, die wir weder sehen noch beschreiben können, auf deren Existenz wir aber schließen können.“ Wie pointiert Gerhard Richter mit dieser Aussage seine abstrakten Bilder erfasst, wird dem Besucher in der Präsentation, die bis zum 1. Februar 2009 im Museum Ludwig in Köln zu sehen ist, vor Augen geführt.

Gerhard Richter,  Abstraktes Bild [620], 1987 © Gerhard Richter
Gerhard Richter, Abstraktes Bild [620], 1987 © Gerhard Richter

„Mit den rund 40 Gemälden, die zwischen 1986 und 2008 entstanden sind, werden erstmals in einer Schau die malerischen Veränderungen nachgezeichnet und ihre Differenzen zur Diskussion gestellt.

An hohen weißen Wänden, die bis in den kleinsten Winkel mit einem kühlen Kunstlicht ausgeleuchtet sind, beginnen die Werke des Künstlers zu leben und mit uns zu kommunizieren. Doch viele der Bilder entziehen sich dem direkten Zugang und „begegnen uns in vollständiger Sprachlosigkeit.“ [Ulrich Wilmes] Sie winden sich und lassen den Betrachter nur langsam an ihrem lauten oder leisen, ihrem dynamisch kraftvollen oder sanft verträumten Spiel von Farben und Formen teilhaben.

Gerhard Richters Arbeiten sind allerdings weder von expressiven, ausufernden Farbondulationen geprägt, noch findet sich ein „exzessive[r] Umgang mit dem Material, der“, wie es Beate Söntgen in ihrem Katalogbeitrag so treffend formuliert, „als körperliche Form der Entäußerung Inneres sichtbar machen will.“ Dennoch attestiert sie Richters Bildern, gleich welchen Formats, „eine starke physische Präsenz, als Malerei, die sich selbstbewusst artikuliert: Seine Bilder sind in emphatischem Sinne eine bemalte Oberfläche, die in minimalistischer Manier ist, was sie ist. Und zugleich hat Farbe […] einen Zug in die Tiefe, der sich, auf einer Fläche erzeugt, als metaphorischer ‚Blick ins Innere’ zeigt.“ [Beate Söntgen]

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Gerhard Richter, Abstraktes Bild [620], 1987, Öl/Lw, 300 x 300 cm, Sammlung Froehlich © Gerhard Richter

Glauben wir die Farben in ihrer Materialität ertasten zu können, so ziehen sie sich im selben Augenblick in die Tiefe des Bildträgers zurück und demonstrieren die hermetische Abgeschlossenheit des Werkes von seiner Umgebung. In dem großformatigen „Abstrakten Bild“ aus dem Jahr 1987 beispielsweise evoziert Farbe eine unglaubliche Sogwirkung, die auf die ausbalancierte Gestaltung des Couleurs sowie die Formensprache zurückzuführen ist. Modelliert von Rakel, Spachtel und Pinsel haben sich der Leinwand Spuren des Arbeitsprozesses eingeschrieben, die sich in Unschärfen und fließenden Bewegungen oder harten Kanten, Lineamenten und staccatoartigen Strukturen äußern.

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Gerhard Richter, Schwan (3) [698], 1989, Öl/Lw, 300 x 250 cm, Museum Boijmans von Beuningen, Rotterdam © Gerhard Richter

Mit der Arbeit „Schwan“, die 1992 entstanden ist und sich in räumlicher Nachbarschaft zu dem oben genannten Bild befindet, scheint der Betrachter leichter in einen Dialog treten zu können. Doch dürfen wir dem Titel so einfach Glauben schenken und uns auf die Suche nach Wirklichkeitspartikeln im Bild begeben? Hat der Künstler in der horizontalen Bewegung möglicherweise die Spiegelungen und Lichtreflexe des Wassers nachempfunden? Und kann der Betrachter wirklich darauf spekulieren, den verzerrten Korpus eines Schwans zu erkennen? Vergegenwärtigen wir uns, dass wir einer abstrakten Arbeit gegenüberstehen, so gilt es, einen anderen Erklärungsversuch und Zugang zum Werk zu finden: Es ist eben nicht die Suche nach realen Elementen, die der Betrachter in ihrer Gegenständlichkeit wieder erkennt, sondern das Aufspüren einer Wirklichkeit hinter den Bildern, die durch die geberstete Farbe hindurch mehr erahnbar denn sichtbar wird. Gerhard Richter schreibt seinen Bildern eine gelebte Geschichte ein, die den Betrachter auf eine unerklärliche Weise mit einwebt. „Nichts von dem, was wir sehen, ist begrifflich zu fassen, wir können von diesen Bildern sprechen, beschreiben, was sichtbar ist, ohne bestimmen zu können, was es tatsächlich ist“, so Ulrich Wilmes in seinem Katalogbeitrag. Doch „diese Erklärungen umkreisen nur die Erscheinung in den Bildern und die Bedingungen ihrer malerischen Praxis. Wir können diese Bilder nicht berühren, aber sie berühren uns.“ [Ulrich Wilmes]

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Gerhard Richter, Bach [788], 1992, Öl/Lw, 300 x 300 cm, Moderna Museet, Stockholm © Gerhard Richter

Ähnlich ist es im folgenden Ausstellungsraum, in dem die Serie „Bach“ in Gegenüberstellung zu der Serie „Cage“ präsentiert ist. Auch hier animiert Gerhard Richter mit der Titelwahl den Betrachter zum Spiel mit der Realität. Wir erkennen, wie die Farben verschwimmen, wie sie eine neue Verbindung eingehen und ihre Strahlkraft sich mildert. Sanft legt sich ein Schleier über die Farben, schmilzt Wirklichkeit ein und baut gleichermaßen eine Distanz zum Betrachter auf, die ihn aber nicht zurückdrängt, sondern umso eindringlicher fasziniert und anzieht. Wie Magnete heften sich seine Augen auf die Arbeiten und gleiten mit der Zeit in eine andere Sphäre, die weit entrückt, aber umso bereichernder ist. Es geht nicht um die Übersetzung von Wirklichkeit, sondern um die Transformation von Emotionen, die in den Werkprozess eingeflossen sind.

Nachdem wir die großformatigen Arbeiten hinter uns gelassen haben, betreten wir auf Seitenpfaden zwei Räume, die weder an die Weitläufigkeit noch an die Höhe der vorherigen Räumlichkeiten erinnern. Sie sind in ein wärmeres Licht getaucht und suggerieren auf diese Weise eine Art von Geborgenheit. Durch getönte Scheiben wird zudem die Sicht in die Stadt geöffnet, so dass urbanes Leben – wenn auch nur gefiltert – in die Ausstellung gelangt und die abstrakten Bilder in ein interessantes Spannungsverhältnis von abstrakter Kunst und gegenständlicher Wirklichkeit treten. Uns begegnen leuchtend reine Lackfarben hinter Glas, die bisweilen ineinander übergehen, aber letztlich ihren Strahlwert bewahren. Stehen wir den Arbeiten direkt gegenüber, so integrieren wir uns durch die Spiegelung in das Bild und schreiben uns im Prozess des Betrachtens dem Werk regelrecht ein. Primär sind es aber die filigranen Zeichnungen oder Miniaturdarstellungen, die den Betrachter anlocken und zu Gedankenspielen anregen.

Dem Museum Ludwig ist mit „Gerhard Richter – Abstrakte Bilder“ eine hervorragende Ausstellung gelungen, die mit einer klar strukturierten Präsentation, vor allem aber durch die geschickte Werkwahl zu überzeugen weiß. Sobald der Museumsbesucher die meditativen Räumen mit den kraftvollen Arbeiten Richters betritt, die von harmonisch klingenden Farbrhythmen und ausbalancierten Formspielen geprägt sind, kann er den tristen Mantel der winterlichen Jahreszeit abstreifen. Fazit: Eine absolut bereichernde, vielgestaltige Ausstellung, bei der sich ein zweiter und dritter Besuch lohnt!

Weitere Informationen

Öffnungszeiten
Dienstag bis Sonntag (inkl. Feiertage) 10-18 Uhr
jeden 1. Freitag im Monat 10-22 Uhr

Änderung ab 2. Januar 2009!
Dienstag, Mittwoch, Freitag bis Sonntag (inkl. Feiertage) 10-18 Uhr
jeden Donnerstag 10-20 Uhr
jeden 1. Donnerstag im Monat 10-22 Uhr
Montag und am 24., 25., 31. Dezember 2008 sowie am 1. Januar 2009 hat das Museum geschlossen.

Eintritt
9 €, ermäßigt 6 €
Familien 18 €
Gruppen (ab 20 Personen) 6,50 €
Schulklassen (pro Schüler) 3 €

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