Ausstellungsbesprechungen

Gertrud Buder und Stefan Faas, Galerie der Kreissparkasse Böblingen, bis 4. Januar 2012

Zierliche Durchreibearbeiten von Pflanzen und mächtige Stahlskulpturen erwarten den Betrachter in Böblingen. Doch vorher muss er sich durch eine unwegsame Baustelle schlagen. Warum sich der Weg dennoch lohnt, erklärt Ihnen Günter Baumann.

Die Begegnung mit dem Werk von Gertrud Buder und Stefan Faas ist an Hürden gebunden: Der Böblinger Bahnhofsbereich ist eine einzige Baugrube, und der daraus hervorragende Kreissparkassentrakt – nicht gerade eine Zierde der baulichen Hochkultur – steht vor einem gravierenden Umbau, den die Wände wohl schon herbeisehnen. Hier, inmitten des geschäftigen Treibens der Finanzwirtschaft, muss man sich den Blick frei machen, um den Zauber gewahr zu werden, der von den hauchzarten Zeichnungen und den metallenen, in sich gekehrten Stelen ausgehen. Die Ausstellungsmacher setzten daher mit ihrer vorerst letzten Schau im alten Ambiente einen noblen Akzent, bevor die Erneuerung der Architektur eine kulturelle Zwangspause einfordert. Auch war insbesondere mit Gertrud Buder eine würdige Kandidatin gefunden, deren Materialpoesie einen Nachklang zu erzeugen vermag, der im Schatten der Vergänglichkeit ein Bewusstsein von Dauer vermittelt.

Geboren 1952, feiert die vielfach ausgezeichnete Künstlerin und ausgebildete Weberin dieses Jahr ihren 60. Geburtstag. Sie hatte zudem lange Jahre ein Atelier in Räumen der Kreissparkasse: So fiel die Wahl nicht allzu schwer, zumal Gertrud Buder im Vorstand des Böblinger Kunstvereins sitzt, der in einer Kooperationsgemeinschaft etliche Ausstellungen mit der Kreissparkasse bestritten hat. Stefan Faas begeht im kommenden Jahr seinen 50. Geburtstag, weshalb man ihn gerade noch als zweiten Jubilar ansprechen kann. Der Bildhauer, ebenfalls Mitglied des Kunstvereins, hat in der Vita mit seiner Kollegin gemeinsam, dass auch er einen Handwerksberuf erlernte, bevor er zur freien Kunst überwechselte – er ist gelernter Kunstschlosser und Kunstschmied. Damit erschöpfen sich beim ersten Blick auf ihre Arbeiten die Gemeinsamkeiten, wenn auch auffällt, dass sich manche Motive bei beiden zur »Gruppe« vereinen.

Schon die Kunst von Gertrud Buder begrifflich zu fassen, ist ein sensibler Vorgang: Die Zeichnungen sind das künstlerische Ergebnis eines Prozesses, der in der Natur seinen Anfang genommen hat, genau genommen in Grasobjekten, welche, in die Fläche überführt, auf feines Papier abgerieben wurden. In der Schnittmenge von Objektkunst, konzeptioneller Kunst und Arbeit auf Papier drängt sich die Bezeichnung der installativen Zeichnung auf. Wesentlich ist allerdings die Transformation – es geht im Werk der »Bildnerin« nicht um das Abzeichnen der Natur an sich, sondern um eine Übertragung natürlicher Strukturen in ein künstlerisches Medium, was heißt: die – vergängliche – Vorlage wird zum bleibenden Teil des Vorgangs. Diese Technik der Frottage hat ihren Ursprung im Dadaismus, geht auf Durchreibearbeiten Max Ernsts in den 1920er Jahren zurück. Von hier aus entwickelte sich eine lange Tradition mit vielfachen Sonderwegen, die in der pädagogischen Nutzung aus dem Sinn gerieten, doch darf man nicht vergessen, dass in jenem Kontext die herkömmliche Teilung von Skulptur und Malerei in Frage gestellt wurde.

Gertrud Buder geht zunächst der plastischen Natur des Grases auf den Grund – und es ist erstaunlich, was so ein Grashalm aushält (die Architektur hat im 20 Jahrhundert die Standhaftigkeit natürlicher Konstruktionen ordentlich genutzt). Zugleich baut sie auf die Fragilität, die der Halm auch mitbringt. Ersteres mutiert von der Raumzeichnung zur Konstruktionsskizze, das zweite vermittelt die flüchtig-sensible Linie im Kontrast zur indifferenten Flächenbearbeitung. Am Ende entstehen auf dem Papier zarte Gebilde, die die skulpturalen Vor-Bilder fiktiv nach-bilden: Gefäße, Stühle, freie Körper, bis hin zu Raumgefügen.

Gertrud Buder kommt von der Textilkunst her, die das Werk nachhaltig geprägt hat. Nicht zuletzt ihr akademischer Lehrer Leo Wollner hat dem Textildesign Tür und Tor geöffnet, gerade in den 1970er Jahren, als sie in Stuttgart studierte. In der Böblinger Ausstellung wird dieser eigenwilligen Tradition Rechnung getragen durch etliche Wandteppiche, die das Wechselspiel von malerischen und plastische Elementen noch deutlicher zum Ausdruck bringt als die Papierarbeiten. Das enorme Materialbewusstsein eröffnet hier eine völlig unverbrauchte Welt: Gertrud Buder verwendet Hanf, Leinen, Tierhaar und Wolle, sie flicht, knüpft oder webt diese vorwiegend natürlichen Stoffe zu Wandobjekten, darüber hinaus setzt sie malerisch-farbige Akzente in den transparenten Geweben.

So zierlich die zwischen der zwei- und dreidimensionalen Ebene changierenden Netzwerke und installativen Zeichnungen von Gertrud Buder sind, so massiv wirken die geheimnisvollen Stelen und wehrhaften Stahlobjekte von Stefan Faas. Doch sollte man die stille Truppe in ihrem scheinbaren Machtgebaren nicht übergewichten: Zuweilen verengen sich die Stelen zu stählernen Figurinen, die das Volumen des Materials regelrecht negieren. Anders als Giacomettis Schwund- und Schrumpfkörper sind diese gerade noch humanoiden Chiffren allerdings abstrakt genug, dass sie sich weniger existentialistisch bedrängt als vielmehr formal befreit geben.

So sicher Gertrud Buder mit der Stofflichkeit umgeht, so souverän behandelt Stefan Faas sein Material: streng und nahezu minimalistisch reduziert markieren seine Plastiken den Raum wie Signalzeichen, worin sich die Arbeiten der zwei Künstler schon recht nahe kommen, als würden sie Einfluss aufeinander nehmen. Dass die Metallarbeiten im Dialog mit den stoisch verhaltenen Papierarbeiten zudem an allzu forscher Kraft einbüßen zugunsten einer sympathischen Bescheidenheit, überrascht angesichts einiger überlebensgroßer Formate. Beide Werke arrangieren sich gut – das ist eine gute Bilanz, wenn man bedenkt, dass eine Schalterhalle kein museal inszenierbarer Raum ist. Im sensorischen Bereich gibt es freilich – wenn auch kaum merkliche – Unterschiede, die durchaus spannend, ja: von einer implosiven Dramatik sind, die aber erst in einer meditationsfreundlicheren Umgebung deutlicher zum Ausdruck kämen: Strahlen Stefan Faas’ Plastiken eine archaische Würde aus, so spricht aus den Arbeiten von Gertrud Buder eine geradezu metaphysische Feinheit. Das mag daran liegen, dass den Stelen das Menschenmaß zu Grunde liegt, während die Zeichnungen ihre Berechtigung aus der Natur beziehen. Wer sich die Zeit nimmt, um die hochsensible, qualitative Differenz auf Augenhöhe spüren zu können, verlässt die Kreissparkasse mit Gewinn.

Weitere Informationen

Kreissparkasse Böblingen
Wolfgang-Brumme-Allee 1
71034 Böblingen

Öffnungszeiten:
Mo–Fr 8.30–18 Uhr

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