Ausstellungsbesprechungen

Geschlechterkampf. Franz von Stuck bis Frida Kahlo, Städel Museum Frankfurt am Main, bis 19. März 2017

Gendermainstreaming, Battle of Sexes, Regretting Motherhood, Rape Culture – ja, das Verhältnis zwischen Mann und Frau ist eines der derzeit wohl am heißesten diskutierten. Dabei ist die Historie des »Geschlechterkampfes« durchaus einen Blick wert, wie die Ausstellung des Städel beweist. Stefanie Handke hat sie sich angeschaut.

Begibt man sich in die Ausstellungsräume, so sieht man – keine Bilder! Zitate von New York Times bis Spiegel, Hashtags und Co. erwarten die Besucher und stimmen ihn ein. Der erste Eindruck: Es geht hier wirklich um den Krieg der Geschlechter, der Ton ist hart und man steht sich unversöhnlich gegenüber.

Den Kontrast zur Twitter- und Facebook-Moderne bilden dann die eigentlichen Ausstellungsräume: »Franz von Stuck bis Frida Kahlo« erwarten die Besucher hier, also ein Blick in die Vergangenheit des Wettstreits der Geschlechter, auf Verführerinnen und Mannweiber, auf Kindfrauen und androgyne Persönlichkeiten. Den Anfang macht dabei die Verführerin schlechthin: Franz von Stucks »Adam und Eva« (um 1920) zeigt eine selbstbewusste Eva, deren Macht in ihrer weiblichen Schönheit liegt, und von der Schlange, die sich geradezu lasziv an ihr emporschlängelt, noch mit zusätzlicher Macht über den keuschen Adam ausgestattet wird. Ähnlich faszinierend ist Julius Paulsens Eva, jedoch strahlt sie durch ihre Unschuld: Paulsen zeigt »Adam und Eva« (1887) in ihrer ersten Begegnung; Adam erwacht aus dem Schlaf und aus dem Dickicht tritt Eva hervor. Beide sind voneinander angezogen und zugleich vollkommen unschuldig. Die biblischen Themen beherrschen den Raum, zumeist in Form des Sündenfalls und dem, was vor und nach ihm geschieht; am positivsten ist dabei noch Suzanne Valadons Selbstbildnis mit André Utter (1909), die das biblische Paar gleichberechtigt im Griff nach dem Apfel zeigt.

Die Gefahr, die von Evas (und Adams) Sündenfall ausgeht, gibt das Programm für die folgenden Räume vor. »Im Bann der Sphinx« ist diesen gefährlichen Frauen gewidmet. Die Künstler des 19. Jahrhunderts bedienten sich gern antiker und auch biblischer Figuren, um das sich wandelnde Frauenbild – und wohl auch ihre Angst vor dem neuen weiblichen Selbstbewusstsein – zu thematisieren. So zeigt Charles Gleyre »Pentheus verfolgt von den Mänaden« (1864). Mordlustige, grauenvolle Wesen sind das, die ihr Opfer, den König von Theben, der sie bei ihrem Ritual heimlich beobachten wollte, rachsüchtig verfolgen. Raubvögel begleiten sie und verweisen auf Pentheus‘ grausames Ende. Nicht minder grausam, aber ungleich faszinierender ist John Colliers »Klytämnestra« (1882). Die Gemahlin des Agamemnon tritt aus dem dunklen Bad, indem sie den Vorhang selbstbewusst zur Seite schlägt. Sie stützt sich auf die Axt, von der das Blut ihres Mannes tropft, ihr Blick ist purer Hass. Collier inszeniert hier die wohl gefährlichste Frau der Ausstellung, doch ist das wirklich eine Frau? Diese muskulöse Klytämnestra mit dem energischen Kinn scheint fast geschlechtlos und auch ihr Gewand könnte genauso gut einen Mann einhüllen. Auch Edouard Manets Amazone auf blauem Grund (um 1882) ist auf den ersten Blick androgyn; ihre Kleidung ist die eines Dandys, ihre Haare scheinen kurz. Sie jedoch ist keine gefahrvolle Gestalt, ihre Faszination ist die einer selbstbewussten Weiblichkeit. Manet erwies mit diesem Porträt Henriette Chabots der modernen Stadtbewohnerin, die sich selbstbewusst in der Öffentlichkeit bewegte, seine Ehre.

Ein ganzer Ausstellungsraum ist Franz von Stuck gewidmet, der mit seinen Frauenbildnissen wohl am konsequentesten die Ambivalenz zwischen Bewunderung und Angst vor der kämpferischen Frau in Szene setzte. Er huldigte einer »Logik des Fleisches« wie Jo-Anne Birnie Danzker ihren Katalogbeitrag betitelt. Gesellschaftliche und Geschlechterverhältnisse, laut eigener Aussage »das Rein-Menschliche […], das jedermann Verständliche« sind die Themen seiner Bilder. Die zeitgenössischen Vorstellungen zur Evolution, zur Psychoanalyse, aber auch Sexualtheorien und die Vorstellungen einer Geisterwelt faszinierten ihn und seine Kollegen und fanden ihren Weg ins Bild. Neben einer »Medusa« oder »Sünde«, also negativen Gestalten, fanden kämpferische Heroen wie die Pallas Athene ihren Weg an seine Staffelei. Was sich hier schon andeutet, das setzt sich fort: Die femme fatale wird um 1900 verstärkt Thema der Kunst: Egal, ob Böcklin oder Klimt, Klinger oder Kubin – das verführerische Potenzial der Frau wird erkannt, es beeindruckt und beängstigt zugleich. So ziehen Sirenen Männer ins Verderben, warten weibliche Spinnen auf Opfer. Auf die Spitze treibt das Gustav Adolf Mossa. Seine »Sie» (1905) fand ihren Weg auf’s Ausstellungsplakat und auf den Katalogtitel und das auch zu Recht! Mossa zeigt hier eine Kindfrau, in deren Unschuld aber gerade das Verderben liegt. Ihr puppenhaftes, kindliches Gesicht, ist mitleidlos, aber auch nicht zornig, sie hockt auf einem Berg von Leibern, ihr Schmuck besteht aus Waffen, Schädeln, Raben. Daneben zeigt die Schau »Die gesättigte Sirene« (1905), die nicht minder beängstigend und zugleich kindlich ist. Diese thront über dem zerstörten Neapel, ihr Gesicht und ihre Flügel blutbespritzt. Mit den beiden Werken führt Mossa die Darstellung der femme fatale fast schon ad absurdum, wenn hier die Kindfrau zur tödlichen Gestalt wird.

Eindeutiger sind Felicien Rops‘ Darstellungen; in seinen oft karikaturhaften Bildern ist das Geschlechterverhältnis in jeder Hinsicht ein Kampf; da messen Mann und Frau ihre Kräfte, was auch schon mal in einer Entführung gipfelt. Rops kritisierte die modernen Tendenzen seiner Künstlerkollegen und nahm die modernen Frauenfiguren aufs Korn. Lüsterne Frauengestalten offenbaren die (vermeintliche) Gefahr der freizügigeren Zeiten, wenngleich seine Darstellungen einer gewissen Ironie nicht entbehren. Nele Putz verweist in ihrem Essay außerdem auf den Versuch seines Biografen, Rops‘ Ruf zu wahren, indem er seinen düsteren Frauendarstellungen ein »reines Herz« zugrunde legte: »ein wahrhaft verderbter Mensch würde seine abgründigen Fantasien nicht so in die Öffentlichkeit tragen« (S.127) – dabei war dessen Lebensstil äußerst libertär inklusive Dreiecksbeziehung! Ähnlich wie bei Munch: Die Beziehungen zu seinen Frauen thematisierte er auch in seinen Bildern; »Die Mörderin« (1906) entstand nach der Trennung von seiner Geliebten Tulla Larsen. Es zeigt eine kalte Frau, die sich von dem durch sie gemordeten Mann abkehrt. Zugleich strahlt sie eine beklemmende Faszination aus.

Wo bleibt denn aber nun der weibliche Blick auf die Frau? Jeanne Mammen rettet die Ehre der Frau, indem sie gängige Rollenbilder aufbricht. So ist »Der Herzensstecher (Don Juan)« (um 1908-14) eine androgyne Figur mir roten Lippen und fraulichem Habitus. Ihre »Frau mit Absinthglas« ist eine faszinierende Persönlichkeit, die sich selbstbewusst ins Nachtleben rund um das berühmte Moulin Rouge begibt. Ihre dämonischen Züge aber machen sie zu einer ambivalenten Figur. Erst in der Kunst nach dem Ersten Weltkrieg aber kommen in der Schau vermehrt weibliche Positionen zum Tragen. Der »Lustmord« ist das große Thema der Zeit: Während die Männer an der Front kämpften, mussten Arbeiterinnen deren Aufgaben übernehmen, arbeiteten in Fabriken, Zeitungen, etc. Damit ging ein gewisser Gewinn an Freiheit einher, denn alte Rollenbilder griffen in der Kriegsgesellschaft nicht mehr: Die Wirtschaft war auf die Teilhabe der Frauen am Arbeitsleben angewiesen, die Gesellschaft auf ihre Tätigkeit in der Öffentlichkeit. Mit der Rückkehr der Männer aber sollten sie ihre Arbeitsplätze wieder räumen und drohten ihre neugewonnene Stellung zu verlieren. Kein Wunder also, dass das Motiv des Lustmords Konjunktur erlebte, vereinte es doch alles das, was die Zeitgenossen diskutierten: Das biologistische Denken der Zeitgenossen, ihre Faszination für Psychiatrische Themen und die Sexualforschung, aber auch die gesellschaftlichen Entwicklungen. Fast schon ein Fanal ist daher Josef Scharls »Misshandelte Dirne« (1931), ein Symbol, aber auch oft ein reales Opfer von sexualisierter Gewalt gegen Frauen. Einzige Ausnahme scheint Elfriede Lohse-Wächtlers »Lissy« zu sein, eine selbstbewusste Prostituierte, die mit ihrem Image zu kokettieren versteht. Erst hier, so scheint es, beginnt die Kunst endlich tradierte Rollenbilder infrage zu stellen: Jeanne Mammen ist hier mit zwei wunderbaren Werken (»Sie repräsentiert« und »Transvestitenlokal«) zu sehen, aber auch Hannah Höch mit »Dompteuse«. Äußerst selbstbewusst und vor allem modern tritt uns Karl Hubbuchs Ehefrau, »Hilde mit Föhn, Fahrrad und Breuerstuhl« (1928/29), entgegen: ihre kurzen Haare lassen sie fast maskulin wirken, sie lehnt bequem in ihrem Stuhl, versteckt sich nicht – ist ganz auf Augenhöhe mit den Männern ihrer Zeit. Ungewöhnlicher, aber nicht minder spannend ist Otto Dix‘ Porträt des Jean-Jacques Bernauer (1927), bei dem vor allem der volle rote Mund un die scheinbar lackierten Fingernägel des Industriellen hervorstechen: Dix paart Maskulines mit Femininem.

Lee Miller war es, die sich in einer Männerdomäne durchzusetzen hatte. Sie galt als »meistfotografierte Frau Manhattans« (Katalog, S. 246) und ging bei Man Ray in die Lehre, woraus sich eine derart enge Zusammenarbeit entwickelte, dass die Urheberschaft nicht immer eindeutig festzustellen ist. Kristina Lemke illustriert das in ihrem Beitrag am Beispiel der Aufnahme »Hals«, die Man Ray aus Unzufriedenheit wegwarf. Miller bearbeitete den Ausschnitt, sodass ein intimes Lichtspiel entstand und beanspruchte die Urheberschaft – Man Ray warf die selbstbewusste Frau raus. Auch weitere Aktaufnahmen, die Miller dann bereits im eigenen Studio machte, sind zu sehen, stets eher als Spiel der Formen und des Lichts komponiert denn als typische Aktaufnahme. Auch vor dem ironischen Umgang mit sexuellen Themen scheute sie nicht zurück – ihr »Cock Rock or The Native« (1939) spricht Bände. Ähnlich selbstbewusst und vor allem ironisch gehen andere Künstlerinnen mit dem an sie herangetragenen Rollenbild um: Claude Cahun etwa zeigt sich unter einer Glasglocke recht feminin (ein Motiv, das sich auch bei Lee Miller findet), in zwei Selbstporträts dagegen äußerst androgyn. Ähnlich androgyn, aber eher maskenhaft sind die von Frida Kahlo gezeigten Werke. In »Der kleine Hirsch« (1946) zeigt sich die Künstlerin mit männlichen Attributen: Freilich als Hirsch, aber auch äußerst promisk und zugleich von zahlreichen Pfeile (den Affären Diego Riveras).

Den faszinierenden Abschluss der Schau bildet Maria Martins‘ Werk »Das Unmögliche« (1946). Es zeigt die Verschmelzung zweier Wesen. Anstelle der Gesichter haben sie Mäulern gleichende Formen. Es scheint sich um ein männliches und ein weibliches Exemplar zu handeln, doch ganz sicher kann sich der Betrachter nicht sein. Gerade diese Werke der Künstlerinnen bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts weisen so in die Gegenwart: Wenn wir einen Teil der traditionellen Rollenbilder bereits aufgebrochen haben, aber immer noch unseins sind über den Umgang mit Transgenderpersonen, so führen uns Claude Cahun und Maria Martins vor Augen, dass bereits vor 70, 80 Jahren ein Bewusstsein für die Starrheit der Geschlechterrollen bestand. Vor allem an diesem Punkt ist die Ausstellung inhaltlich stark: immer wieder finden sich Werke, die die Absurdität der traditionellen Geschlechterrollen aufzeigen und in den Diskurs um das Verhältnis von Mann und Frau eingreifen. Das beginnt bei den nicht mehr nur negativen Frauengestalten Franz von Stucks, setzt sich mit Elfriede Lohse-Wächtler fort und endet eben bei Cahun, Martins und Kahlo. Nichtsdestotrotz verbleibt die Schau oft in einem Aufzeigen zahlreicher, wenngleich wunderbarer Beispiele für die Angst der Männer vor den erstarkenden Frauenfiguren. Eher hilft da noch der Blick in den Katalog. Ihm ist ein Gespräch der beiden Kuratoren Felicity Korn und Felix Krämer vorangestellt, das den starken Fokus auf weibliche Figuren erhellt: Nach wie vor nämlich scheint der Geschlechterdiskurs vor allem die Rolle der Frau zu behandeln, also die Tendenz der hier gezeigten Kunst fortzusetzen. Freilich ist die mangelnde Anzahl von selbstbewussten weiblichen Positionen ein Grund für die vor allem von Männern stammenden Bilder. Auch Andreas Beyers Beitrag erhellt diesen »Geschlechterkampf« noch einmal und stellt vor allem einen Bezug zu den im Städel nicht thematisierten modernen Positionen her. Außerdem hält der Katalog einen Exkurs zu den im Städel gezeigten Filmen bereit; vom witzigen »Die Folgen des Feminismus« der Regisseurin Alice Guy bis hin zur düsteren und viel geliebten Vision »Metropolis«. Die Stärke der Ausstellung indes liegt vor allem in ihren beeindruckenden Exponaten.

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