Ausstellungsbesprechungen

Giuseppe Gonella – De aeterno reditu, Galerie Egbert Baqué Berlin, bis 18. Oktober 2014

»De aeterno reditu«, so der Titel der Schau, kreist thematisch um Vergänglichkeit und die ewige Wiederkehr alles Irdischen, im weitesten Sinne also um die Conditio humana, die Bedingungen unseres Daseins, um die verlorene und in der Erinnerung wiedergewonnene Zeit. Helge Baumgarten ist in den Ausstellungskosmos eingetaucht.

Ein Moment, den jeder kennt und schon einmal erlebt hat: wenn sich der Kopf langsam unter Wasser senkt bis die Augen auf Höhe des Wasserspiegels sind, der den Blick teilt und man buchstäblich zwischen den Welten schwebt. Unten die Stille des Meeres, oben das ganze Diesseits der Welt, Wind, der Wellen kräuselt, Sonnenstrahlen, Licht. Giuseppe Gonella nennt das Bild, das diesen Moment festhält »Under the Skin of the Sea«, und in ihm ist das Thema der Ausstellung gefasst: »De aeterno reditu«, von der ewigen Wiederkehr.

Wasser ist der Ursprung allen Lebens, und so ist es bezeichnend, dass unter jener Haut in Form von fluoreszierenden Partikeln, die als Kleinstlebewesen den Beginn der Evolution darstellen, Lebendigkeit pulsiert, während gleichzeitig in der sich aus demselben Wasser erhebenden diesseitigen Ferne die Insel Pontikonisi abzeichnet, vermutlich das Vorbild zu Arnold Böcklins »Toteninsel«.

Die großen Urthemen Zeit, Leben, Tod und Neubeginn, die Gonella in jedem seiner Bilder verhandelt, sind der kontextuelle Bezug, der die Ausstellung zusammenhält und sie zu einem Ganzen gestaltet. Ausgangspunkt seiner Betrachtungen ist die direkt auf die größte Galeriewand aufgetragene Wandmalerei, die eine monumentale Ruinenlandschaft zeigt: Umgestürzte Säulen, Jahrhunderte alte Zeugen, die bereits alle Bilder der Lebenserzählung gesehen haben, die in den Gemälden aufgefächert wird. Auch jene Bilder, die diese Lebenserzählung bis zu ihrem Ende noch bereithalten wird, werden sie begleiten. Vom Wandgemälde eingefasst sind zwei kleine Leinwände: Dem »Guardian of the Sun«, einem gelben Vogel, der mehrfach in den Bildern auftaucht, ist der »Guardian of the Night« entgegen gesetzt, eine unheimliche, in sich ruhende Figur ohne Gesicht, umhüllt von einem verzerrten Schachbrettmuster. Es wundert nicht, dass Giuseppe Gonella auf das Schachspiel verweist, ist es doch eine Paraphrase auf die Gesellschaft, auf Partien um Leben und Tod, um das Dunkle der Nacht.

Solche Gegensätze, wie sie sich in »Under the Skin of the Sea« andeuten, finden sich im Zusammenspiel der Gemälde häufiger. Jeder dieser Gegensätze lädt dazu ein, sich seinem Spannungsfeld auszusetzen. Hier eine stillende Mutter, Sinnbild der Lebensspenderin, doch eine Art Cyberkreatur, dort die Andeutung des mythischen Fabelwesens Ouroboros, das sich selbst genügt: »Allem Zukünftigen beißt das Vergangene in den Schwanz«. In einem anderen Gemälde, »Reassuring Horizons«, schreitet eine in ein transparentes Regencape gewandete Gestalt durch eine trostlose Endzeitlandschaft, während sich in »Sunny Side Up« mehrere Menschen in paradiesischer Nacktheit um einen mächtigen Baumstamm gruppieren.

Einer DNA gleich durchziehen neonfarbene Leuchtspuren die Bilder, die Erinnerungen und Emotionen evozieren. Manchmal erwachsen aus diesen Linien grelle Flächen, Farbfragmente, die zusammengesetzt den Grund ergeben, auf dem Gonella Figuratives zumeist nur andeutet. Die Menschen in seinen Bildern sind selten komplett ausgearbeitet, stattdessen sind sie häufig sich selbst überlappend und durchscheinend dargestellt, wie in den beiden Gemälden »In the Same Breath #1« und »#2«, als seien sie nicht wirklich gegenwärtig, sondern im Übergang zwischen den Zeiten begriffen. So vereinen die meisten Bilder Giuseppe Gonellas mehrere Momentaufnahmen, die zeitlich nicht zu fassen sind. Dieses Wechselspiel aus Endlichkeit und Unendlichkeit erweitert das Spannungsfeld der inhaltlichen Gegensätze um eine apokalyptische Dimension: Stellvertretend für den Betrachter ist es der Hofnarr in »Portrait of the Court Jester Gonella – Tribute to Jean Fouquet«, der sich der Wucht dieser Bilder aussetzt, und dem der Schrecken buchstäblich ins bleiche Gesicht gezeichnet ist. Es ist – wie auch in »Mente locale«, wieder eine verstörende Landschaft – kein gutes Ende, das Gonella andeutet, und es fällt nicht leicht, sich dem zu stellen.

Einziger Trost: In seinen Bildern gibt es ein Überleben, auch wenn es nicht das der Menschheit zu sein scheint. Man wünscht sich zurück unter Wasser, »Under the Skin of the Sea«, in die traumverlorene Stille mit ihren bunten, pulsierenden Partikeln, aus der das Leben entsteht, in der Hoffnung, dass die Evolution einen anderen Weg einschlägt und sich die friedliche, paradiesische Vision, die Giuseppe Gonella ebenfalls darzustellen vermag, durchsetzt.

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