Ausstellungsbesprechungen

Glanz und Gloria – Kunst der russisch-orthodoxen Kirche, Hermitage Amsterdam, bis 16. September 2011

Die russisch-orthodoxe Kirche ist für ihren Glanz, ihren Prunk und ihre Farbenpracht bekannt. Dieser Glanz wird derzeit durch das Hermitage-Museum in Amsterdam auch in den Westen gebracht. Es werden Stücke gezeigt, die hier zum Teil noch nie zu sehen waren. Günter Baumann besuchte die aktuelle Ausstellung.

Die Welterbestadt Amsterdam ist schon innerhalb des sogenannten Grachtengürtels ein höchst lebendiges Museum, das nicht nur die Geschichte von einigen hundert Jahren an den Häuserfassaden ablesen lässt, sondern auch eine Unmenge an eigentlichen Museen enthält: darunter weltberühmte Häuser wie das Rijskmuseum, das Rembrandthuis oder das Van Gogh Museum. Dabei vergisst man schnell eines der größten Museentempel der Stadt: die Dependence der Eremitage (St. Petersburg), die in grandiosen Themenausstellungen unter anderem die Schätze des Mutterhauses präsentiert. Zur Zeit ist es die Kunst der orthodoxen Kirche in Russland, die das Museum an der Amstel erfüllt. Das ist nicht nur so dahingesagt, denn in der Tat atmet den Betrachter der sakrale Geist einer fast entrückten Epoche an, der einen nachdenklich stimmt. Trotz der Besucherströme ist es auffallend ruhig, der Gang durch die Ausstellungsräume gleicht einem Besuch einer Kirche. Selbst das Personal ist wohl gehalten, zurückhaltend aufzutreten – wenn etwa ein Besucher die Kamera zückt, wird er bestimmt, aber außerordentlich dezent allein mit Gesten darauf hingewiesen, dass es sich um geschütztes Gut handelt.

An erster Stelle gebieten freilich die Ikonen ein andächtiges Auftreten. Mehr als die gängigen christlichen Motive in »westlichen« Museen haben sich die orthodoxen Bildnisse Christi und der Heiligen ihren ursprünlichen Sinn bewahrt: Bilder des Glaubens zu sein. Unnahbar sind sie, als hätten sie ihre Zeit noch nicht überlebt, und selbst mit einer säkkularen Gesinnung kann man ihnen den tiefsten Respekt nicht verwehren. Zum Teil sind die Stücke noch nie im Westen zu sehen gewesen, darunter Werke aus dem 14. Jahrhundert. Neben den Ikonen, die zum atemberaubendsten gehören, was man von der orthodoxen Kunst je gesehen hat, präsentiert die Hermitage monumentale Freskenfragmente, aber auch Kleidung und Bücher, die im Kontext der Ikonenkunst stehen, sowie kirchliche Gebrauchskunst, die in den Seitengängen ausgebreitet sind. Zwar haben sich am Ende der über tausend Jahre seit dem Stiftungsjahr 988 – als das Christentum zur Staatsreligion aufstieg – auch kitschige Interpretationen in die reichhaltige Tradition eingeschlichen, doch ist das nur die Darstellung dieser hohen Kunst als Teil des Volksglaubens. In den »Fenstern zur Ewigkeit«, wie man die Ikonen gesehen hat, spiegelt sich sozusagen die Volksseele wider, die auch von der sozialistischen Revolution nicht wirklich gebrochen wurde.

In Amsterdam werden nicht nur die rund 300 Artefakte aneinandergereiht, sondern auch der historische Kontext hergestellt und die technische Seite anschaulich vorgestellt. Der Ausstellungstitel »Glanz und Gloria« (Glans en Glorie) verweist auf die Stellung der Kirche bis ins 19. Jahrhundert und auf die Machtfülle des Zarentums, das sich den Glauben zunutze machen konnte. Wer mehr darüber erfahren will, ist mit dem Katalog bestens bedient, der auf Englisch und Niederländisch erhältlich ist: »Glans en glorie. Kunst van de Russisch-orthodoxe kerk, hrsg. vom Museumshop der Hermitage Amsterdam, Amsterdam 2011, ISBN 978-90-78653-24-0 (niederl.) bzw. 978-90-78653-25-07 (engl.). In Essays und großen Bildstrecken kann sich der Interessierte eine gute Vorstellung von der inneren Ruhe und der inneren Kraft der Kunst geben. Ohne diese begleitenden Informationen ist der Genuss des Ausstellungsbesuchs zwar sinnlich durchaus beeindruckend, aber es ist doch schwer, das von tiefen Glaubensüberzeugungen getragene Gesamtkunstwerk aus Architektur, Ikonenmalerei, Kunsthandwerk und Festkultur immer in Einklang zu bringen. Jedenfalls faszinierend ist die Rekonstruktion einer Ikonostase (Altarwand, die den Versammlungsraum vom Altarbereich trennte). Bei Vertiefung in die Materie lässt einen die kunstvoll inszenierte Schau zudem in die diversen Schulen der Ikonenmalerei eintauchen (nach altrussischen Anfängen die Moskauer Periode, gefolgt von der Stroganow oder der Romanow-Periode bis hin zu den Schulen, die westliche Einflüsse zuließen). Ohnehin hat man im Westen eine so differenenzierte Präsentation der byzantinisch geprägten Kultur selten zu sehen bekommen, dass es etliche Lücken damit zu schließen gibt.

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