Zugegeben, Tiervergleiche sind grundsätzlich problematisch, aber im Falle des französischen Archäologen Franck Goddio, der eigentlich gar kein Archäologe ist, sondern ein Taucher (und noch eigentlicher gelernter Statistiker und Finanzberater), drängt sich das gute alte Bild vom Hecht im Karpfenteich auf.
Kaum jemand, der im Laufe der letzten Jahre als Eindringling so sehr die Szene aufgemischt hätte. Neid-Komplexe und giftige Seitenhiebe der Zunftkollegen folgten wie das Amen in der Kirche. Aber rasch ist es still geworden, denn Goddio, nicht im geringsten von Selbstzweifeln und nachlassendem Elan angekränkelt (sozusagen ein Nicolas Sarkozy der Ägyptologie), zeigt allen, wie man die Klaviatur der Medien spielt, Sponsorengelder wie ein Magnet auf sich zieht und spektakuläre Ausstellungen auf die Beine stellt. – Unvergesslich, wie der französische Tausendsassa sozusagen live und im Blitzlichtgewitter der bestellten Presse vor den Augen des strahlenden Jaques Chiracs aus dem Hafenbecken im fernen Alexandria eine tonnenschwere (und mäßig schöne) Kolossalstatue wie Kai aus der Kiste auftauchen ließ.
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Franck Goddios Ausgrabungen brachten seit 1992 bis heute den vermutlich interessantesten Teil des alten Alexandriens, den portus magnus mit der angrenzenden Königsstadt, wieder ans Tageslicht. Die prunkvollen Paläste, in denen sich Kleopatra, Julius Caesar, ihr Sohn Caesarion und der Rivale Marc Anton aufhielten, bekamen durch ihn erst wieder ein Gesicht. # Page Separator #
Zu den Aufsehen erregenden Exponaten in Bonn gehört auch der auf einem schwarzen Granitstein abgebildete »Naos der Dekaden«, ein äußerst wichtiger astrologischer Kalender, dessen an Land gespülte pyramidale Spitze bereits seit 1817 im Louvre aufbewahrt wird; dessen schreinähnlicher Unterbau aber erst von Goddio in der Bucht von Abukir geborgen wurde. Ein herausragender Fund, der von der synkretistischen Neigung der Religionen und Stile zeugt, ist die 1,50 m hohe Statue eines Isis-Priesters (ebenfalls aus schwarzem Granit), der vorsichtig eine Osiris-Kanope in den Händen trägt. Populärster Vertreter dieser Religion war sicherlich die Kunstfigur des Sarapis, in dem der Stierkult des alten Memphis wie auch der olympische Göttervater Zeus gleichsam fortlebten und der für alles Erdenkliche: die Heilkunst, das Glück der Seefahrer wie für die Fruchtbarkeit gleichermaßen spezialisiert war.
Besonders ansprechend wirken die zahlreichen (und übrigens durchweg farbigen) Fotos, die das Aufeinandertreffen von Tauchgang und Fundstück zeigen: Ein von Muschelfraß noch nicht gereinigter bärtiger Marmorkopf im Fischernetz, eine tonnenschwere Granitsphinx, von ahnungslosen Fischen umspielt; das tête a tête von einem exterrestrisch anmutendem Taucher und der Anmut eines antiken Artefakts evoziert elektrisierendes Schatzsucherfieber, schafft Unmittelbarkeit, wo sonst die akademische Strenge von Museumsfluren herrscht.
Auch das antike Thonis-Heraklion und Teile der Stadt Kanopus werden gerade in ihrer Alltagskultur reichhaltig dokumentiert. Vasen, Amulette, Goldschmiedearbeiten und Münzen zeugen vom sagenhaften Reichtum der spätantiken Zentren und zugleich von der Kontinuität zwischen pharaonischer Spätzeit, Griechen, Römern, Christen und Arabern. Das sind in rein ästhetischer Hinsicht sicherlich keine Jahrhundertfunde wie die des legendären Howard Carter von 1922 oder die 1972 aus dem ionischen Meer gehobenen Bronzekrieger von Riace. Es sind Kunstwerke einer typischen Spätzeit, aber man sollte sich auch vor Augen halten, dass zwischen einem Tutanchamun im Neuen Reich und den Funden Goddios nahezu 1000 Jahre Abstand liegen!
Freilich, der spektakuläre Titel »Ägyptens versunkene Schätze« zielt ab auf die mythische Aura dieses Landes und könnte falsche Erwartungen schüren, denn viele der Funde sind natürlich fragmentarisch, deutlich angegriffen und insofern unscheinbar, als es sich um Alltagsgegenstände handelt, die niemals für ein Museum bestimmt waren: unscheinbares Gerät, Öllampen, Spiegel, Münzen, Glücksbringer, Schöpfkellen, Kandelaber, bis hin zu Angelhaken. Aber die Summe macht es und spricht aus der Vergangenheit zu uns. Es ist deshalb sinnvoll, dass der Katalogaufbau thematischen Schwerpunkten folgt (Geschichte, Religion, Kult, Handel und Alltag, aber auch Problem der Restauration) und nicht nach Fundorten gegliedert ist. Die verschiedenen Autoren des Katalogs haben alle Exponate bestens dokumentiert und im zweiten Teil dann nochmals in Form eines Nummernkatalogs einzeln vorgestellt. Für diese seriöse wissenschaftliche Auswertung steht vor allem auch der Frankfurter Professor für Alte Geschichte Manfred Clauss als Mitherausgeber.