Buchrezensionen

Gosebruch, Martin: Wolfgang Klähn und die Krise der Moderne, hrsg. von Thomas Gädeke, Seemann, Leipzig 2007.

»Gosebruch erkennt eine Krise der Moderne, die er hat entstehen sehen und die er über Jahrzehnte mit Texten begleitet hat«, so schreibt Thomas Gädeke, der das schwergewichtige Buch über »Wolfgang Klähn und die Krise der Moderne« herausgegeben hat.

Das ist zunächst löblich, denn Martin Gosebruch hat wenig Monografisches veröffentlicht: die zum Teil abgelegenen Quellen – Eröffnungsansprachen, Zeitungsartikel usw. – sind somit umfangreich zugänglich geworden. Leider hat niemand im Lektorat Einhalt geboten, weil das Buch zu viel will und letztlich nicht einlösen kann. Hätte der Seemann Verlag auf der einen Seite einen Band mit Gosebruchs Texten präsentiert, ein paar gestreute Abbildungen hätten genügt, und auf der anderen Seite einen knappen Bildband über Wolfgang Klähn produziert, wäre allen – dem Autor, dem Künstler und dem Leser – besser gedient gewesen. Denn im vorliegenden Band wird man bis zum Schluss den Eindruck nicht los, dass hier jemand gegen Windmühlen anrennt. Klähns Bilder legen nahe, die Texte würden einen aktuellen Diskurs führen, und Gosebruchs Texte tun so, als sei das Werk von Klähn die Rettung des Abendlandes.

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Weder das eine noch das andere kann in dieser Verklammerung aufgehen. Martin Gosebruch wurzelt tief in der humanistisch geprägten Kunstgeschichte. 1919 in Essen geboren, musste er erst den Kriegsdienst und die anschließende Gefangenschaft überstehen, bevor er Kunstgeschichte studieren konnte. Geprägt von seinen Lehrern, u.a. Ernst Buschor und Hans Jantzen, stärker noch von seinem späteren väterlichen Freund Kurt Badt auf der akademischen Seite, inhaltlich vom Erlebnis des Werks von Giotto, entwickelte er eigenwillige, zuweilen abgelegene und durchaus konservative Ansichten, die ihn auf einen Lehrstuhl an der kunsthistorisch kaum etablierten Hochschule Braunschweig brachten. Mit spürbarer Streitlust eckte er in seiner Zunft an, legte sich mit Altmeistern wie Sedlmayr genauso an wie mit Kollegen, allen voran Günter Bandmann. Engagiert wetterte er gegen das Primat der gegenstandslosen Kunst, machte auch vor Verunglimpfungen nicht Halt, wenn es an die Positionierung gegen Mondrian, Picasso & Co. ging, denen er Hundertwasser und Janssen, Klee und Beckmann entgegenstellte. Aber hier schoss Gosebruch mit Kanonen auf Spatzen oder schlichtweg am Ziel vorbei: Zum einen scheint er tatsächlich allein mit seinem Unbehagen, Mondrian als Vertreter einer »Peinture conceptionelle« anzuerkennen – er fügt sich eben wie von selbst in jeder Ausstellung über das Geistige in der Kunst mit ein (und überragt bei weitem manch esoterische Weichzeichnerei).

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Auch kann man kaum die Meinung aufrecht erhalten, Beckmann sei unterrepräsentiert, denn längst gehört er zum festen Kanon der wichtigsten Künstler des 20. Jahrhunderts, der wie auch Picasso seinen Platz zurecht gefunden hat (beide berühren sich sogar in den 1920er-Jahren in ihrer Stilentwicklung); sogar Maler wie Paul Kleinschmidt, die lange im Schatten Beckmanns standen, sind heute in gutem Licht platziert. Dass nach Gosebruchs Tod 1992 die Kunstwelt nicht stehen blieb, ist ein Gemeinplatz – doch würde doch heute kein Mensch mehr die abstrakte gegen die figurativ-gegenständliche Kunst ausspielen. Zum anderen überschätzte der Eigenbrötler unter den Kunsthistorikern Künstler wie Paul Wunderlich oder den allzu gefälligen Friedensreich Hundertwasser, die nicht entfernt in derselben Liga spielen wie Klee oder Picasso.

Die im Buchtitel angemahnte Krise der Moderne wird nicht dadurch gerettet, dass man verkannte Genies aus dem Hut zaubert – wenn es diese denn gibt. Der arme Wolfgang Klähn, Jahrgang 1929, muss dafür herhalten. Seine Kunst ist außerordentlich phantasiereich, steht in einer soliden Tradition eines poetischen Surrealismus und ist damit selbst eher zurückgewandt als nach vorne orientiert. Gosebruch erweist ihm einen Bärendienst, wenn er die Großen der Klassischen Moderne verdammt und dann Klähn in Szene setzt. So muss der Leser Klähn als Retter in der Not akzeptieren, die es weit und breit nicht gibt. Auch begibt sich der Schreibtäter Gosebruch unter sein Niveau, indem er wie ein fachfremder Laudator erstmal so tut, als sei da ein Künstler zu Unrecht vergessen worden, um ihn dann auf einen Sockel zu bugsieren, der viel zu groß ist.

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Sofern die Beiträge des Kunsthistorikers überhaupt von Klähn handeln, hängt er oft genug unmotiviert dem Essay an. In einigen wenigen Texten findet Gosebruch dann doch den Zugang zum Titelkünstler, auch stilistisch (obwohl er, nebenbei bemerkt, sprachlich nie das Niveau seines Altersgenossen Wilhelm Fraenger erreicht, der nicht minder exotisch, aber eher progressiv-konservativ einzustufen ist). Hätte der Herausgeber bzw. der Verlag sich mit diesen Beiträgen begnügt, wäre dem Leser manche Bleiwüste über leserunfreundliche Langzeilen hinweg erspart geblieben und die fabelhaften Grotesken Wolfgang Klähns wären weniger illustrativ ausgefallen. So fragt man sich, was die scheinbare Privatfehde gegen Günter Bandmann in diesem Buch zu suchen hat, dessen brillante Studie zu Picassos »Demoiselles d’Avignon« auf einem anderen Blatt steht. Peinlich ist es, dass er auch noch dem philosophischen Rechtsaußen Arnold Gehlen »um den Hals fallen« will im Einklang mit dessen Moderne-Kritik.

Viel Energie geht verloren in diesem Buch mit Texten Martin Gosebruchs. Die hervorragende Bildqualität und der ganz auf die Sache bedachte Essay von Walter Otto lassen ahnen, welche Möglichkeiten in dem Band stecken. Freilich, der Herausgeber Thomas Gädeke wollte partout den vermeintlich Verkannten ins Zentrum stellen. »Sein Vorschlag, […] einen Salon der Refüsierten einzurichten, verdient noch einmal hervorgehoben zu werden. Neben den Großveranstaltungen […] sollte er für die Künstler eingerichtet werden, die außerhalb des Zeitgeistes stehen […] Seine Realisierung ist überfällig«, schreibt Gädeke im Vorwort. Doch das sind Nebelkämpfe. Immerhin: Der eher regional bekannte Wolfgang Klähn dürfte mit diesem Buch im Seemann-Verlag eine größere, wenn nicht nationale Beachtung finden.

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