Buchrezensionen

Graphic Novel of the Month: Étienne Davodeau: Die Ignoranten. Wenn Wein und Comic sich begegnen, Egmont 2013

Der Comiczeichner Étienne Davodeau schlägt seinem Freund Richard Leroy einen außergewöhnlichen Deal vor: Der Winzer soll ihn in die Welt des Weins einführen, im Gegenzug bringt Étienne ihm die Welt des Comics nahe. Heraus kommt eine witzige Graphic Novel über die Feinheiten des Weinanbaus, einer Männerfreundschaft und natürlich Comics. Rowena Fuß hat reingeschaut.

Blick in die Graphic Novel: Leroy und Davodeau auf dem Weinberg © Étienne Davodeau
Blick in die Graphic Novel: Leroy und Davodeau auf dem Weinberg © Étienne Davodeau

Ich bin kein Weintrinker und kenne mich in diesem Metier auch nicht aus. Bin ein Ignorant − zumindest was den Bereich Weinanbau angeht − genau wie die beiden Hauptprotagonisten es für die Tätigkeit des jeweils Anderen zu Beginn des Buches waren. Neugierig machte ich mich also daran, zu erforschen, wie die Graphic Novel sich des Problems annimmt.

Alles beginnt im Winter. »Du pinkelst in deinen Weinberg? Bravo,« bemerkt Davodeau in einem Panel gleich am Anfang der Geschichte. Prompt kassiert er die schlagfertige Antwort des Winzers: »Auf diese Art erkennt er mich wieder«. Das ist schon reichlich derb, doch steckt in der kurzen Beschreibung bereits ziemlich genau die Essenz ihrer Freundschaft. Es ist eine biografische Arbeit, die der Comiczeichner Davodeau liefert. Ein Jahr lang hat er seinen Freund Richard Leroy beim Anbau und beim Keltern von Wein auf dessen Gut Montbenault an der Loire begleitet. Leroy hingegen lässt sich in die Welt des Comic entführen.

Sie sind zwei richtige Eigenbrötler. Richard ist ein Anthroposoph, der je nach Jahreszeit einem zotteligen Bären gleicht oder einem über alle Backen strahlenden Mann mittleren Alters mit einem Abschluss in BWL. Étienne ist nüchterner, ein wissbegieriger Begleiter mit Geheimratsecken, der manchmal schon einem kleinen Teufel gleicht, von dem sich der Winzer allerdings keineswegs aus dem Konzept bringen oder gar piesacken lässt. Denn Davodeau hat nichts zu Lachen: Statt im warmen Atelier zu sitzen, zu texten und zu zeichnen, muss er nämlich bei eisigen Temperaturen Reben zurückschneiden oder um fünf Uhr morgens aufstehen, um Biodünger zu versprühen.

Parallel zu Étiennes schweißtreibender Tätigkeit arbeitet sich Leroy durch die wöchentlichen Comicstapel − bei denen er auch öfters einnickt (dabei ist »Watchmen« nun wirklich alles andere als langweilig) −, lernt die Zeichner Gibrat, Mathieu und Guibert kennen, nimmt an der wöchentlichen Herstellungssitzung des Verlags Futuropolis teil und erlebt die Drucklegung von einem Werk Davodeaus. In insgesamt 19 kürzeren und längeren Kapiteln lernt der Leser so nicht nur alles über den Weinanbau, sondern auch über die Entstehung eines Comic. Jungenhafte Späße von Winzer und Zeichner, unerwartete Bekenntnisse und mannigfaltige auf Papier gebannte, sinnliche Genüsse verleihen den schlichten schwarz-weißen Panels die richtige Würze. Alles in allem schafft es die Graphic Novel, selbst Ignoranten für die Feinheiten der Comic- und der Weinkunst zu begeistern. Es nimmt daher nicht wunder, dass sie in Frankreich mit dem „Gourmand Award“ ausgezeichnet wurde.

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