Buchrezensionen

Graphic Novel of the Month: David Prudhomme: Einmal durch den Louvre, Reprodukt 2013

Ein Rundgang durch ein Museum – das hört sich nicht besonders aufregend an. Dem französischen Zeichner David Prudhomme gelingt es in seiner Graphic Novel über den Pariser Louvre jedoch, daraus eine sehr amüsante Angelegenheit mit Mehrwert zu machen. Rowena Fuß hat sich in seine Geschichte vertieft.

Auf der Suche nach seiner Freundin irrt der Zeichner durch die insgesamt zwölf Kilometer langen Gänge des »Museumswesens«, wie er den Louvre nennt. Auf seinem Streifzug durch das Gebäude eröffnet sich ihm ein Kaleidoskop von Eindrücken. So etwa die Schülergruppe, die unfreiwillig die Schiffbrüchigen auf dem »Floß der Medusa« von Théodore Géricault nachstellt oder die Reiseleiterin, die ihre Schäfchen führt wie Eugène Delacroix’ Frauenfigur es in seinem berühmten Gemälde mit dem Mob tut, anlässlich der Julirevolution von 1830. Allerdings hält der Guide keine Tricolore, sondern etwas in Händen, das Ähnlichkeit mit einem Staubwedel hat. Solcherart lässt Prudhomme auch in weiteren Bildern seinen subtilen Humor aufscheinen.

Während unser Zeichner, ein schmaler Mann mit Pelzmütze und Schnauzer, durch das Museum flaniert, beobachtet er aber auch Momente, in denen es eine tiefe Verbundenheit zwischen Ausstellungsstück und Besucher gibt. So etwa bei einem lesenden Mann neben der Statue eines ägyptischen Schreibers. Beide verbindet ein Band, das verknotet, was durch Jahrhunderte voneinander getrennt ist. An einer anderen Stelle porträtiert Prudhomme ein Pärchen, das eng umschlungen vor dem ägyptischen Relief eines Ehepaars mit gleicher Pose steht – ein Bild für die Ewigkeit. Und das nicht nur durch die Pose, sondern auch durch das vor Ort entstandene Selfie. Es versinnbildlicht den nur allzu menschlichen Wunsch nach Verewigung. Man möchte sich und den Moment festhalten und doch wirkt es angesichts des jahrtausendealten Monuments lächerlich und deprimierend. »Mit euch können wir es nicht aufnehmen« lautet denn auch die nüchterne Wahrheit, die Prudhomme aus der Abteilung mitnimmt. Und: »Man versucht zu bewahren, was man nicht besitzen kann«.

Kunstwerk und Betrachter. Sie tauschen in der Graphic Novel die Rollen. Es sind die Besucher, die für den Zeichner zu kuriosen Ausstellungsobjekten werden. Er hält fest, wie sie schnarchend auf einer Bank liegen oder ein Foto vom Videodisplay des Vordermanns machen, nur um auch einmal die Mona Lisa gesehen zu haben. »Als ob sie alles ansaugt« notiert Prudhomme dazu. La Gioconda lächelt jedoch wissend auf die riesige Menschenmenge, die sie umgibt und mal mit Kennerblicken, mal mit großen, fragenden Augen bestaunt. Absolut nachvollziehbar ist es, das unserem Herumtreiber langsam der Kopf schwebt, was in den nächsten Panels auch bildlich wird: Während der Körper weiterirrt, schwebt seine Fellmütze über der gläsernen Pyramide vor dem Museum davon und sein Gesicht hat sich auf ein Selbstporträt Rembrandts gelegt. Bevor es richtig ernst wird, oder, wie Prudhomme es ausdrückt, »ich’s an der Murmel kriege«, verlässt er das Museum und fährt mit der U-Bahn nach Hause. Dort findet er auch endlich – man ahnt es schon – die lang gesuchte Freundin.

Ruhiger als die Realität ist auch die Abbildung der diversen Schaustücke im Louvre, denn Prudhomme hat in seiner Graphic Novel auf Reduktion gesetzt. Seine Zeichnungen sind überwiegend in Schwarz-Weiß gehalten und nur sparsam mit Buntstift koloriert. Durch die Skizzenhaftigkeit der Umgebung entfalten die berühmten Gemälde, an denen der Protagonist vorbeiflaniert, eine besondere Wirkung. Prudhomme setzt dem Farbenmeer aus Alten Meistern, goldverschnörkelten Rahmen und üppig dekorierten Sälen ein eindrucksvolles Kontrastprogramm entgegen. Es schärft den Blick für die Heerscharen an Besuchern, die täglich in sie Säle stürmen. Im Durchschnitt sind das rund 30.000 Menschen, wie der Interessierte im Anhang des Comic nachlesen kann. Prudhomme hat sogar hochgerechnet, wie viele Fotos entstehen. Es sind etwa 350.000 Aufnahmen am Tag. Könnte die Mona Lisa sehen, wäre sie vermutlich schon blind von dem Geknipse geworden. Schließlich ist sie das meistbesuchte Objekt in der 414.000 Stücke umfassenden Sammlung. Würde man alles abschreiten wollen, bräuchte man übrigens mehr als vier Tage (Tag und Nacht zusammengerechnet!).

Fazit: Was David Prudhomme produziert hat, ist nicht etwa ein läppischer Rundgang durch eines der berühmtesten Museen der Welt, sondern ein Überblickswerk zu menschlichem Verhalten im Museum. Ähnlich einem Reisebericht präsentiert er uns Eindrücke und Anekdoten. Über den Tellerrand hinaus zeigt das unterschwellige Ewigkeitsthema, das an verschiedenen Stellen anklingt. Überaus gelungen präsentiert die Graphic Novel einen andersartigen Blick auf Museumsbesucher und die Bedeutung von Kunstwerken.

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