Ausstellungsbesprechungen

Große Kunstausstellung 2009 »was uns antreibt«, Haus der Kunst München, bis 16. August

Einmal im Jahr bietet das Münchner Haus der Kunst große Teile ihrer Räume der Neuen Münchner Künstlergenossenschaft, der Münchener Secession und der Neuen Gruppe, die unter wechselnder Federführung ihre Große Kunstausstellung präsentieren. Das dürfte einmalig sein in der Bundesrepublik, zumal die 1949 erstmals gezeigte Leistungsschau über 60 Jahre hinweg auch ein Stück Geschichte dieses Landes vermitteln konnte. 2009 steht die Ausstellung unter dem Motto »was uns antreibt«. Das hört sich nach Allerweltsformel an, ist aber – bei aller Öffnung, ja Entgrenzung – auch als drastische Rückbesinnung zu deuten, rekurriert auf nichts Geringeres als das Menschsein.

»Mit der Frage nach der Motivation«, so die Veranstalter, »nach dem, was uns antreibt, macht die Große Kunstausstellung 2009 ein zentrales Problem künstlerischen Schaffens zum Thema einer Ausstellung. Was bewegt Künstler, das zu tun, was sie tun, und warum hören sie trotz aller Widrigkeiten nicht auf, ständig neue Wege zu suchen und diese zu verfolgen? Was steckt hinter dem fortgesetzten, von Zweifeln begleiteten Glauben an das eigene Werk?« Sie dürften es tun, tagein, tagaus, immerhin hängt ihre Existenz daran – was freilich das Künstlertum prägte, seit die Hof- und Gönnerverhältnisse sie nicht mehr gewährleistete. Interessant ist, dass die Große Kunstausstellung von Künstlern organisiert wird, die hier pro domo agieren (wer die Strukturen der einzelnen Gruppierungen anschaut, erkennt die relative Selbstverwaltung). Nebenbei bemerkt halten etliche Künstler auch als Aufsicht »Stallwache« – Gespräche sind also nicht auszuschließen, auch neben den offiziell terminierten Künstlergesprächen.

Was die Frage darüber hinaus spannend macht, ist die allgegenwärtige Krise: Kaum ein Berufsstand ist von jeher so krisenerfahren wie der des Künstlers, über alle Sparten hinweg. Da ausdrücklich die gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Rahmenbedingungen berücksichtigt und mit dem Motto verknüpft werden sollten, stellt sich Kunst einmal mehr als Krisenbarometer dar und aus. Hinzu kommt ein Phänomen, das manche (leider nur eine Minderheit der) Künstlerinnen und Künstler zu Gewinnern der allgemeinen Krise macht: Kunst gilt gegenwärtig als bessere Wertanlage als Aktien. Es kann natürlich nur die nüchterne Bilanz am Ende der Großen Kunstausstellung, die ja auch eine Verkaufsausstellung ist, zeigen, ob die Schau erfolgreich hat mithalten können. Die Besucherzahlen scheinen bislang nicht für einen Besucher- oder gar Kaufboom zu sprechen – obwohl oder weil parallel im Haus der Kunst eine spektakuläre, retrospektiv angelegte Ausstellung mit Arbeiten des Biennale-Künstlers Thomas Schütte stattfindet, der offenbar im öffentlichen Bewusstsein noch nicht ausreichend verankert ist (auch hier ist man unter der Woche als Besucher über weite Strecken für sich). Dabei bietet die Große Kunstausstellung alles auf, was die Künstler grade »umtreibt«: Malerei, Zeichnung und Plastik ist ebenso vertreten wie Fotografie, Installation und Video. Über tausend Bewerbungen lagen dieses Jahr vor – 120 Künstlerinnen und Künstler wurden schließlich ausgewählt.

Ausdrücklich erwünscht waren interdisziplinär arbeitende Künstlergruppen, die kunstwissenschaftliche und soziologische Fragestellungen mit einbringen, sowie Arbeiten, die selbstkritisch mit sozialen Phänomenen umgehen. Hierzu hätte man sich gerne mehr Beiträge gewünscht. Es dominiert eher eine Selbstbezogenheit, die freilich dem Thema auch gut ansteht: Mit doppelbödiger Ironie präsentiert Philipp H. Steiner sein magisch-realistisches Gemälde »Was uns antreibt«: Mit hypnotischer Geste visiert des Malers Alter ego ein mystisch beleuchtetes Ei in der Hand an, ungläubiger als die Frau an seiner Seite, die eher verbittert auf die Szenerie blickt. Die Frage, die im Titel als Feststellung daher kommt, ist ihre eigene Antwort und bleibt doch ungelöst. So einfach machen die Künstler es also nicht…

… wie auch die Ausstellung, der man sich mit einzelnen Spitzen nähern kann: etwa dem grandiosen Video von Peter Dietz, einem der Höhepunkte der Schau, in dem ein nachdenklich stimmender Text vor dem Hintergrund einer Flamme über einer Steintreppe abläuft, begleitet von computergenerierten Klängen. Von überraschender Eindringlichkeit sind auch die kleinformatigen Zeichnungen von Evelyn Steinmetz, die aus einem Linienknäuel Menschen formt, die mit minimalistischen Strichen ohne Worte zu kommunizieren vermögen. Der Installationsbildhauer Voré wiederum setzt sein Work in Progress fort mit seiner vielschichtigen Arbeit »Werkstatt S 09«, die die Werkzeuge des Plastikers mit skulpturalen Versatzstücken und tagesaktuellen Zeitungsseiten in einen konzeptuellen Weltentwurf aus mythischen, historischen und politischen Assoziationen verwandelt.

Der Besucher kann auch über ein bestimmtes Motiv, wie das der Berglandschaft, Zugang zur Ausstellung finden: Potenziell idyllisch, erweist sich der Fels mal als rein malerisches, mal als realistisches oder auch mal experimentelles Motiv. Hierzu sind gleich mehrere Namen zu nennen wie Wolfgang Bühler, Christoph Drexler, Baldur Geipel, Ernst Ludwig Heckelmann, Siegfried Rischar, Petra Thalmeier – der Berg ruft, auf viele Weisen. Ob er es ist, der auch antreibt? Schließlich ist es die Kunst selbst, die uns antreibt, wie heißt denn auch eine Directprint-Arbeit von Alexandra Königsmann? »Only Art«. Es lebe die Kunst, was immer sie antreibt.

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