Ausstellungsbesprechungen

Handwerk wird modern. Vom Herstellen am Bauhaus, Stiftung Bauhaus Dessau, bis 7. Januar 2018

Der Titel der aktuellen Ausstellung in den Räumen der Stiftung Bauhaus Dessau sorgt für Irritationen. Einerseits deutet die Parole »Handwerk wird modern« einen Gegenwarts-, ja Zukunftsbezug an; andererseits bezeichnet die Formulierung »Vom Herstellen am Bauhaus« ein geschichtlich abgeschlossenes Phänomen. Tatsächlich besteht die Ausstellung aus zwei Teilen, und zwar einem historischen Hauptteil, der durch die Präsentation einiger zeitgenössischer Positionen im Handwerk ergänzt wird. Ohne näher auf diese aktuellen Tendenzen einzugehen, konzentriert sich Rainer K. Wick in seinem Beitrag auf Fragen, die den Stellenwert und die Entwicklung des Handwerks am Bauhaus betreffen.

Dass das Handwerk seit geraumer Zeit als Gegenpol zu industriellen Produktionspraktiken und neuen, auf Digitalisierung zielende Entwicklungstendenzen wie Industrie 4.0 eine gewisse Renaissance erlebt, lässt sich allenthalben beobachten. Claudia Perren, seit drei Jahren Direktorin der Stiftung Bauhaus Dessau, erwähnt in diesem Zusammenhang die schon länger aktive DIY-Szene, also die Do it yourself-Bewegung, die sogenannten FabLabs (Fabrication Laboratories), die Crafter- und Maker-Szene – alles das lässt sich nicht trennscharf auseinanderdividieren – wie auch die aufstrebende Textilkunst. Das ist die Folie, vor der nun in Dessau nach der Rolle des Handwerks am Bauhaus in den Jahren von 1925 bis 1932 gefragt wird. Damit erfolgt zwei Jahre vor dem eigentlichen Termin gleichsam ein Frühstart in die 2019 anstehenden Jubiläumsveranstaltungen »100 Jahre Bauhaus«, die an den Wirkungsstätten dieser bedeutendsten Schule für Gestaltung der Zwischenkriegszeit in Weimar, Dessau und Berlin geplant sind.

Prinzipiell bietet die das »Herstellen am Bauhaus« thematisierende Schau in den Räumen der einstigen Weberei des Dessauer Bauhaus-Gebäudes kaum Einsichten, die dem hohen Anspruch einer »Neubetrachtung« (Perren) der Bauhaus-Geschichte gerecht werden. Die Ausstellung versucht mit dem Klischee aufzuräumen, dass mit dem Wechsel des Bauhauses von Weimar nach Dessau das Handwerk zugunsten einer dezidierten Umorientierung der Schule in Richtung auf die industrielle Sphäre dramatisch an Bedeutung verloren habe. Dagegen soll deutlich gemacht werden, dass dem Handwerk auch in Dessau eine prominente Rolle zukam – freilich einem gegenüber traditionellen Bestimmungen neu gefassten Begriff und einer andersartig ausgestalteten Praxis von Handwerk. Das alles sind aber keine neuen Erkenntnisse, sondern bekannte Fakten, die in der Ausstellung allerdings durch zahlreiche, zum Teil erstmals öffentlich gezeigte Exponate, vorwiegend aus der Dessauer Sammlung, gut belegt sind: Entwurfsskizzen, Unterrichtsaufzeichnungen, Materialproben, Fotografien, Möbel, Gefäße, Lampen, Textiles. Gezeigt werden auch Werkbänke, Webstühle, Werkzeuge und sonstige Gerätschaften, also Objekte, die den Fokus nicht auf die fertigen Produkte, sondern aufs Prozessuale, aufs Machen, richten. Das eindrucksvollste Dokument der Tatsache, dass dem Handwerk nicht nur in der Frühzeit des Bauhauses in Weimar, sondern auch in Dessau ein hoher Rang beigemessen wurde, findet sich aber nicht in der Ausstellung, sondern ist das Gehäuse selbst, das die Exponate beherbergt, sprich: der Werkstattflügel des von Gropius entworfenen Bauhaus-Gebäudes, jenes kühne, für die damalige Zeit geradezu revolutionäre, transparente und scheinbar schwebende Gebilde mit seinem die einzelnen Geschosse übergreifende Glasvorhang. Eine deutlichere architektonische Akzentuierung ist kaum denkbar, und dass die dort untergebrachten Werkstätten den Dreh- und Angelpunkt der Ausbildung am Dessauer Bauhaus bildeten, steht außer Frage. Leider kann die Ausstellung von der Offenheit und Transparenz dieser Inkunabel der Architekturmoderne nichts vermitteln, da der Raum angesichts der Empfindlichkeit mancher Exponate aus konservatorischen Gründen gegen Tageslicht abgeschirmt werden musste, eine verständliche Maßnahme, die einmal mehr zeigt, dass das als moderne Kunstschule errichtete Bauhaus-Gebäude für museale Präsentationen kaum geeignet ist. Für Abhilfe wird hier das im Dessauer Stadtpark entstehende neue Bauhaus-Museum mit einer Nutzfläche von rund 3500 m² sorgen, das 2019 aus Anlass des Jubiläums »100 Jahre Bauhaus« eröffnet werden soll.

Doch zurück zum Thema der Ausstellung. Die im 19. Jahrhundert rapide fortschreitende Industrialisierung zog breite Diskussionen über die Rolle und den zukünftigen Stellenwert des Handwerks nach sich, die in unterschiedlichen Hinsichten – technisch, sozial, politisch – zu Kursänderungen und Neujustierungen führten. Kräften, die das traditionelle, zünftig organisierte Handwerk mit Zähnen und Klauen zu bewahren suchten, standen Karl Marx und andere Beobachter gegenüber, die die Ansicht vertraten, dass das Handwerk hoffnungslos dem Untergang geweiht und der Handwerker zur Proletarisierung verurteilt sei. Wiederum andere sahen in der Maschinenproduktion einen gravierenden Qualitätsverlust gegenüber dem handwerklich gefertigten Produkt und deuteten diese Entwicklung als Symptom eines kulturellen Niedergangs. Spätestens seit der ersten Weltausstellung 1851 in London wurde die Kritik, die sich gegen die schlechte Produktqualität und die formale Unzulänglichkeit der meist mit historisierenden Ornamenten überzogenen Maschinenerzeugnisse richtete, immer lauter. Der Architekt Gottfried Semper, einer der prominentesten Kritiker, hat in seiner berühmt gewordenen Denkschrift »Wissenschaft, Industrie und Kunst« (1852) mit allem Nachdruck auf die neuralgischen Punkte der Form- und Produktgestaltung seiner Zeit hingewiesen. So beanstandete er bei einem Großteil der industriell produzierten Objekte deren vermeintliche »Veredelung« durch den »akademischen Künstler«, für ihn ein Missstand, für den er den durch die Arbeitsteiligkeit entstandenen »unzweckmäßigen« Dualismus von »ideeller Kunst« und »gewerblicher« Formgebung verantwortlich machte. Diesen Dualismus zu überwinden war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts das Ziel des englischen Arts and Crafts Movement mit seiner Galionsfigur William Morris. Für Morris lag der Schlüssel zur Erneuerung der Produktkultur in einer Neubelebung des Handwerks, und in einer Zeit, in der in der sogenannten freien Kunst der Geniekult hoch im Kurs stand, kam er zu dem Schluss: »Das Gerede von Inspiration ist barer Unsinn. Es gibt nichts Derartiges, Kunst ist einzig Handwerk.« Dass seine sozialromantisch grundierte und aus Mittelalterfantasien gespeiste Ablehnung der Maschinenproduktion zugunsten rein handwerklicher Praktiken letztlich nicht zukunftsfähig war, hat er im Laufe seines Lebens resignierend selbst erkennen müssen, und in der Zeit um 1900 lässt sich ein signifikanter Paradigmenwechsel beobachten – so etwa bei dem englischen Architekten und Entwerfer Charles R. Ashbee: »Die moderne Zivilisation beruht auf der Maschine, und kein vernünftiges System der Kunstunterstützung oder der Kunstförderung oder des Kunstunterrichts ist möglich, das dies nicht anerkennte.« Gleichwohl blieb sein Versuch einer Rehabilitierung der Maschine zögernd und unentschlossen. Seine Vision war die Maschine als Sklave, die unterworfene Maschine, während er das Schöpferische eher beim Handwerk angesiedelt sah. Hier tritt in der unmittelbaren Morris-Nachfolge eine durchaus ambivalente Haltung zur Maschine zutage, wie sie bald nach der Jahrhundertwende ähnlich auf dem Kontinent etwa bei Henry van de Velde und im frühen Werkbund anzutreffen war. In dieser »Vereinigung der intimsten Feinde«, wie ihr Initiator Hermann Muthesius es einmal formuliert hat und in der auch Gropius ab 1910 Mitglied war, wurde noch kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs erbittert über das Verhältnis von Kunst, Handwerk und Industrie gestritten, und die Geschichte des im Frühjahr 1919 gegründeten Bauhauses ist zugleich die Geschichte des Versuchs, dieses Verhältnis unter den sich wandelnden gesellschaftlichen Randbedingungen der Weimarer Republik immer wieder neu zu kalibrieren.

Am Anfang stand – übrigens zeittypisch und in Übereinstimmung mit Konzepten der sogenannten Kunstschulreform – eine deutliche Hinwendung zum Handwerk. So formulierte Gropius im Bauhaus-Gründungsmanifest von 1919: »Architekten, Bildhauer, Maler, wir alle müssen zum Handwerk zurück! Denn es gibt keine ›Kunst von Beruf‹. Es gibt keinen Wesensunterschied zwischen dem Künstler und dem Handwerker. Der Künstler ist eine Steigerung des Handwerkers. [...] Bilden wir [...] eine neue Zunft der Handwerker ohne die klassentrennende Anmaßung, die eine hochmütige Mauer zwischen Handwerkern und Künstlern errichten wollte!« Und im Bauhaus-Programm, das diesem Manifest angefügt ist, stellte Gropius fest, dass die »Grundlage für alles bildnerische Schaffen die gründliche handwerkliche Ausbildung aller Studierenden in Werkstätten und auf Probier- und Werkplätzen« sei und dass »jeder Studierende ein Handwerk erlernen« müsse. Anzumerken ist, dass die Handwerksmeister, die in Weimar die Werkstätten gemeinsam mit den sogenannten Formmeistern, Gestalter- und Künstlerpersönlichkeiten von Rang (neben Gropius selbst Lyonel Feininger, Johannes Itten, Wassily Kandinsky, Paul Klee, Gerhard Marcks, László Moholy-Nagy, Georg Muche und Oskar Schlemmer) leiteten, den Künstlern faktisch keineswegs gleichgestellt waren, was zu den zahlreichen inneren Widersprüchen gehört, von denen das Bauhaus nie frei gewesen ist.

Mit dem Übergang von der stark durch den Expressionismus geprägten Gründungsphase des Bauhauses zur deutlich vom Konstruktivismus beeinflussten Konsolidierungsphase der Schule (etwa 1923 bis 1928) veränderte sich auch der Charakter der Werkarbeit in den Bauhaus-Werkstätten. Nicht mehr das (kunst-)handwerklich gefertigte Einzelstück sollte im Fokus stehen, sondern die Schaffung von Prototypen für die Serienproduktion, eine Zielsetzung, die Gropius 1923 auf die klassisch gewordene Formel »Kunst und Technik eine neue Einheit« gebracht hat. Damit waren die Weichen in Richtung einer verstärkten Ausrichtung der Entwurfsarbeit auf eine Zusammenarbeit mit der Industrie gestellt, die dann vor allem nach dem Umzug des Bauhauses von Weimar nach Dessau forciert wurde. In der anhaltinischen Industriestadt kam es zu einer durchgreifenden Reorganisation der Werkstätten, und zwar sowohl hinsichtlich ihres Zuschnitts als auch ihres Personals. Weitgehend aufgegeben wurde das duale, überaus konfliktträchtige Weimarer Leitungssystem der Werkstätten durch zwei Personen, einen Künstler (Formmeister) und einen Handwerker (Werkmeister). Nun lag die Leitung der Werkstätten in den meisten Fällen in den Händen eines Einzelnen, eines sogenannten Jungmeisters, der – am Bauhaus ausgebildet – über eine künstlerisch-handwerkliche Doppelqualifikation verfügte. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang Herbert Bayer, Marcel Breuer, Hinnerk Scheper, Joost Schmidt und Gunta Stölzl. Typisierung, Normierung, technische Reproduzierbarkeit, serielle Herstellung, Massenproduktion wurden für das Bauhaus zu handlungsbestimmenden Leitbegriffen, was zur Folge hatte, dass die Einzelkunstwerkproduktion stark beschnitten und auf die Sphäre der Privatateliers zurückverwiesen wurde.

Mit der Fokussierung der Entwurfsarbeit auf die industrielle Sphäre hatte das Handwerk am Bauhaus aber keineswegs ausgedient, wie die gut ausgewählten Exponate der Dessauer Schau anschaulich zeigen. Obwohl Gropius im Bauhaus-Gründungsmanifest den Geist mittelalterlicher Zünfte und Hütten und beschworen hatte, ging es ihm letztlich nie um ein Revival historisch überlieferter Produktionsformen und traditioneller berufsständischer Strukturen. Was ihm vorschwebte war vielmehr ein Handwerk, das jenseits der auf Tradition beruhenden Kenntnis- und Fertigkeitsvermittlung, jenseits des alten Imitatio-Prinzips, auf die Kraft des Schöpferischen, auf das Experiment und die Erfindung setzte und essentiell innovativ war. Für ihn war das Handwerk, wie er mehrfach betont hat, nicht »Eigenbrötelei«, sondern »unerlässliches Mittel zum Zweck«. Im Handwerk erkannte er die Grundform praktischer Arbeit und »beruflichen Lernens, die zwar im vorindustriellen Gewerbe entstanden, aber völlig unabhängig von irgendeiner Organisationsform der Gewerbewirtschaft ist. Daher vermag sie auch kein äußerer Formenwandel der Arbeitswelt je hinfällig zu machen. Sofern Berufsarbeit Handanlegen erfordert, praktisches Können verlangt, in technischem Gegenstandsumgang besteht, kann sie nur im Modus handwerklichen Tuns erlernt werden. Wie hochindustrialisiert das Umfeld auch sein mag, als grundlegende Arbeits- und Lernweise bleibt das ›Handwerk‹ unablösbar.« Obwohl der Berufspädagoge Udo Müllges diese Zeilen nicht auf Gropius gemünzt, sondern mit Blick auf den bedeutenden Münchner Schulreformer Georg Kerschensteiner geschrieben hat, lassen sie sich umstandslos auch auf den Bauhaus-Gründer und dessen Einstellung zum Handwerk übertragen.

In seinem programmatischen Text »Grundsätze der Bauhausproduktion« hatte Gropius 1925 den Bauhaus-Werkstätten den Status von »Laboratorien« zugemessen, »in denen vervielfältigungsreife, für die heutige Zeit typische Geräte sorgfältig im Modell entwickelt und dauernd verbessert werden.« Tatsächlich stimmte die Realität mit dieser Idealvorstellung aber nur partiell überein. Regina Bittner, stellvertretende Direktorin der Stiftung Bauhaus Dessau und Co-Kuratorin der Ausstellung, betont den Übergangscharakter der Werkstätten des Dessauer Bauhauses und beschreibt den Werkstattbereich als »Transitraum [...] zwischen Fabrik und Handwerksbetrieb, zwischen Lehrwerkstätten der Kunstgewerbeschulen und Laboratorien für industrielle Prototypen.« Die Ausstellung macht nicht nur diese komplexe Gemengelage deutlich, sondern führt auch die unterschiedlichen Geschwindigkeiten der einzelnen Werkstätten, mit denen sie sich zu modernen »Laboratorien für die Industrie« entwickelten, vor Augen. Und sie deutet das Konfliktpotential an, das sich daraus ergab, dass das Bauhaus im Spannungsfeld zwischen einem zunehmend avancierten Begriff von Handwerk und einer traditionsverhafteten Praxis handwerklichen Tuns, wie sie von den Handwerksverbänden gepflegt wurde, agierte. Denn wie zuvor schon in Weimar machten die Absolventen auch in Dessau ihren Abschluss nicht nur am Bauhaus, sondern sie legten mit dem Ziel einer formalisierten gestalterisch-handwerklichen Doppelqualifikation zusätzlich vor der örtlichen Handwerkskammer die Gesellenprüfung ab. Dass hier zwei Universen zusammentrafen, die sich einander mehr und mehr entfremdet hatten, lässt sich umstandslos nachvollziehen. Aus unterschiedlichen Gründen hatte sich das Bauhaus von Anfang an der heftigen Kritik der Handwerksbetriebe ausgesetzt gesehen, und hinsichtlich der Frage, was eine handwerklich fachgerechte Arbeit sei, konnte es erhebliche Meinungsunterschiede geben – Josef Albers befürwortete sogar explizit die »unfachliche (das heißt, nicht durch Lehre beschwerte) Versuchsarbeit«, um dadurch zu neuen, unkonventionellen Lösungen zu gelangen. Erwähnt sei nur sein in der Ausstellung präsentierter Armlehnsessel »ti 244« von 1928, ein aus neun Einzelelementen und achtundzwanzig Schrauben do it yourself montierbarer Bugholzsessel mit gepolsterter Sitzfläche und Rückenlehne, der den tradierten Vorstellungen und handwerklichen Standards eines Möbeltischlers der damaligen Zeit sicherlich kaum entsprochen haben dürfte. Wie tief die Kluft auch in ästhetischen Fragen war und sich in einer und derselben Person manifestieren konnte, zeigen in der Ausstellung zwei Arbeiten von Alfred Schäfter, der – kaum bekannt – zeitweise Werkmeister in der Metallwerkstatt am Dessauer Bauhaus war: ein »bauhäuslerischer« vierarmiger Silberleuchter von formaler Strenge, schnörkelloser Klarheit und fast industriell anmutender Glätte aus dem Jahr 1930 und daneben, als Meisterstück für die Prüfungskommission der Innung, ein schmiedeeiserner Leuchter mit verschnörkelten Zierformen, der die Formensprache des vorletzten Jahrhunderts spricht und von der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen erzählt.

Unter dem Stichwort »Objektbiografien« geht die Ausstellung auf die »unterschiedlichen öffentlichen Karrieren« einiger am Bauhaus entworfener und als Prototypen für die Industrie handwerklich hergestellter Gebrauchsgegenstände ein, sei es des berühmten Stahlrohrsessels »B3« (bekannt als »Wassily Chair«) von Marcel Breuer oder der KANDEM-Leuchten, die von der Leipziger Firma Körting & Mathiesen in hohen Stückzahlen produziert wurden. Dabei werden auch Fragen des Urheberrechts, des Patentschutzes und der Entwurfshonorare thematisiert sowie das Problem der »Anerkennung der Autorenschaft« in den Blick genommen. Während Breuer es früh verstand, seine Tätigkeit am Bauhaus öffentlichkeitswirksam mit seinem Namen zu verbinden, gelang es zum Beispiel Marianne Brandt »nicht, ihre Rolle als Entwerferin öffentlich zu markieren« (Regina Bittner), obwohl sie schon in der Metallwerkstatt in Weimar mit herausragenden Entwürfen hervorgetreten war und in Dessau maßgeblich die Zusammenarbeit mit der Industrie vorangetrieben und den Schritt vom ästhetisierenden Kunsthandwerk zu einem der Forderung nach Funktionsgerechtigkeit gehorchenden Industriedesign vollzogen hatte.

Ausgiebig dokumentiert wird in der Dessauer Ausstellung die Rolle der Bauhaus-Weberei, in der – wie in der Möbel- und Metallwerkstatt – im Laufe der zweiten Hälfte der 1920er Jahre die Entwurfsarbeit zunehmend auf die Erfordernisse maschineller Serienproduktion umgestellt wurde. Hatte in der Weimarer Weberei das handwerklich hergestellte, oft folkloristisch (sogar von präkolumbianischer Webkunst) inspirierte, am Handwebstuhl gefertigte Einzelstück, dann auch das in einer streng geometrisierenden Formensprache gestaltete Unikat im Mittelpunkt gestanden, begann man in Dessau mit neuen Materialien (z.B. synthetischen Fasern) und avancierten Herstellungsverfahren (z.B. mit Jacquardwebstühlen) zu experimentieren. Dabei spielten Überlegungen, wie bei guter Materialqualität und hohem ästhetischen Standard der Massenbedarf gedeckt werden könne, eine maßgebliche Rolle. Dazu schrieb Gunta Stölzl, die ab 1925 Werkmeisterin und ab 1927 als Jungmeisterin alleinige Leiterin der Weberei war, in der Bauhaus-Zeitschrift: »1922-23 [durften] unsere Stoffe noch ideenschwere Dichtungen, blumiges Dekor, individuelles Erlebnis sein. [...] Allmählich trat eine Wandlung ein. Wir fühlten, wie anspruchsvoll diese selbständigen Einzelstücke seien [und] suchten uns zu vereinfachen, unsere Mittel zu disziplinieren, materialgerechter, zweckbestimmter zu werden. Damit kamen wir zu Meterstoffen, die eindeutig dem Raum, dem Wohnproblem, dienen konnten. Die Parole dieser neuen Epoche: ›Modelle für die Industrie!‹«

So konzis die Dessauer Ausstellung ihren historischen Gegenstand mit einer Fülle von Exponaten zur Anschauung bringt, so schwierig erscheint das Bemühen eines Brückenschlags in die Gegenwart. In einem separaten Raum haben Regina Bittner und ihre Co-Kuratorin Renée Padt einige zeitgenössische internationale Positionen alternativen, selbstbestimmten, sozialverträglichen und nachhaltigen Handwerks sowohl aus klassischen Industrieländern wie auch aus Entwicklungs- bzw. Schwellenländern versammelt. Für sich genommen allesamt interessant, stehen die präsentierten Projekte mit dem Bauhaus, sofern überhaupt, aber allenfalls in einem lockeren Zusammenhang. Insofern lässt sich der Eindruck einer gewissen Beliebigkeit nicht von der Hand weisen, zumal dem Besucher der Ausstellung die Kriterien für die Auswahl der genannten Positionen nicht ohne weiteres deutlich werden. Angesichts dieser als »Aktualisierung« sicherlich gut gemeinten Erweiterung der im Kern aufs Historische zielenden Dessauer Schau wäre Ludwig Mies van der Rohes »less is more« sicherlich kein schlechter Ratgeber gewesen.

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