Ausstellungsbesprechungen

Hannah Höch. Revolutionärin der Kunst, Kunsthalle Mannheim, bis 14. August 2016

Im großen Dada-Jahr 2016 bietet die Kunsthalle Mannheim weniger einen Überblick über die Bewegung an sich, sondern über eine ihrer prominenten Protaginistinnen: Hannah Höch. Nichts Geringeres als eine »Revolutionärin der Kunst« hätten wir da vor uns. Aber stimmt das wirklich? Marco Hompes hat sich die Schau angesehen.

2016 feiern zahlreiche Museen das Geburtsjahr Dadas, das sich in diesem Jahr zum 100. Mal jährt. Auch die Kunsthalle Mannheim gesellt sich zur Riege der Gratulanten und pickte sich hierfür die Künstlerin Hannah Höch heraus, um ihr eine Ausstellung zu widmet. Dabei zelebrieren die Ausstellungsmacherinnen sie als »Revolutionärin der Kunst«. Ob das nicht vielleicht ein wenig hochgegriffen ist?

1918, so heißt es im Begleitheft, habe sie die Collage als künstlerische Ausdrucksform proklamiert. Und unbestritten gehört die 1889 in Gotha geborene Künstlerin zu den Meisterinnen dieser Technik. Doch die frühen Jahre, so erfährt man, sollen nicht im Mittelpunkt stehen, sondern das Werk nach 1945. Diese inhaltliche Gewichtung mag eine pragmatische Entscheidung gewesen sein, da viele der fragilen Zeitungscollagen der Anfangsjahre nicht mehr auf Reisen gehen können.

Sich auf die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zu fixieren, böte gleichsam jedoch interessante wissenschaftliche Akzentuierungen. Denn gerade in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg begannen Auseinandersetzungen um die Deutungshoheit und darum, wer nun seine Duftmarke in der Kunstgeschichtsschreibung setzen darf und wer folglich vergessen wird.

Höch, so wie andere weibliche Kunstschaffende in und um den Dadaismus, traf dieser historische Abschnitt hart, wurden ihre künstlerischen Leistungen doch mitunter völlig negiert. Auch stellte sich die Frage, ob es zeitgemäß sein kann, die Mittel und Techniken der Vorkriegsjahre unverändert fortzuführen.

Leider wurde in Mannheim verpasst, derartige inhaltliche Tiefen anzugehen. Viel eher wurde das Werk chronologisch kunterbunt durcheinandergewirbelt und danach in elf hübsch voneinander getrennte, mit bisweilen fragwürdigen Überschriften versehene Blöcke zerteilt. Auf den ersten Raum, der sich den Selbstbildnisse und der Biografie widmet, folgt eine spannende Gegenüberstellung von Stadt- beziehungsweise Industriebildern und »Paradiesgärtlein und Horrorvegetation«, die durchaus einige erstaunliche Parallelen aufweisen. Hier überrascht Höch mit sehr gelungenen Gemälden, die eine breite ästhetische Vielfalt bieten.

Danach wird es im Rundgang zunehmend schwammig. »Hohe Schule der Ironie« liest man beispielweise im anschließenden Saal und erwartet einen inhaltlichen Höhepunkt der Ausstellung: Jene Avantgardistin also, die damals mit »dem Küchenmesser Dada durch die letzte Bierbauchkulturepoche Deutschlands« schnitt und die politisch Stellung bezog. Man wird enttäuscht. Das meiste ist nicht ironisch, nicht einmal amüsant und schon gar nicht politisch.

Lediglich der Bereich »Herz DADA mit Meisterwerken« bietet wirkliche Highlights, bei denen auch den Ursprüngen der ausgestellten Collagen auf den Grund gegangen wird. Wenn demonstriert wird, aus welchen ethnografischen Zeitschriften, aus welchen Tiermagazinen die Künstlerin ihre Motive entnahm und wie sie diese veränderte, wird die ästhetische Möglichkeit dieser Technik nachvollziehbar. Mit den Fragen, warum denn das Medium Collage für die Künstlerinnen und Künstler jener Jahre spannend wurde, wie sich die Begeisterung für Parallelitäten seitens des Dadaismus erklären lässt, und wie sich das Werk der Höchs nach 1945 änderte beziehungsweise nicht änderte, mit diesen Fragen wird man in Mannheim alleine gelassen. Stattdessen kann man sich neue, durch ausgestellte Arbeiten inspirierte »Klangcollagen« anhören, an einer Magnettafel und digital eigene (kollektive) Collagen erstellen.

Der Versuch der inhaltlichen Gruppierungen seitens der Kuratorinnen splittert das Gesamtwerk Höchs kaleidoskopartig auf und verliert dadurch an Kohärenz. Statt Klarheit sorgt die Ausstellung für Verwirrung und statt Inhalten brilliert sie mit Eventisierungen. Vielleicht hätte eine andere, eine stärker inhaltliche Gewichtung ein einheitlicheres Bild ergeben?

Was nach dem Besuch bleibt ist die Erkenntnis, dass Höchs Œuvre ungemein vielseitig ist, dass es unterschiedliche ästhetischen Ausprägungen, technische Herangehensweisen und breite inhaltliche Perspektiven bietet, die sich nun mal leider nicht in einigen wenigen Themenräumen zusammenfegen lassen. Das »Revolutionäre«, das der Ausstellungstitel verspricht, sucht man in der Mannheimer Schau vergeblich.

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