Buchrezensionen, Rezensionen

Hannelore Kunz-Ott, Susanne Kudorfer, Traudel Weber (Hrsg.): Kulturelle Bildung im Museum. Aneignungsprozesse - Vermittlungsformen - Praxisbeispiele. Bielefeld 2009, transcript Verlag.

»Museumstauglich« oder nicht?! - Welcher Besucher eines Museums darf sich erst genannter Kategorie zuordnen oder muss sich zweiter zugehörig fühlen? Und welchen Anteil hat das Museum daran, dass es als Bildungsstätte sehr eigener Art von einer möglichst weit gestreuten Publikumsschicht wahr- und angenommen wird? Den neu erschienen Sammelband zum Stand des Museumswesens in Deutschland hat für PKG Susanne Gierczynski gelesen.

Die Aufsatzsammlung reflektiert darüber, was das Museum, seine Konzeption und Präsentation dazu zu leisten vermag, aus einem »Museums-untauglichen« einen »Museums-tauglichen« Besucher zu machen. Der Bundesverband Museumspädagogik e.V. hatte in Kooperation mit dem Deutschen Museum zu einer Fachtagung 2008 in München geladen. Unter dem Motto »Bildung - Was sonst?! Aneignungsprozesse und Vermittlungsformen in Museen« entstanden Vorträge, die der Band in gedruckter Form wiedergibt.

Den hohen Anspruch »kulturelle Bildung für alle Kinder zugänglich zu machen« (S. 29) verfolgt die Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder. Während Isabel Pfeiffer-Poensgen den Eltern ein eher mangelhaftes Bewusstsein für den Bildungsinhalt der Bildenden Kunst, der Musik, des Theaters und der Literatur zuweist, der von dem Kompetenzerwerb in Sprachen und Naturwissenschaften in die dritte oder vierte Reihe verwiesen wird (S. 26), sieht sie insbesondere Kindergärten und Schulen in der Pflicht, kulturelle Bildung gerade auch an jene Kinder zu vermitteln, die eben nicht dem »traditionellen Bildungsbürgertum« entstammen (S. 27). Dass die Absenkung der Schwellenangst von Pfeiffer-Poensgen als limitierender Faktor für den Museumsbesuch erwähnenswert ist (S. 28), zeigt auf, wie weit die museale Realität von der gewünschten »Zugänglichkeit« für jedermann zu den von ihr einverleibten Schätzen entfernt ist.

Stephan Schwan stellt in seinem Beitrag Aspekte zum Thema »Lernen und Wissenserwerb in Museen« vor. Dass es »museumstaugliche Besucherinnen gibt und solche, für die das nicht gilt« (S. 33), ist ein Diktum, das über psychologische Eigenschaften und nicht über die »Zugehörigkeit zu bestimmten Bildungsschichten« (35) auszumachen ist, so der Autor. Es sind die »Motivation zum Wissenserwerb, das Interesse am spezifischen Thema, das diesbezügliche Vorwissen sowie das Vorhandensein angemessener Strategien der Informationsaufnahme und -verarbeitung« (S. 35), die jemanden »museumstauglich« oder eben nicht sein lassen. Aufgabe des Museums ist es, so der Autor, aus »eigentlich uninteressierten interessierte Besucherinnen« (S. 37) zu machen. Dies geschehe über die »Ausstellungsgestaltung« d.h. über die Platzierung und Inszenierung der Exponate, über »Tourenvorschläge«, »Audioguides« und/oder »Personenführungen« (38). Interesse wird durch unterschiedliche Strategien geweckt wie »Verrätselung von Sachverhalten«, »überraschende, erwartungskonträre Erfahrungen«, »Dioramen«, »Modelle oder Re-enactments« oder indem »einem Sachverhalt ein human touch« verliehen wird (40). Es ist - resümierend - »nicht der durchschnittliche, nicht der ideale und schon gar nicht der einfältige, sondern nur der vielfältige Besucher«, der das »Ziel einer Besucherorientierung« im Museum mit einem »kohärenten Programm« ist (S. 42).

Im Auftrag der Bildungsabteilung der Tate Modern (London) entwickelt Anna Cutler neue Bildungsprogramme und Lernstrategien für das Haus und stellt einige grundsätzliche Gedanken in ihrem Beitrag »What is to be done - Sandra? Learning with Young People in Cultural Institutions of the 21st Century« vor. Neben grundsätzlichen Überlegungen zum Begriff des Lernens überführt Cutler die kulturelle Aktivität wichtiger »life skills«, die im landläufigen Bildungssystem nur wenig Raum finden: »how to apply an idea to its material production, therefore making the abstract concrete, and navigating the public realm in terms of critique. These are important life skills [...], they help form and shape our relationship, to people, to the wider world and to critcal reflection« (S. 66).

Laut Cutler müssen sich kulturelle Institutionen ihrer Authentizität in Abgrenzung zu Bildungs-Institutionen bewusst werden (S. 68). Partnerschaften, Dialoge, kulturelle und bildungs-politische Kollegialität sollten ausgebaut werden, (69) kulturelle Institutionen haben besondere Bedingungen hinsichtlich Raum und Zeit und der Möglichkeit kulturellen Lernens, so Cutler (S. 70). Die Frage was im Hinblick des Lernens in kulturellen Institutionen zu tun ist, kommt zu einer Zeit, so Cutler, in der fundamentale Fragen darüber gestellt werden, auf welche Weise wir unsere sozialen Lernsysteme erweitern können (S. 70).

In seinen praxisbezogenen Textbeiträgen reflektiert der Band die aktuelle gedankliche Verfassung hinter museumspädagogischem Handeln an deutschen Museen. Dass ausgerechnet ein Diplom-Psychologe und Professor für Lehr-Lern-Forschung (Stephan Schwan) und eine englische Abteilungsleiterin für Bildungsprogramme und Lernstrategien der Tate Modern (Anna Cutler) grundlegende Überlegungen für ein neues Selbstverständnis kultureller Bildungs-Institutionen beisteuern, spricht für die festgefahrene und uninspirierte Situation deutscher Museumspädagogik.
Die »Besucherbetreuung« (S. 103 ff.) ist unter den vielfältigen musealen Serviceleistungen, die der Band beschreibend vorstellt, eine Maßnahme der als engagierte Kommunikationsleistung mehr Beachtung geschenkt werden darf.
Sollte es bei der bekannten Aufgabendefinition des deutschen Museums zu »Sammeln, Forschen und Bewahren« und erst in vierter Instanz eine »aktive Teilhabe am kulturellen Leben« (S. 7) zu ermöglichen, bleiben, stagniert die deutsche Museumslandschaft in ihrem Selbstverständnis. Dazu gehört auch, dass die Kommunikation zwischen museumsangestellten Pädagogen, Kunsthistorikern, Kuratoren, Restauratoren intensiver auf größere Besucherfreundlichkeit ausgerichtet werden muss.

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