Buchrezensionen, Rezensionen

Harald Kimpel (Hg.): documenta emotional. Erinnerungen an die Weltkunstausstellungen, Jonas Verlag 2012

Harald Kimpel hat sich auf die Suche nach Äußerungen gemacht, die das persönliche Erleben der documenta 1 bis 12 veranschaulichen. Diese subjektiv eingefärbte Schilderungen dokumentieren die emotionalisierende Wirkung der Ausstellungsreihe, die all jene in ihren Bann zieht, die sich auf sie einlassen. Anne Levke Vorbeck hat sich in das Buch vertieft.

Zu den zahlreichen wissenschaftlichen Publikationen, die zur documenta erschienen sind, gesellt sich nun ein Band, der sich mit den ganz persönlichen Erlebnissen, die die unterschiedlichsten Leute mit der documenta verbinden, beschäftigt. Aus weit verstreuten Quellen hat der Kunstwissenschaftler und documenta-Experte Harald Kimpel Aussagen von Ausstellungsmachern, Künstlern, Kritikern, Museumsleuten, Kunsthändlern und verantwortlichen Politikern zusammengetragen. In ein- bis dreiseitigen Beiträgen treten eine Vielzahl von unterschiedlichen Blickwinkeln auf die weltberühmte Ausstellungsreihe zu Tage. Weitestgehend der Chronologie der Ausstellungen folgend spannt sich der Bogen von der ersten Ausstellung bis hin zur documenta 12.

Von der Euphorie und der Aufbruchsstimmung, die insbesondere während der ersten zwei Ausgaben herrschte, zeugen u. a. die Beiträge von Rudolf Zwirner und Alfred Nemeczek. 1955 fand in der zum damaligen Zeitpunkt noch weitgehend zerstörten Stadt Kassel begleitend zur Bundesgartenschau die erste documenta statt, die es ermöglichte, Kunst der zwanziger und dreißiger Jahre zu entdecken.
Initiator und treibende Kraft der ersten documenten war Arnold Bode, der in den verschiedenen Beiträgen immer wieder mit seiner Willensstärke und seiner visionären Kraft beschrieben wird. Es wird erkennbar, wie sehr die Geschichte des Museums der 100 Tage mit seinem Namen verknüpft ist.

Welch ungeheure Faszination die documenta auf die Ausstellungsmacher und weitere Beteiligte ausübt, wird an vielen Stellen des Buches deutlich. Rudolf Zwirner beschreibt seinen Besuch auf der ersten documenta als wegweisende Erfahrung, die seinen weiteren Werdegang mit bestimmen sollte. Ein einschneidendes Erlebnis war das Kunstereignis auch für Hans Haacke, der seinen Job als Wärter auf der zweiten documenta als seinen Einstieg in die internationale Kunstwelt schildert und für Norbert Bisky, der sich durch den Besuch der 9. Ausgabe zum Malereistudium ermutigt fühlte.

Interessante Details über die Arbeitsumstände, die Sicherheitsbedingungen, die Auswahl der Werke und den damit verbundenen Streitigkeiten treten zu Tage. So berichtet beispielsweise E. R. Nele, die Tochter Arnold Bodes, dass es in den ersten Jahren noch kein festes Büro gab und die Organisation weitestgehend von ihrem Wohnhaus aus stattfand. Wieland Schmied beschreibt, wie die Ausstellung ihn jahrelang bis in den Schlaf hinein verfolgt hat, da es durch das Dach der Orangerie, wo sich die von ihm verantwortete Abteilung der Zeichnungen befand, kurz vor der Eröffnung der documenta 6 hineinregnete.

Auch einigen kritischen Stimmen wird in diesem Band Platz eingeräumt. So missfiel dem Maler K. O. Götz die Hängung seiner Arbeiten auf der documenta 2, die von den großen Formaten der Amerikaner auf den Bodenraum gedrängt worden waren und Willi Sitte spricht im Angesicht der Inszenierung der Werke der DDR-Künstler auf der documenta 6 von einer diskriminierenden Präsentation.

Der Schwerpunkt der vorliegenden Publikation liegt eindeutig auf den ersten vier Ausgaben der Ausstellungsreihe. Es verbleiben nur noch wenige Seiten im Buch, wenn der Leser an den Ausführungen zur documenta sieben angelangt ist. Die d12 taucht nur in Nebensätzen auf und die d11 tritt erst gar nicht in Erscheinung.
Zwar erhebt der Herausgeber, wie er im Vorwort bemerkt, keinen Anspruch auf Vollständigkeit, dennoch wären weitere Beiträge zu den jüngeren Ausstellungen wünschenswert gewesen. Gerade da sich viele Informationen über die ersten Ausstellungen wiederholen, hätte man den zeitnahen Ausgaben mehr Platz einräumen können.

Kimpel gelingt es dennoch, mit den ausgewählten Erinnerungen viel von der einzigartigen Atmosphäre zu vermitteln, die die documenta umgibt. Das Buch ist eine gute Einstimmung auf das diesjährige Kunstereignis und macht große Lust darauf, selbst daran teilzuhaben.

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