Ausstellungsbesprechungen

harmony of clash

In der Gemeinschaftsausstellung »harmony of clash« zeigt das ZKMax in München noch bis zum 14. September 2008 die Videoarbeiten von fünf koreanischen und fünf deutschen KünstlerInnen, die sich bereits im vergangenen Jahr in Seoul zu einer Ausstellung zusammengefunden hatten.

»harmony of clash« führt den bereits seit 2003 erfolgreich stattfindenden Kulturaustausch zwischen wechselnden KünstlerInnen aus Seoul und Deutschland fort. Anliegen dieses Projektes war und ist, den gegenseitigen Kontakt zweier ökonomisch zwar prosperierender, kulturell aber grundverschiedener Kulturen aufzubauen und zu pflegen. Wie aber präsentiert sich nun in München dieser kulturelle Dialog?

Die ganz unterschiedlich anmutenden Videoarbeiten sind in zwei Rezeptionssituationen aufgeteilt: ein Kino und eine Medieninstallation, die Nähe und Ferne symbolisieren und die thematische Klammer zum Gedanken des kulturellen Austausches bilden.

 Wenn wir uns der Vitrine auf der stadtauswärtigen Seite des ZKMax nähern, so werden wir einer Zweiteilung gewahr: Während der linke Teil wie ein Kino mit einer Sitzkonstruktion in der Passage installiert ist – hier sind die Arbeiten von Charlotte Desaga, Carmen Rubertus, Notburga Karl, Eunsu Kang, Unui Jang, Fay Shin und Siren Eun Young Jung zu sehen – bildet auf der rechten Seite eine ortspezifisch entwickelte mediale Installation von Dan Dryer das Zentrum. Dan Dryer alias Astrid Piethan und Jörg Koslowski haben die Arbeit »Black Hole – Mill 01« entworfen, die ein seltsames kopfartiges Gebilde zeigt. Dieser »Fetischschrumpfkopf«, der aus Klebeband geformt, mit langen schwarzen Haaren versehen und auf eine Stange montiert wurde, rotiert um die eigene Achse, wobei die Haare wild durch die Luft gewirbelt werden.

Bei der medialen Installation »Grid« aus dem Jahr 2008 hat Dan Dryer fünf Wände in gleichem Abstand parallel zueinander aufgestellt. Durch eine rechteckige Aussparung in der Mitte erscheinen sie jedoch wie große Rahmen, in die statt einer Leinwand die Atmosphäre des Raumes eingespannt ist. Zentral vor diesen Wänden wurde eine Videokamera platziert, die das perspektivische Gesamtbild auf eine Rückprojektionsfläche überträgt. Auch dieses Bildmedium, das die Aufnahme der Kamera wiedergibt, besitzt das gleiche Format wie die gestaffelten Wände. Wenn wir frontal auf das Geschehen blicken, dann verjüngen sich die Wände zum Bild hin perspektivisch und überdecken so rasterartig Teilbereiche der Projektion. Je nach Winkel zum Objekt ist unsere Sicht auf die Bildübertragung mehr oder weniger fragmentarisch. Das »reale« Material ist mit der »fiktionalen« Projektion verschmolzen und wenn der Betrachter das Objekt umschreitet, so wandelt sich die Wahrnehmung automatisch: das simultan Übertragene wird in der Seitenansicht beispielsweise beinahe ausgeblendet und öffnet sich auf der Projektionsseite als seitenverkehrte Bildwiedergabe.

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Im Gegensatz zu dieser Installation demonstriert die 1975 geborene Künstlerin Charlotte Desaga in ihrem Video »Letters to No One« auf drei schwarzen, nebeneinander angeordneten Papierflächen den künstlerischen Prozess des Schreibens. Zeitlich versetzt werden die drei Flächen von Hand mit einem Text beschrieben, wobei das mit Tusche Geschriebene nur für wenige Augenblicke lesbar ist, da es sukzessive in das Papier einzieht, um schließlich gänzlich mit dem Schreibgrund zu verschmelzen und unsichtbar zu werden. Der Vorgang des Beschriftens wird fortgeführt und es zeigt sich, dass hier nicht der Wortsinn, sondern das Eindringen des Textes in das Papier, der Fluss des Schreibens und die Ästhetik der Schrift an sich im Mittelpunkt stehen.

In ihrem Video »Crying about the passing of time« lässt Sonja Engelhardt uns als Betrachter an einem sehr intimen und schmerzhaften Augenblick teilhaben: das Abschneiden der Augenwimpern. Die Künstlerin selbst kleidet den Vorgang in lakonische Sprache, wenn sie sagt: »Ich schneide mir mit einer Schere die Wimpern ab. Die abgeschnittenen Wimpern fallen auf mein Gesicht.« Es ist, wie Matthias Müller es formuliert, »[e]ine radikale Löschung des Blicks - ein kurzer Schnitt, schmerzhaft wie eine Selbstverletzung, kathartisch wie eine Reinigung. Die Sinne sind befreit für einen neuen Anfang.« Möglicherweise wird durch diesen Neubeginn die Perspektive geweitet und der Blick für noch unbekannte Dinge, etwa aus einem anderen Kulturbereich geschärft.

Einen beeindruckenden Kulturtransfer erreicht auch der in Seoul lebende Künstler Unui Jang. In seiner Arbeit »Das Fenster für zwei Länder - Deutsches Kulturzentrum in Seoul« aus dem Jahr 2007. Gegenstand des künstlerischen Interesses war das Deutsche Goethe Institut in Korea, das auf einem Hügel im Süden von Seoul gelegen ist. Das Gebäude wurde von einem deutschen Architekten erbaut und auch die Inneneinrichtung wurde aus Deutschland importiert. Befindet man sich in diesem Gebäude, fühlt man sich wie in Deutschland, wirft man jedoch einen Blick aus dem Fenster, so trifft man auf die koreanische (Kultur-)Landschaft: koreanische Herbstbäume, eine koreanische Kirche, eine koreanische Grundschule usw. Beim Schweifen des Blicks zwischen (Innen-)Architektur und Fenster, zwischen Innen- und Außenraum wird man zu einem Wanderer zwischen den Welten, zwischen asiatischer und der europäischer Lebenswelt. Indem Unui Jang diese beiden Welten in einem Bild festhält, verschmilzt er das Trennende und demonstriert den fruchtbaren Kulturaustausch – es herrscht im Bild eine »Harmonie der Gegensätz«.

In der Arbeit »Her Pill« aus dem Jahr 2006 fährt der 1974 geborene Künstler Siren Eun Young Jung mit der Kamera durch eine ländliche Landschaft Koreas, wobei Straßen und Häuser flüchtig am Auge vorbeiziehen. Unterstrichen wird diese verwischte Visualität, wie sie uns beim Blick aus einem Autofenster vertraut ist, in dem Video durch die hellen, von Pixel geprägten Bilder. Im Hintergrund ist die helle Stimme der Erzählerin zu hören, die wie die Bilderflut gleichmäßig abläuft. Mit poetischer Leichtigkeit gelingt es dem Künstler den Betrachter in den Strudel subjektiver Abhängigkeiten zu ziehen, denn der sprunghafte Wechsel zwischen Ich- und auktorialer Erzählperspektive evoziert eine unerwartete Intimität und Melancholie.

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Die in Seattle lebende Künstlerin Eunsu Kang schmilzt in ihrer Arbeit »Metamorphosis: an Intermedia Study« dagegen Bewegungen ein, verlangsamt sie sozusagen: Aus einer Aufsicht blicken wir auf eine weiß gekleidete Tänzerin mit tiefem Rückenausschnitt, deren Tanzbewegungen sich zusehends verzerren, so dass die menschliche Figur organische Formen annimmt und Muskelstränge etwa zu einer surrealen, geheimnisvollen Landschaft avancieren. Eunsu Kangs arbeitet häufig mit über Körpersprache transportierten Bildern und Klängen, wobei Letztere nicht menschlichen Stimmen zuzuordnen sind. Daher entwickelte der Komponist Donald Craig für Kangs Videoarbeit einen Sound, der die geisterhaft wirkende Atmosphäre des Videos zusätzlich unterstreicht.

Bei Notburga Karls Arbeit »para_ meters 2, 4« scheinen wir auf eine virtuelle Bildkonstruktion zu treffen, doch bei genauer Betrachtung entpuppt diese sich als dokumentarische Raumnotiz, da die Kamera nur flüchtig an Neonröhren vorbeistreift, die in einem schwarz lackierten, spiegelnden Raum aufgehängt sind. Diese Elemente sind genauso Bestandteil der Installation wie die Musik von Parkdeck, die sich - ähnlich dem Licht in den hohlen, gläsernen Neonröhren – aufbaut und im Raum verdichtet, ihn bis in den kleinsten Winkel erfüllt. Der Klang der Musik steht damit genauso vibrierend und spannungsgeladen im Raum wie das Licht der Neonröhren. Interessant ist bei Notburga Karls Arbeit besonders die Integration in den Ausstellungsort des ZKMax: der visuell und akustisch konstruierte Raum auf der Leinwand bildet einen kontemplativen Resonanzkörper zum zugigen Präsentationsraum.

Kim Hwayongs Videoarbeit »But the same time« wird auf zwei Stapelmonitoren auf der kurzen, rechten Querseite der Vitrine des ZKMax gezeigt. Zu sehen ist eine Kamerafahrt durch eine unbenannte koreanische Stadt. Parallel zur vorbei fliegenden Stadt hört der Ausstellungsbesucher das Gespräch zweier Koreanerinnen. Dann wird die monotone Kamerafahrt abrupt unterbrochen und die Zweierkonstellation des Gesprächs zwischengeblendet. Hwayong beschreibt damit scheinbar alltägliche Gesprächssituationen unter koreanischen Frauen. Wenn jedoch ein Gespräch plötzlich ins Stocken gerät, offenbart sich das Unaussprechliche, vielleicht auch etwas banal Peinliches und die Gegensätze gewinnen Gestalt. Paradigmatisch dafür sind die unterschiedlichen Lebensentwürfe: freizügiger Vamp begegnet verschlossenem Unschuldsengel oder modisch gestyltes Popsternchen trifft auf den Typ der »flower-power-Weltverbesserin«. Es sind diese unterschiedlichen Wertvorstellungen, die bisweilen eine Kommunikation unmöglich machen und ins Leere laufen. Dennoch teilen die Menschen einen gemeinsamen Raum, eine gemeinsame Zeit und eine gemeinsame Geschichte. In diesem Sinne integriert sich die Künstlerin mit ihrem Projekt wunderbar in das Ausstellungskonzept »harmony of clash«.

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Die in Paris lebende Künstlerin Carmen Rubertus überlagert in ihrer 2008 entstandenen Arbeit »Flower« die Entstehungsgeschichte einer Handstickerei mit der Entwicklung einer Blume.

Sie selbst erfasst diesen Entwicklungsprozess sehr pointiert, wenn sie sagt: »Abbild und Wirklichkeit verschränken sich, ebenso wie Vorstellungen von Kunst, wenn wir den Prozess verfolgen wie zwei Hände ein Foto besticken.«

Fay Shins Projekt »Mural Animation« untersucht Bilder der Stadt, die mittels Zeichnungen auf schlichten Häuserfassaden in einem eher schlecht entwickelten Stadtteil zum Ausdruck gebracht wurden. Die Kohlezeichnungen auf den Wänden wurden animiert und mit dem vor Ort aufgenommen Soundteppich hinterlegt. Wir sehen bröckelndes Mauerwerk, nehmen Tonspuren wahr und werden dabei zu Zeichnungen geführt, die Geschichten und Begebenheiten transportieren und uns damit das alltägliche Leben in einem koreanischen Wohnviertel näher bringen. Mit dieser Arbeit begab sich der Künstler auf eine Spurensuche, die einen sicherlich wichtigen Mosaikstein im Gesamtgefüge des kulturellen Austausches darstellt.

Mit der Ausstellung »harmony of clash« beeindruckt das ZKMax in München den Ausstellungsbesucher mit vielseitigen jungen KünstlerInnen und überzeugt durch eine hervorragende Werkpräsentation sowie eindringliche Arbeiten, die dem Besucher nicht nur die Augen, sondern auch die Ohren öffnen. Gegensätze der Kulturen werden aufgezeigt und dem Betrachter bewusst gemacht, so dass schließlich der Blick aus dem heimischen Fenster in eine unbekannte Welt zur Horizonterweiterung führt. Je häufiger die Augen dann zwischen dem Vertrauten und dem kulturellen Neuland changieren, desto mehr verschwimmen die Kontraste und es kommt zu einer Harmonie der kulturellen Gegensätze. Fazit: Ein gelungener Griff in die Schatzkiste junger Gegenwartskunst, die Lust auf mehr macht!

Die Finissage findet am 13. September 2008 ab 19.30 Uhr statt.

 

Weitere Informationen

 

showroom
Passage Maximilianstrasse/Altstadtring
(24 h einsehbar)

 

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