Meldungen zum Kunstgeschehen

Hector Kunstpreis und Hector Förderpreis 2009 – Die Preisträger und Kandidaten. Kunsthalle Mannheim, bis 28.2.2010

Der 1966 im schwäbischen Esslingen geborene Tobias Rehberger ist der Star am internationalen Künstlerhimmel – zumindest seit der Auszeichnung mit dem Goldenen Löwen während der Biennale in Venedig. Doch auch der auf dem Fuße folgende, hochdotierte Hector Kunstpreis hat dazu beigetragen, dass der Städel-Professor zu den bekanntesten lebenden Künstlern aufgestiegen ist. Für PKG hat unser Autor Günter Baumann die Ausstellung besucht.

Dabei ist seine Kunst alles andere als spektakulär, weil sein Kunstbegriff sehr weit gefasst ist, sprich im Alltag seinen Grund hat: So muss man sich als Betrachter seiner Kunst erst einmal damit begnügen, dass ein schlichtes Möbelstück schon Kunst ist. Wenn etwa manche ein Objekt »Stuhl« nennen, sobald sie sich darauf setzen können, so ist das für Rehberger nicht relevant – seine Vorstellung von »Stuhl« ist die Skulptur, also Kunst; dass man sich auch noch darauf setzen kann, tut dem keinen Abbruch. Eine Grenze zum Design zu ziehen, dafür sieht er keine Notwendigkeit. »Gedanken«, so gab er in einem Interview preis, »will ich eigentlich gar nicht anregen. Denken muss jeder selbst«. Und wenn der Betrachter sich keinen Reim darauf machen kann, sieht sich der Künstler keineswegs im Erklärungsnotstand. What You see, is what you get - und andersherum. Als Paradebeispiel gilt etwa die Rehbergersche Cafeteria in Venedig – freilich ist das Kunst, auch wenn die Cafeteria eben das ist, was sie ist. »Ich bin kein großer Freund von der Idee«, so Rehberger, »dass Kunst etwas ist, vor das man sich hinstellt, um dann draufzustarren, wie ein Kaninchen vor der Schlange. Ich glaube, dass Kunst am schönsten und stärksten erfahrbar ist, wenn man sich damit umgibt.«

Die Kunsthalle Mannheim umgibt sich nun mit einer geballten, alltagstauglichen und doch auch kunstvoll leuchtenden Ladung Kunst des einstigen Kippenberger-Schülers Rehberger, der sein eigenes Werk wiederaufbereitet hat: Zu sehen ist die Reinszenierung seiner »Fragments of their pleasant spaces (in my fashionable version)« von 1996, 1999 und 2009. Im Kontext ist diese Installation natürlich alles andere als Konfektionsware - dafür gibt es zu viel Plexiglas, das auch mal nur Zigaretten umhüllt, es gibt zu viel Farbe, Lack und Politur, die jedem Möbelstück - gar im musealen Ambiente - automatisch »höhere« Weihen geben. Der Superlativ steht hier selbstredend nicht als kritischer Vorbehalt, sondern als Abgrenzung dessen, was Rehberger als Einheit begreift. Auf wunderbare Weise bringt er damit Plastik, Inneneinrichtung und Architektur in ein Spannungsverhältnis, das den ästhetischen Diskurs befördert und Gattungsdebatten für nebensächlich erklärt. Öffentlich kam diese umfassende Installation in dieser Form noch nicht zustande, umso beachtenswerter ist es, mit ihr den verdienten internationalen Stellung Rehbergers zu sichern - und es ist redlich obendrein, dass Mannheim damit seinen eigenen Ruf als führende Galerie der zeitgenössischen und klassisch-modernen Plastik ausbaut. Das Medieninteresse an Rehberger hat übrigens dazu geführt, dass der - in seiner Neuorientierung zur Skulptur hin - noch fast taufrische Hector Kunstpreis eine Präsenz hat, als sei er ein seit langem eingeführtes Kunstevent.

Davon profitieren freilich auch die jüngeren Kollegen, die die Hector Förderpreise erhalten haben. Sie gingen 2009 an den 32jährigen Benjamin Appel, der mit Holz, Erde und Beton Objekte schafft, die so luftig und bodenschwer im Raum Präsenz zeigen, wie es der Titel ahnen lässt: »Wie der Vogel in seinem Nest«, sowie - als zusätzlicher Kandidatenpreis für eine Gruppenausstellung - an Mustafa Kunt mit Özlem Günyol, Sandra Kuhne, Regine Müller-Waldeck, Martin Pfeifle und Martin Wöhrl, die im oberen Geschoss ihre Arbeiten zeigen. Die Wahl erweist sich insgesamt als einheitlicher Guss. So gibt Rehberger als eine Art Primus inter pares die Richtung der (sozial und ästhetisch) erweiterten Plastik vor, der die Arbeiten der jüngeren Kolleg(inn)en - insbesondere die hochsensiblen, fast poetischen Arte-Povere-Reminiszenzen Appels - hoffnungsfroh folgen. Dass das Künstlerduo Günyol/Kunt mit seiner akustischen Plastik, wie man die aus unzähligen Lautsprechern tönenden und wieder ineinander fließenden  Hymnenverschlingungen nennen könnte, sogar noch darüber hinausgeht, zeigt, wie vital und vielseitig die raumplastischen Positionen gegenwärtig sind.

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