Ausstellungsbesprechungen

Heinrich Reinhold. Der Landschaft auf der Spur, Hamburger Kunsthalle, bis 10. März 2019

Bis in den März hinein präsentiert die Hamburger Kunsthalle mit 120 Werken - von Skizzen auf Papier über Ölskizzen bis hin zum ausgeführten Gemälde - den großartigen Landschaftsmaler Heinrich Reinhold. Stefan Diebitz hat den Zug nach Hamburg genommen.

Heinrich Reinhold (1788 – 1825), der viel zu früh und viel zu jung verstorbene Landschaftsmaler aus Gera, wird in diesem Winter in Hamburg vorgestellt. Das frühe 19. Jahrhundert gehört ja seit ihrer Gründung zu den Schwerpunkten der Kunsthalle, und dazu wird mit dieser Ausstellung die Reihe der Präsentationen von Landschaftsmalern aus den vergangenen Jahren fortgesetzt. Dank eines umfangreichen Eigenbestandes kann, zusammen mit vielen Leihgaben aus Weimar, jetzt das Werk des zwar von Fachleuten stets geschätzten, aber doch niemals wirklich populären Malers in seiner ganzen Breite vorgestellt werden.

Die Entwicklung des Künstlers Reinhold lässt sich leicht an seiner Biografie ablesen. Sprössling einer Künstlerfamilie, besuchte er zunächst die Akademien in Dresden und in Wien, bis er 1809 die Chance erhielt, nach Paris zu gehen, wo er als Kupferstecher für Vivant Denon arbeitete. Es ging um die propagandistische Darstellung verschiedener napoleonischer Feldzüge („Campagnes de Napoléon“), weshalb nach dem Sturz des Imperators Reinholds Pariser Aufenthalt schon bald wieder beendet war. Aber ohnehin scheint es ihm dort nicht besonders gut gefallen zu haben, besonders, weil er zu weit von der freien Natur entfernt war.

Folgenlos aber war diese Zeit nicht, wie Hermann Mildenberger im Katalog zur Ausstellung zeigen kann. Zwar wurden die Druckstöcke schon bald vernichtet bzw. anderweitig genutzt, und außerdem waren die Auflagen nicht sehr hoch, sodass von vielen Blättern nichts überliefert wurde, und darüber hinaus war das Sujet nicht so ganz seine Sache, aber Reinhold gewöhnte sich aufgrund dieser Arbeit eine sehr saubere, ja filigrane Zeichentechnik an, die man in Hamburg auf den zahlreich ausgestellten Skizzen studieren kann. Mit größter Akkuratesse und mit einem sehr spitzen Bleistift näherte sich dieser Maler seinen Motiven – das ist ein auffallender Kontrast zu seinen Gemälden, in denen er doch eher Stimmungen einzufangen versuchte. Aber auch da zeigte er immer wieder – zum Beispiel im Blattwerk von Bäumen – seinen Hang zur Präzision.

1814 war es also schon wieder vorbei in Paris. Über die Schweiz, wo er das erste Mal Berge zu zeichnen und malen begann, ging es zurück nach Wien, wo er sich jetzt entschieden dem Landschaftsbild zuwandte. 1817 und 1818 folgten von Wien aus Wanderungen, und besonders die von 1818 ist gut dokumentiert, denn er unternahm sie mit drei Kollegen und malte dort unter anderem den Watzmann aus verschiedenen Perspektiven, die Umgebung von Salzburg oder die Heiligenblutkapelle in Kärnten. Bei etlichen Gemälden gibt die Ausstellung auch die Gelegenheit, sie mit ihren sorgfältig gezeichneten Vorstudien zu vergleichen.

Besonders interessant ist es, die dunkle Zeichnung der Heiligenblutkapelle auf blauem Papier mit dem späteren Gemälde zu vergleichen. Mancher wird wohl der Zeichnung trotz der Schönheit des Ölbildes den Vorzug geben, vielleicht, weil sie eine mitternächtliche Atmosphäre vermittelt, vielleicht auch, weil der nur so obenhin skizzierte Vordergrund ganz leer ist, anders als das Gemälde, auf dem sich eine Staffage tummelt, die den heutigen Betrachter kaum anspricht.

Markus Bertsch, der diesen Teil des Reinholdschen Werks im Katalog behandelt, nennt die Reise „für seine künstlerische Entwicklung essenziell“. Für den Besucher der Ausstellung ist sie aus zwei Gründen interessant; zunächst, weil die ernsthafte und seriöse Arbeit der vier Künstler durch sie selbst dokumentiert wurde, zum anderen, weil sie oft vor denselben Motiven saßen, sodass der Individualstil deutlich hervortritt. Zu Reinhards Reisegenossen zählten Johann Adam Klein, Johann Christoph Erhard und Ernst Welker; dazu kam sein Bruder Friedrich Philipp.

Sympathisch ist die Nüchternheit der Bilder Reinhards, auch ihre Bescheidenheit. Riesenformate sucht man vergeblich, ja, nicht einmal wirklich groß sind seine Gemälde, und dazu vermeiden sie Idealisierungen ebenso wie dramatische Übersteigerungen. Vielleicht wurde der Maler deshalb niemals wirklich populär? Auch finden sich keine ausgemacht romantischen Motive – Mondschein! Ruinen! – wie bei Friedrich oder Dahl. Aber gekonnt umgesetzt ist auf vielen Bildern die Lichtführung. Fein beobachtet sind die Wolkenschleier und subtilen Schattierungen, und nicht selten wölbt sich auch ein blauer Himmel über einer schönen Landschaft. Das gilt natürlich besonders für seine italienischen Gemälde.

Von 1819 an bis zu seinem frühen Tod lebte Reinhold in Rom, wo er sich ganz dem Landschaftsbild verschrieb. In der Umgebung Roms, aber auch am Golf von Neapel oder im pittoresken Bergdorf Olevano entdeckte er zahlreiche Motive, die er teils auf Zeichnungen, teils auf ganz wunderbaren Ölskizzen festhielt. Viele dieser Bilder sind gänzlich menschenleer – nicht einmal auf den Abbildungen des Dorfes Olevano findet sich Staffage. Nur im Kreuzgang des Klosters S. Giovanni in Laterano wandelt ein Mönch.

„Haben Sie auch Paysagen?“, fragt der dumme Erbprinz in Ludwig Tiecks genialer Vogelscheuche von 1834, als man ihn durch eine besonders erbärmliche Kunstausstellung führt, und erläutert dann auf Nachfrage, warum ihm „Paysagen“ so gut gefallen: „Alles, antwortete die Durchlaucht, zu gelehrte Gemälde, bei Paysagen braucht man nichts zu denken. Bin gern mit dem Herzen bei der Kunst.“ Er hätte das mit Blick auf die Bilder Reinholds sagen können, denn man braucht sich nicht in der Mythologie auszukennen, um sie zu verstehen, sondern es sind wohl eher Bilder für das Sentiment (in der Sprache der Zeit). Eine Ausnahme bilden allein die zweieinhalb Gemälde mit religiöser Staffage ganz an ihrem Ende; das dritte ist nicht vollendet, ausgerechnet die Heilige Familie muss sich auf ihrer Flucht mit einer Umrisszeichnung zufriedengeben.

Der Katalog enthält außer den angesprochenen Essays von Hermann Mildenberger und Markus Bertsch einige Beiträge zur Biografie des Künstlers: Andreas Stolzenburg behandelt das Leben des offenbar sehr sozialen Reinhold in der deutschen Kolonie in Rom, Svenja Gerndt seine Faszination von den Felshäusern Olevanos, Nadine Brüggebors seine Sehnsucht nach dem Meer, Peter Prange die Zeichnungen auf Transparentpapier und Werner Busch die Rolle der Ölstudie im Werk des Malers.

Katalog zur Ausstellung

Markus Bertsch, Andreas Stolzenburg (Hg.)
Heinrich Reinhold. Der Landschaft auf der Spur
Hirmer 2018, ISBN: 978-3-7774-3213-7, Ladenpreis 49,90 €

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