Ausstellungsbesprechungen

Heinrich Zille – Kinder der Straße

Kaum ein Künstler ist so auf eine Stadt, auf Berlin, festgelegt wie Heinrich Zille, der vor 150 Jahren geboren wurde – in Radeburg bei Dresden: In einer wenig rühmlichen Umzugsserie geriet die Arbeiterfamilie mit dem kleinen Heinrich über Dresden und Potschappel nach Berlin: der Vater auf der Flucht vor Gläubigern, verschuldet.

So sah der Nährboden des künftigen Zeichners aus, der es bis zum verehrten »Meister«, auch »Papa Zille« oder »Pinsel-Heinrich« brachte, der nebenbei den kaiserlichen Schimpfnamen zum Ehrentitel umdeutete: Rinnsteinkünstler (ärger schmerzte sicher die Verunglimpfung als »Abort- und Schwangerschaftszeichner«). Die Ausstellung über die »Kinder der Straße« nahm denn auch ihren Anfang in Berlin, um über Altenburg – wieder – in die Provinz zu gelangen. In Villingen-Schwenningen steht nun für kurze Zeit der zeichnende »Sozial-Arbeiter« im Zentrum. Und mit ihm scheint immer auch ein Stück Berlin mitzureisen. Dass es das Berlin der Verlierer war, tut heute keinen Abbruch mehr: Die Feder des genialen Künstlers hat die Gestrandeten als Helden der Gosse in eine bessere Zukunft gerettet.

In Villingen-Schwenningen sind über 60 Zeichnungen, Grafiken und nicht zuletzt Fotografien Zilles zu sehen, die neben dem politischen Engagement auch die beachtliche Karriere widerspiegelt – 1928, ein Jahr vor seinen Tod, war der Künstler ein bekannter, ein gefeierter Mann. Allerdings geriet sein Ruhm zum Berliner Phänomen und international dominierte etwas der populäre Touch, weniger der engagierte Kreativkämpfer.

Insofern ist es schon eine kleine Sensation, wenn jetzt fernab der Hauptstadt Arbeiten gezeigt werden, die zum Teil noch nie an die Öffentlichkeit traten. Den Humoristen darf man zwar nicht außer Acht lassen, aber erst mit dem sozialen Hintergrund gewinnt diese Schau ihre scharfen Konturen. Begleitend findet eine Ausstellung der »Off Road Kids Stiftung« unter dem Titel »Kennen wir uns?« statt, in der deutsche Straßenkinder mit eigenen Fotos auf ihre Situation am Rand der Gesellschaft aufmerksam machen; mit den Einnahmen aus den Aktivitäten rund um die Zille-Ausstellung wird die Stiftung unterstützt.

 

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Öffnungszeiten
Dienstag bis Sonntag 10-17 Uhr
Montag geschlossen
 

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