Buchrezensionen

Heinz Georg Held: Die Leichtigkeit der Pinsel und Federn. Italienische Kunstgespräche der Renaissance, Wagenbach 2016

Über Kunst reden, das tun nicht nur wir heute im Museum, das taten auch schon die großen Meister der Kunstgeschichte und ihre Zeitgenossen. So befruchteten sich Künstler und Kunstliebhaber sowie Mäzene gegenseitig. Das Kunstgespräch war fast schon eine eigene Kunst. In seinem Buch versammelt Heinz Georg Held zahlreiche solcher Dialoge und lässt zugleich die Kultur der Renaissance lebendig werden. Andreas Maurer hat er damit überzeugt.

Wer heute das Wort »Kunstgespräch« liest, denkt in erster Linie vielleicht an das »Literarische Quartett« oder die zahlreichen »Kunst–Talkshows« die sich im Fernsehen für einige Jahre hoher Beliebtheit erfreuten. Dabei war es schon Leon Battista Alberti, der seine künstlerischen Zeitgenossen dazu ermutigte das Gespräch zu suchen, nicht nur unter ihresgleichen, sondern auch mit ihrem Publikum. Denn so wie die Kunstwerke der Renaissance den Dialog mit den Betrachtern anstrebten, war es angebracht, ja gehörte (damals wie heute) in gewissen Kreisen zum guten Ton, sich auch abseits der präsentierten Gemälde, Fresken, Skulpturen und Bauwerke über deren Wirkung oder sogar Bedeutung zu unterhalten. Entstanden ist so eine regelrechte Kunst des Kunstgespräches, welches durch den offenen Meinungsaustausch der unterschiedlichen Positionen dabei helfen sollte, die Fertigkeiten der Künstler sowie das Kunstverständnis der jeweiligen Betrachter zu erweitern. Dass aber nicht nur die Meister der Renaissance, sondern auch zeitgenössische Autoren diese Gesprächsform noch immer beherrschen, beweist, der an der Universität in Pavia/Italien lehrende Heinz Georg Held in seinem neuen Buch »Die Leichtigkeit der Pinsel und Federn«.

Zwar wurden bereits unzählige Publikationen über die Renaissance verfasst und ebenso viele Interpretationsversuche und –modelle für die daraus entstandenen Kunstwerke gefunden, Helds Buch wagt sich hier aber dennoch auf unbekanntes Terrain. Gegliedert in zwei Teile eröffnet der Autor sein Buch über die Epoche mit einer langen, dafür aber sehr flüssig und spannend geschriebenen Einleitung, welche bereits die Herangehensweise der folgenden Kapitel vorbereitet. Denn Held präsentiert darin keine neuen Einblicke in Bezug auf die Renaissance oder betreibt Erziehungsarbeit mittels eigener neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse – vielmehr gelingt es ihm, seine Leser mit einfachen Worten den Geist dieser Zeit atmen zu lassen, und dadurch eine historische Periode zu porträtieren, in welcher die kritische Hinterfragung der Welt und natürlich der Kunst erlaubt und sogar gefördert wurde.

So erscheint es auch logisch, dass laut Held die Renaissance bzw. deren Beginn nicht der genialen Idee einer einzelnen Künstlerpersönlichkeit wie etwa Giotto zu verdanken ist, sondern vielmehr sei die geistige Neuorientierung aus einer künstlerischen Vielfalt hervorgegangen. Einen entscheidenden Anteil soll dabei auch die Wiederentdeckung antiken Schrifttums gehabt haben, in dem bereits der Dialog über Kunst gepflegt wurde. Damit erklärt sich auch, dass Held sein Buch zu gleichen Teilen den »Pinseln«, den Kunstwerken der Renaissance, wie auch den »Federn«, den Gesprächen darüber, widmet.

Denn nicht nur waren es die Gemälde, welche die Betrachter zu einem Gespräch herausforderten, sondern auch die Kunstliebhaber, die wiederum versuchten mit ihren Worten die Maler zu inspirieren. Als Produkt daraus entstanden Gemälde und Darstellungen, welche über ihre reine optische Präsenz hinaus Erläuterungen und Interpretationen benötigen, war es den Künstlern doch erstmals in der Geschichte erlaubt bzw. strebten sie danach traditionelle Themen in neuem Gewand darzustellen.

Nach Helds ausführlicher und spannender Einleitung dürfen im zweiten Teil der Publikation, ganz im Sinne des Kunstgespräches, die Meister der Renaissance selbst zu Wort kommen. Gegliedert in 21 Kapitel führt der versierte Autor die Leserin/den Leser in die Welt der Kunstgespräche ein, beginnend etwa mit einem Dialog zwischen Vergil und Dante aus der »Göttlichen Komödie«. Langsam und vorsichtig tastet sich Held durch die verschiedenen Möglichkeiten einer Diskussion über Kunst, welche von Künstlern, Mäzenen wie auch dem Publikum angeregt wurde, bis schließlich, etwa Mitte des 16. Jahrhunderts, akademische und kirchliche Autoritäten dem freien Umgang mit der Art der Darstellung wie auch deren Betrachtung einen Riegel vorschoben und ihre dogmatische Mauern darum hochzogen.

Held hat für sein Buch das »Who is Who« der Renaissance versammelt, was man einem Autor sicher nicht zum Vorwurf machen kann, wenn er den Versuch unternimmt, eine tote Kunstform oder einen Ast am Baum der Renaissance auch für das breite Publikum neu erblühen zu lassen.

Neben Dante und Vergil dürfen so etwa Persönlichkeiten wie Petrarca, Leonardo da Vinci, Baldassare Castiglione, Francisco de Hollanda, Lodovico Dolce, Annibale Caro, Giorgio Vasari und viele andere zu Wort kommen, auch wenn es sich bei den 21 Essays nicht immer nur um Texte in Gesprächsform handelt. Die Leser werden von Held aber mit den vielsagenden Textstellen nicht sich selbst überlassen. Vielmehr mischt sich der Autor ganz im Sinne des Kunstgespräches ein, weist auf Besonderheiten hin, hinterfragt und unterstützt die von ihm ausgesuchten und selbst übersetzten Zitate in einer Art und Weise, dass auch für jene Leser, welche in der Renaissance vielleicht weniger bewandert sind, ein spannender Ausflug garantiert ist.

Die Inhalte der abwechslungsreichen Kapitel werden im Verlauf des Buches immer dichter gewoben, sodass sich der rote Faden Helds, welcher sich von ersten Versuchen Kunst zu beschreiben über Unterhaltungen bis zu einer ersten Form der Kunstkritik durchzieht, zu erkennen gibt. Eine der spannendsten und amüsantesten Dialogstellen stellt dabei sicher jener Briefwechsel zwischen der Mäzenin Isabella d’Este und ihrem Kunstagenten in Venedig, der bei dem Starmaler Giovanni Bellini ein Gemälde bestellen soll, dar. Der vermeintliche Auftrag zieht sich jedoch in die Länge, es wird über Geld, Größe des Werkes und die Art und Weise der Darstellung diskutiert, und so viel sei verraten: schließlich gibt es doch eine Art Happy End. Nichtsdestotrotz erinnert der Briefwechsel an Emailkorrespondenzen, welche man heutzutage vielleicht mit Handwerkern führt, und lässt Helds Leser schon alleine deswegen schmunzeln.

Dem Titel seines Buches folgt auch der Autor selbst, wählte er doch die Leichtigkeit einer Sprache, welche die Leserin/den Leser nicht auf die wissenschaftliche Schulbank verweist und den Verfasser der Publikation als allwissendes Medium an die Tafel stellt. Vielmehr knüpft Held mit einfachen Worten die komplexen Geschehnisse zu einem bunten, gut lesbaren Teppich zusammen, der auch für jene, welche ihren Alltag vielleicht nicht mit der Erforschung dieser Materie verbringen, zu einem spannenden Leseerlebnis wird. Erwähnenswert sind zudem auf alle Fälle die biografischen Notizen zu den Protagonisten am Ende des Buches. Einmal mehr zeigt Held die Lebensstationen der auf den Seiten handelnden Personen nicht durch langweilig aneinander gereihte Jahreszahlen auf, sondern lässt mittels schlüssiger, einfach gestrickter Kurzessays, greifbare, ansprechbare Individuen entstehen.

Textnachweise und eine ausführliche Bibliografie runden das Buch ab. Anmerkungen sowie Fußnoten gibt es aber leider nur im Einleitungsessay, wären aber auch in den einzelnen Gesprächskapiteln wünschenswert gewesen. Jedoch ist ein sogenanntes »Kunstgespräch« oder ein Buch darüber, damals wie heute, kein Garant für wissenschaftliche Erkenntnisse oder gar Wahrheiten. Das weiß auch Held, der in den einzelnen Kapiteln nicht kunsthistorische Weisheiten auflistet, sondern Thesen und Ansichten stets ergänzend und augenzwinkernd durchleuchtet und so seine Leser nicht erziehen, sondern sie, ganz im Geiste der Renaissance, zur Diskussion, zum Kunstgespräch einladen will.

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