Ausstellungsbesprechungen

Henri Cartier-Bresson, Photographien und Zeichnungen

„[…] nämlich einen so rasch wie möglich fließenden Monolog, der dem kritischen Verstand des Subjekts in keiner Weise unterliegt, der sich infolgedessen keinerlei Zurückhaltung auferlegt und der so weit wie nur möglich gesprochener Gedanke wäre.“

Dieses Zitat aus dem ersten surrealistischen Manifest Andre Bretons scheint zu umschreiben, was Henri Cartier-Bresson mit der Aussage „Fotografie ist wie Bogenschießen: richtig zielen, schnell schießen und abhauen.“ zum Ausdruck bringen wollte.

 

Das Faszinosum des von ihm propagierten „moment décisif“ bestimmt den Tenor seiner fotographischen Werke, von denen 150, von ihm selbst in seinen letzten Jahren als kleine Retrospektive zusammengestellt, mit einer Auswahl seiner Portrait-, Akt– und Landschaftszeichnungen in der Ausstellung zu sehen sind.

 

Auf den drei Ebenen des Schlosses wird jede Freifläche genutzt, um in einer Folge von Photographien, einer Nebeneinanderstellung von Photographien und Zeichnungen und der Präsentation zweier dokumentarischer Filme über die Person Cartier-Bresson die kleine Retrospektive zu gestalten. Eine übersichtliche Dokumentation seiner Reportagetätigkeit bilden die ausgestellten Magazine (Life, Stern, New York Times Magazine etc.), in denen Cartier-Bresson veröffentlicht hat. Neben den fotografischen und zeichnerischen Arbeiten an den Wänden sieht man immer wieder Tafeln mit Zitaten von Cartier-Bresson selbst oder seinen Wegbegleitern wie Teriade, Arthur Miller und anderen. Sie führen den Betrachter inhaltlich in den jeweiligen Ausstellungsabschnitt ein: Reportagen, Portraits, Zeichnungen etc.

 

Die Zeichnungen erscheinen gegenüber den Fotografien unausgegoren, flüchtig und mit einem zu angestrengten Blick auf das Abgebildete. Dennoch sind sie in der Unauffälligkeit ihrer künstlerischen Prägnanz harmonisch eingebettet zwischen die übrigen Arbeiten. Allein durch einen helleren Holzrahmen werden sie in ihrer äußeren Behandlung von den Fotographien distinguiert und verhalten sich im Übrigen dezent im Hintergrund.

 

Die fotographischen Arbeiten zeigen Momentaufnahmen von alltäglichen sowie politisch bedeutenden Szenerien. Unterwegs als Fotoreporter war HCB - wie er auch genannt wird - vor Ort bei der Einäscherung Gandhis, bei der Befreiung des Konzentrationslagers in Dessau, in Berlin kurz nach dem Bau der Mauer und in China während der letzten Jahre der Kuomintang – Regierung. Gleichzeitig ist er mit seiner Leica dabei, wenn ein Mittelloser sich zwischen den Hochhäusern Manhattans auf einem Bordstein sitzend mit einer vor ihm hockenden Katze austauscht (Manhattan, New York 1947), ein kleines Mädchen im Hinterhof einer römischen Wohnsiedlung hüpfend das vom Sonnenlicht angestrahlte Rechteck auf dem Kopfsteinpflaster betritt (Rom 1959) oder wenn Pablo Picasso mit nacktem Oberkörper in Gigolopose das zerwühlte Bett neben sich lässt (Pablo Picasso, Paris 1944).

 

Cartier-Bresson gelingt das Einfangen eines Augenblicks, der einer von vielen sein kann, aber durch das Festhalten auf Papier ein aus der Reihe von Augenblicken enthobener ist. Es sind Augenblicke, die eine entscheidende Situation behandeln, aber erst durch das Erkennen eines solchen durch den Beobachter Cartier-Bresson für die Öffentlichkeit sichtbar werden.

 

Ihm gelang es als ausgebildeter Zeichner durch präzise Konstruktion von Räumlichkeit, Perspektive und Anordnung der im Bild zu sehenden Elemente ein in sich harmonisches Werk zu schaffen, das jedem seiner ausgestellten Fotographien zu Eigen ist. Der Fokus in den Bildern bleibt eindeutig und nicht hinterfragt vom Rezipienten, wirkt dabei aber niemals erdrückend in seiner Dominanz. Vielmehr erlaubt er dem Blick des Betrachters sich zu zerstreuen, jedes Detail in den Fotographien aufzunehmen, um schließlich zum inneren Kern des Bildes zurückzukehren.

 

Die kleine Retrospektive mit Fotographien und Zeichnungen Cartier-Bressons in der Ludwiggalerie Oberhausen ist eine überschaubare und kompakte Ausstellung, die der klassischen Zeichenkunst Cartier-Bressons keinen – zu Recht - allzu großen Raum lässt. Die Ausstellungsräume bilden den passenden Rahmen für eine Ausstellung dieser Größe und in den Dachgeschoßräumen kann man als Besucher kontemplativ den Filmen lauschen, die als einzige Quelle der Aufmerksamkeit auf die weißen Wände projiziert werden.

 

Eine Anekdote aus einem der Dokumentarfilme steht exemplarisch für das malerische Werk Cartier-Bressons. Sie erzählt davon, dass HCB Matisse eine Temperaarbeit von sich gezeigt hat. Woraufhin jener eine Streichholzschachtel auf dem Bild platzierte, mit einem Finger darauf zeigte und verlauten ließ: „Diese Streichholzschachtel stört mich weniger als ihre Arbeit.“

 

 

 

Öffnungszeiten
dienstags bis sonntags 11-18 Uhr
montags geschlossen

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