Ausstellungsbesprechungen

Hermann Hesse »…aber das Malen ist wunderschön!«, Kunsthaus Apolda Avantgarde, bis 2. Juli 2017

Ganz im Zeichen des Gartens steht in diesem Sommer das Kunsthaus Apolda Avantgarde. Mit der Landesgartenschau ergeben sich hier Synergien, wenn man im Juli Hannah Höchs Verhältnis zum idyllischen Grün thematisiert, aber auch jetzt schon – mit Hermann Hesses Bildern. Der Literaturnobelpreisträger hinterließ ein Konvolut von etwa 3000 Aquarellen, von denen nun eine Auswahl zu sehen ist. Stefanie Handke war vor Ort.

 Dem ein oder anderen sind sie vermutlich schon begegnet, die Aquarelle des Literaturnobelpreisträgers, zieren sie doch gelegentlich Cover und Seiten von Gedichtbänden. Doch gemeinhin steht sein literarisches Schaffen im Mittelpunkt. Völlig zu Unrecht, wie die Ausstellung beweist, denn allein die große Menge an Bildern, die Hesse schuf, beweist, dass das Malen in seinem Leben eine große Rolle spielte. Gleichwohl kam er erst recht spät zum Malen: 1916 begann er eine Psychotherapie, für die er sogenannte Traumbilder anfertigte. Schnell faszinierte ihn die Malerei und 1916/17 malte er nahezu täglich ein Aquarell und entwickelte eine große Faszination für die Kunst, die nicht nur eine Nebenbeschäftigung sein sollte – neben dem Schreiben und der Arbeit im eigenen Garten brachte er viele Stunden des Tages mit Malen zu.

Dabei folgte den fiktiven Traumbildern schnell eine Beschäftigung mit der Landschaft, die Hesse umgab und in der Tradition der Schule von Barbizon widmete er sich der Freilichtmalerei, zunächst noch akribisch naturgetreu und schuf von gedeckten Farben geprägte Landschaften. Mit seinem Umzug ins Tessin 1919 aber änderte sich seine Farbpalette; helle und leuchtende Töne dominierten die Aquarelle nun. In der Ausstellung sind Bilder nach diesem Wandel zu sehen, zeigt sie doch Werke aus den Jahren 1920 bis 1943. Sie zeigen fast ausnahmslos Tiefebenen der Hesse umgebenden Landschaft. Dabei verbindet er Natur und menschliche Schöpfung, indem er stets auch Gebäude zeigt. »Rot blühender Baum« (18. September 1922) etwa zeigt zwar auch ein leicht verfallenes Gebäude, jedoch dominiert hier eindeutig die Landschaft mit ihrer Natur – sie überwuchert regelrecht das, was von den Mauern zu sehen ist und ein weiter Himmel liegt offen da.

Was auffällt, ist eine gewisse Strenge der Bildkomposition; häufig finden sich dieselben Strukturen in zahlreichen Bildern. Geometrische Flächen prägen Hesses Bilder, überlagern sich und gehen ineinander über. Die Strukturen der Bäume, Häuser, Felder und Berge sind in der Regel klar gegeneinander abgegrenzt. Oft findet man großflächige Farbfelder, das Bild komplettieren sodann kleinere Flächen, die diese überlagern. Die unterschiedlichen Formen ergeben so ein dichtes Ganzes. Diese dichte Atmosphäre erinnert oft an einen heißen Sommernachmittag, an dem die Luft flimmert – auch dank der lichten Farben. Überhaupt spielt die Farbe in Hermann Hesses Bildern eine große Rolle; sie sind offensichtlich geprägt von der lichten Landschaft des Tessin, das mehr an Italien denn an die Schweiz erinnert. Oft sind die Farben dabei auf den Kontrast ausgerichtet und lassen die dargestellte Landschaft lebendig werden; häufig konturieren zudem Kreidelinien die einzelnen Flächen und ordnen auf diese Weise das Bild ganz anders als diejenigen Aquarelle, bei denen die Flächen ineinander übergehen oder einander überlagern. Insbesondere durch diese Überlagerung der unterschiedlichen Bildelemente entstehen zudem neue Farben, die das Gesamtbild vervollständigen.

Naturalistisch ist das auf den ersten Blick freilich nicht, eher expressionistisch. Und doch scheinen Hermann Hesses Aquarelle die Landschaften, die er darstellt, besser wiederzugeben als etwa eine Fotografie es könnte. Insbesondere scheint das besondere Licht eines Herbsttages, eines heißen Mittags oder eines Nachmittags in den Aquarellen, die in Apolda zu sehen sind, gefangen zu sein. Diese Vergänglichkeit der Natur ist es, die Hermann Hesse verstand einzufangen und die die Faszination seiner Bilder ausmacht.

Neben den Aquarellen, die Hesse schuf, zeigt die Ausstellung auch Werke, die eng in Verbindung zu seinem literarischen Werk stehen. Bereits 1919 begann er auf Anregung eines Freundes hin, illustrierte Handschriften und Typoskripte herzustellen, um diese Sammlern und Mäzenen zum Kauf anzubieten, sodass von dem Erlös Kriegsgefangene unterstützt werden konnten. In der Regel bestanden diese aus dreizehn Doppelblättern auf Büttenpapier, bestehend aus jeweils 12 Gedichten und ihnen zugeordneten Aquarellen. Auch diese weisen die für ihn typische hell leuchtende Farbigkeit auf, wiederum beeinflusst von der Landschaft, die ihn umgab. Außerdem ist in Apolda das Liebesmärchen »Piktors Verwandlungen« zu sehen. Ursprünglich 1922 für Hesses Geliebte und spätere Frau Ruth Wagner entstanden, sollte es bis 1954 nur als Handschrift zu erwerben sein. Die hier gezeigte Originalhandschrift entstand 1942 für den jüngsten Sohn Martin. Hier illustriert Hesse in fast schon kindlicher Manier die von ihm erdachte Geschichte mit fantastischen Wesen, etwa sprechenden Bäumen. Diese Illustrationen weisen eine ähnliche Gedankenwelt wie seine Landschaftsbilder auf: Hermann Hesse ging es in seinem künstlerischen Werk um die Verschmelzung von Natur und Mensch. Kein Wunder also, dass hier Piktor das Paradies betritt und erkennt, dass beide bereits vereint sind – analog zu Mann und Frau.

Doch nicht nur der Künstler Hermann Hesse wird in der apoldaer Ausstellung thematisiert; auch seinem Sohn Martin ist eine eigene Sektion gewidmet. Der arbeitete ab 1934 als freier Fotograf. Privat dokumentierte er auch das Leben seines Vaters. Seine Fotografien zeigen diesen vor allem im Garten, aber auch mit Familienmitgliedern, und ebenso die Landschaft und das Haus, das Hesse in Montagnola bewohnte. Ihre stille Intimität und Einfühlsamkeit macht deutlich, warum er analo zur literarischen Tätigkeit seines Vaters als »Poet der Kamera« bezeichnet wurde.

Hermann Hesse bezeichnete sich selbst zeitlebens als Dilettanten in Sachen Malerei. Freilich war er Autodidakt, jedoch entwickelte er seinen eigen Stil auf einem Niveau, von dem manch anderer Dilettant nur träumen kann. Seine Freundschaft zu Künstler wie Cuno Amiet und seine tiefe Bewunderung für August Macke ließ ihn zudem auch aktuelle Tendenzen in der Kunst des 20. Jahrhunderts aufgreifen, sodass seine Bilder fast schon expressionistische Anmutung haben. Dass in Apolda davon so viele gezeigt werden können, ist den Nachfahren des Schriftstellers zu verdanken; die Schau zeigt Werke aus dem Bestand des Nachlasses von Hermann Hesse, der an seinen Sohn Martin überging. Seine Frau und Enkelin hielten diesen zusammen, sodass hier eine Auswahl getroffen werden konnte, die das künstlerische Schaffen des Schriftstellers ab 1920 eindrucksvoll dokumentiert. Die Werke spiegeln die Leidenschaft Hesses für die Malerei wider und zeigen ihn zugleich als ausdrucksstarken Künstler.

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