Ausstellungsbesprechungen

Hieronymus Bosch und Pieter Brueghel d.Ä. multimedial

Gleich zwei Ausstellungen in Berlin und in Brüssel ermöglichen in diesen Tagen neue Blicke auf zwei niederländische Meister: In der deutschen Hauptstadt werden Hieronymus Boschs grotesk-fantastische Bildwelten noch bis zum 4. Juni 2017 (verlängert) lebendig. In der belgischen Kapitale widmet sich vorerst bis 2020 ein Raum der Abteilung Alte Meister im Detail den Werken Pieter Bruegels d.Ä. Susanne Braun verrät, welche Möglichkeiten sich durch diese Form der Kunstbetrachtung eröffnen.

Es gibt es endlos viele unkomplizierte Möglichkeiten, Erlebnisse multimedial festzuhalten und damit sogar eigene (Kunst-)Werke zu schaffen. Das ist nichts Neues. Viele kreative Postings in sozialen Netzwerken belegen, was sich aus Videos, Selfies und einem digitalen Bildbearbeitungs- oder Zeichenprogramm zaubern lässt. Bekannte Künstler und Kunstwerke dienen dabei häufig als Anregung. Nach nur wenigen Klicks erscheint ein Foto im Look eines expressionistischen Gemäldes und auch Menschen mit nur wenig ausgeprägten kreativen Ambitionen können im Handumdrehen den Stil bestimmter Künstler imitieren: Die App INKS etwa, die in diesem Jahr den Apple-Design-Award gewonnen hat, ermöglicht ihren Nutzern mittels eines ganz alltäglichen Flipperspiels ein wenig in die Rolle der Künstlerin Nikki de Saint-Phalle schlüpfen. Mit der Kugel des Flippers wird auf Flächen »geschossen«, in die Farben eingearbeitet sind. Die Kugel hinterlässt Spuren, je nachdem, welche Wege sie zurücklegt und wie sie die Farbflächen berührt. Das Ergebnis lässt sich natürlich auf allen gängigen Kanälen teilen. Kurz: Bezüge zu und Erfahrungen mit Kunst sind aus der digitalen Welt ganz alltäglich und nicht wegzudenken.

Nicht ganz so selbstverständlich ist die Verwendung multimedialer Mittel bei der Rezeption von Kunst. Nach der Multimedia-Installation »Van Gogh Alive« bietet Artplay Media jetzt in Berlin eine weitere Auflage des Erfolgsmodells: Anlässlich des 500. Todestages Hieronymus Boschs, des wohl nach wie vor bekanntesten niederländischen Malers, wird ein Teil seiner Gemälde als animierte Video-Projektion lebendig. Darüber hinaus ist im Musée Royaux des Beaux-Arts de Belgique in Brüssel eine Online-Ausstellung zu sehen, die Werke Pieter Brueghels d.Ä. im Detail vorstellt. Er gilt als ein direkter Nachfolger Boschs und ist einer der profiliertesten Vertreter der flämisch-niederländischen Malerei. Beide Konzepte arbeiten mit multimedialen Mitteln, sind in der Umsetzung jedoch verschieden.

»Hieronymus Bosch. Visons Alive« lässt sich als Zuschauer in mehreren Räumen, aus ganz unterschiedlichen Perspektiven stehend, laufend, auf einer Bank oder auf einem Sitzsack sitzend rezipieren. In den Räumen ist es dunkel und man ist als Zuschauer ganz gefangen von den licht- und farbgewaltigen Bildern sowie der Musik- beziehungsweise Geräuschkulisse. Im Zentrum der Videoprojektion steht Boschs wohl berühmtestes Gemälde »Der Garten der Lüste«. Die Projektion ist als eine Art Reise durch die fantastischen Welten Boschs, von der Entstehung der Welt über den Sündenfall bis in die Hölle, gestaltet. Viele Bildelemente sind extrem vergrößert und erscheinen dadurch besonders nah, die sehr lebensechte Animation mancher Bildelemente verstärkt diesen Eindruck. »Wir folgen mit den Animationen nur den Bewegungen, die Bosch selbst vorgibt. Es gibt so viel Bewegung in seinen Bildern, dass es uns ganz natürlich vorkam, sie in der Projektion tatsächlich lebendig zu machen«, erklärt Kuratorin Yasha Yavorskaya. Die Umsetzung ist sehr gut gelungen, der sehr präzise gegenständliche Malstil Boschs zeigt sich in seinem ganzen Format und bewirkt, dass etwa der Flügelschlag eines fliegenden Pferdes nie gekünstelt, sondern wirklich lebendig scheint. Mit Hilfe der Videoprojektion gelingt der Einstieg in den ungeheuer komplexen und vielschichtigen Kosmos Hieronymus Boschs deutlich leichter. Der Zuschauer wird an die Hand genommen und durch die verschiedenen thematischen Stationen des Gemäldes geführt, wodurch die vielen spannenden Details ganz besonders greifbar werden. »Für mich ist Bosch sehr aktuell. Er ist wie ein junger Künstler: Er ist wütend, er ist innovativ. Seine Motive könnten aus einem Computerspiel stammen«, zeigt sich Kuratorin Yasha Yavorskaya begeistert von Hieronymus Bosch.

Das Musée Royaux des Beaux-Arts de Belgique geht gemeinsam mit dem Google Cultural Institute einen etwas anderen Weg. In einem Raum der Abteilung Alte Meister werden ähnlich wie in der Berliner Bosch-Ausstellung Details aus den Gemälden Pieter Brueghel d.Ä. extrem vergrößert an die Wände projiziert. Die verschiedenen Bildpassagen werden hier allerdings von erklärenden Texten begleitet, die das Gemälde auf verständliche Weise zugänglich machen. So lassen sich auch Werke im Detail erfahrbar machen, die im Museum nicht ausgestellt werden können, da der Transport die empfindlichen Kunstwerke gefährden könnte.

Über die Video-Projektion hinaus gibt es im Museum Touchscreens, an denen die Besucher sich von den Experten des Museums per Fingertipp unterschiedliche Interpretationsansätze, geschichtliche Bezüge oder etwa Parallelen zu Literatur oder anderen Gemälden in Bild, Video, Audio und Text vorstellen lassen können. Diese multimedialen Projektionen lassen sich auch über die kostenlose App des Museums abrufen.

In der intensiveren Beschäftigung mit den Gemälden wird klar, warum gerade Hieronymus Bosch und Pieter Brueghel d.Ä. sich für eine innovative Beschäftigung mit Kunst anbieten. Die vorgestellten Interpretationsansätze brechen mit früher entstandenen Klischees, die Bosch etwa als »Teufelsmacher« und Brueghel als »Bauern-Brueghel« viel zu einseitig klassifizieren. Auf nachprüfbare Fakten bauend, wird in Bezug auf Hieronymus Bosch vielmehr das Bild eines aus einer Malerdynastie stammenden, in einer Lateinschule gut ausgebildeten und später in der katholischen Bruderschaft »Unserer lieben Frau« verankerten Malers nahe gelegt, der schon früh außergewöhnlich gut bezahlte Aufträge von höfischen Mäzenen aus ganz Europa erhielt. In seinen Bildern verknüpfte er auf innovative Weise die biblische Geschichte mit dem Alltagsleben der Menschen und verwendete dabei zu einer Zeit, in der viele Menschen nicht lesen konnten, eine allgemein verständliche Bildsprache. Auch in Hinblick auf Pieter Brueghel d.Ä., der offenbar zu seinem Schutz manche seiner Bilder mit der Signatur Boschs versah, entsteht vielmehr der Eindruck eines aufmerksamen Zeitzeugen, der in seinen Bildern viel hellsichtige Kritik unter der Oberfläche des scheinbar banalen Alltagslebens seiner Heimat versteckte. Nicht zuletzt angesichts der Tatsache, dass Flandern und die Niederlande in diesem Jahr Ehrengast der Frankfurter Buchmesse sind, lohnt sich die Beschäftigung mit diesen für die Gegend so prägenden Malern ganz besonders.

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