Buchrezensionen

Hiller von Gaertingen, Hans Georg (Hrsg.): Das Auge des Dritten Reiches. Hitlers Kameramann und Fotograf Walter Frentz, Deutscher Kunstverlag (München, Berlin o.J.).

Dokumentationen und Filmbeiträge zur Geschichte des »Dritten Reiches« sind unverzichtbarer Programmbestandteil nahezu aller Rundfunkanstalten und stellen immer noch sichere Quotenbringer dar.

Auch gedruckte Nachrichtenmagazine greifen gerne auf diesen Themenbereich zurück, da ein verhältnismäßig hoher Absatz durch relativ geringen Rechercheaufwand realisiert werden kann. Darüber hinaus ist zeitgenössisches Bildmaterial aus den Jahren 1933-45 in ausreichendem Maße vorhanden. Was leider meist, wenn überhaupt, nur sehr mangelhaft erfolgt, ist die kritische historische Einbettung der verwendeten Film- oder Fotodokumente in den Entstehungszusammenhang. Reflexionen über die Intentionen von Machern und Auftraggebern des verwendeten Quellenmaterials bleiben Zuschauern und Lesern in der Regel erspart. Gefährlich und paradox zugleich, denn Bildmaterial entsteht ja bekanntlich sehr selten zweckfrei, der scheinbar objektive Blick des Publikums wird immer gelenkt durch die Absichten der Person hinter dem Kameraobjektiv. Überlegungen über Beweiswert und Objektivität von Film- und Fotoaufnahmen sind so alt wie das Medium Film selbst und brauchen an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden. Spätestens seit dem nicht unumstrittenen Umgang der Macher der »Ersten Wehrmachtsausstellung« mit historischem Bildmaterial und der daraus entstandenen Diskussion, sollte klar sein, wie wichtig sorgfältige Quellenarbeit gerade im Bereich Foto und Film ist. Einen Beitrag zum richtigen Umgang mit Bildmaterial der Jahre 1933-45 liefert der Band »Das Auge des Dritten Reiches. Hitlers Kameramann und Fotograf Walter Frentz«. Namhafte Autoren analysieren in Einzelaufsätzen die Produkte des umfangreichen und durch unzählige Druck- und Filmproduktionen ausgeschlachteten Nachlasses des Kameramanns und Fotografen Walter Frentz. Ausführlich erläuterte und kommentierte Bildteile ergänzen die Aufsätze. Eine Filmografie zu Walter Frentz schließt den Band ab.

Walter Frentz gehörte bis zum Ende des »Dritten Reichs« als »Kameramann des Führers« zum unmittelbaren Umfeld Adolf Hitlers. Er war ein wichtiger Mitarbeiter Leni Riefenstahls bei den Parteitags- und Olympiafilmen, filmte und fotografiert in den Führerhauptquartieren sowie auf »Berghof« und wurde mit geheimen Spezialaufträgen, wie der Dokumentation von Rüstungsprojekten, betraut. Mit dem von Frentz in unmittelbarer Nähe Adolf Hitlers aufgenommenen Filmmaterial illustrierte die »Deutsche Wochenschau« ihre Berichte. Im Gegensatz zu den Fotografien Heinrich Hoffmanns, wurden die Fotoaufnahmen Walter Frentz’ vor 1945 nicht bzw. nur in Ausnahmefällen veröffentlicht. Zwar verkaufte Frentz sehr gewinnbringend Abzüge an Größen des Dritten Reiches, die eigentliche Vermarktung und Veröffentlichung seiner Aufnahmen setzte jedoch erst nach dem Zweiten Weltkrieg ein.

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Frentz’ Film- und Fotoaufnahmen bilden einen Großteil der heutigen visuellen Gedächtnistapete zum »Dritten Reich«, meist ohne dass Walter Frentz selbst oder sein Tun genauer beleuchtet oder hinterfragt würde. Fatal, lassen doch die Aufnahmen überwiegend das Bild einer heilen nationalsozialistischen Welt entstehen. Judenverfolgung und eigentliches Kriegsgeschehen finden in der Optik von Walter Frentz nicht statt. Hinzu kommt, dass zahlreiche Publikationen keine Zeit auf sorgfältige Datierung und Kommentierung der verwendeten Fotos verschwenden.

So erhebt der vorliegende Band in der Einleitung den Anspruch, einem »apologetischen, unkritischen oder bestenfalls naiven« Umgang mit Frentz’ Bildern »eine ernsthafte und nüchtern-distanzierte Auseinandersetzung« gegenüberzustellen.

Den Anfang macht Matthias Struch, Filmhistoriker und derzeit am Filmmuseum Potsdam tätig, mit seinem Aufsatz »Walter Frentz – der Kameramann des Führers«. Struch liefert, anders als die Überschrift vermuten lässt, einen gelungenen Abriss der gesamten Biographie Walter Frentz und nicht nur der Zeit als »Kameramann des Führers« (1939-1945). Er zeigt Brüche und Kontinuitäten auf und versucht das politische Selbstverständnis Walter Frentz’ zu ergründen. Bis zu seinem Tod im Jahr 2004 scheint Frentz weder seine Rolle im Dritten Reich noch die Verwendung seiner Fotos kritisch hinterfragt zu haben. Er empfand sich selbst mehr als Chronist, denn als Teilnehmer, seine Aufnahmen standen daher vor und nach 1945 ohne Ansehen der Person oder der Organisation, denen zur Verfügung, die dafür bezahlten.

Der Kunsthistoriker Karl Stamm analysiert in seinem Beitrag Frentz’ zu Beginn der 1930er Jahre im Auftrag der NSDAP entstandenen Film »Hände am Werk«.

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Im Mittelpunkt der Betrachtungen »Ein Meister der subjektiven Kamera - Karriere im Windschatten Leni Riefenstahls« des Filmhistorikers Jürgen Trimborn steht das Verhältnis von Walter Frentz zu Leni Riefenstahl und sein Anteil an ihren Filmen. Walter Frentz zählte von 1933-1936 zum festen Mitarbeiterstab Riefenstahls und brachte seine eigenen Erfahrungen im Filmen mit Handkamera während des Kajakfahrens vor allem bei der Arbeit an den Filmen »Triumph des Willens« und »Olympia« ein. Leider wird der Anspruch einer »nüchtern-distanzierten« Herangehensweise in diesem Beitrag etwas getrübt durch die offenkundige Sympathie des Autors für Leni Riefenstahl und die fast schon überschwängliche Begeisterung für ihr Werk.

Mit der Bedeutung der »Deutschen Wochenschauen« und des dazu von Walter Frentz gelieferten Bildmaterials setzt sich Kay Hoffmann auseinander. Hoffmann kommt zu dem Schluss, dass die Bedeutung der Wochenschau spätestens mit der Niederlage in Stalingrad 1943 stark einbrach. Paradoxerweise dient das Filmmaterial der Wochenschauen heute vielen Fernsehdokumentationen als kaum hinterfragter Hauptsteinbruch zur Illustration des Alltags im »Dritten Reich«. Das auch von Walter Frentz geschaffene beschönigende Zerrbild, die Inszenierung, wird so zur Realität stilisiert.

Überlegungen zur Verwendung von Fotografien als historische Quelle, leiten den Aufsatz des Zeithistorikers Klaus A. Lankheit ein. Davon ausgehend analysiert Lankheit die Aufnahmen von Walter Frentz aus den Führerhauptquartieren, er skizziert Orte, Abläufe, Atmosphäre sowie Entscheidungsstrukturen und überprüft ihren Niederschlag in den Fotografien. Die Fotografien Walter Frentz’ werden verglichen mit Aufnahmen anderer Fotografen und so die zentralen Merkmale Frentzscher Bildkomposition sowie ihr Wandel herausgearbeitet.

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In ihrem Aufsatz »›Künftig knipst du bunt!‹ Walter Frentz und die Farbfotografie in Deutschland vor 1945« setzt sich die Kunsthistorikerin Claudia Grohmann mit dem Beginn der Farbfotografie in Deutschland und ihrer Bedeutung in Frentz’ Werk auseinander. Sie analysiert, warum Walter Frentz 1939 zum Agfacolor-Film wechselte und in welchen Kontexten er den Farbfilm zunächst verwendete. Der nachfolgende Beitrag von Klaus Hesse untersucht, warum Walter Frentz Heinrich Himmler im August 1941 nach Minsk begleitete. Hesse versucht zu ergründen, inwieweit ein offizieller Auftrag vorlag bzw. wie plausibel die von Frentz behauptetet rein private Mitreise im Licht der erhaltenen Quellen erscheint. Besonders Frentz’ immer wieder behauptete unpolitische Haltung während des »Dritten Reiches« wird angesichts seiner Aufnahme in die SS während der Minsk-Reise und seiner Anwesenheit bei einer Massenerschießung mehr als unglaubwürdig.

Bernd Boll unternimmt mit seinem Aufsatz »Spuren eines Filmauftrags. Die Farbfotos der Zwangsarbeit im ›Mittelwerk‹ und der Raketenstart in Blizna« den Versuch, anhand erhaltener Fotografien Frentz’ verschollenen Film über die sogenannten »Vergeltungswaffen« V1, V2 und A4 und dessen Entstehungszusammenhang zu rekonstruieren. Frentz drehte den für die Vorführung innerhalb der NS-Führungsriege vorgesehenen Film im Auftrag des Rüstungsministers Albert Speer. Neben der Frage nach der Rezeption des Films und der zusätzlich entstandenen Farbfotografien im »Dritten Reich« geht Bernd Boll der Frage nach, inwieweit die erhaltenen Fotos Produkt einer gezielten Inszenierung sind und wie dies ihren Wert als historische Quelle beeinflusst.

Mit »Trümmerbilder. Fotografien der Kriegszerstörungen von Walter Frentz (1939-1947)« beschließt Ludger Derenthal den Textteil des Bandes. Frentz hatte schon 1939 aus dem fahrenden Auto Trümmerlandschaften in Polen fotografiert, Aufnahmen aus Frankreich, Belgien, Jugoslawien, der Ukraine und Deutschland folgen. Derenthal sucht nach den Beweggründen für Frentz’ Trümmerbilder und zieht Vergleiche mit den Aufnahmen anderer Trümmerfotografen.

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Ingesamt bietet der vorliegende Band ein reichhaltiges Spektrum an Informationen zur Fotografie im »Dritten Reich«. Solide und genau rücken die Autoren bekannte Fotografien ins rechte Licht, zeigen Entstehungszusammenhänge und Wege der Einflussnahme auf. Nicht nur die Biographie Walter Frentz’ rückt ins Zentrum der Aufmerksamkeit, sondern auch Sehgewohnheiten, Blickwinkel und Rechtfertigungsstränge.

 

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