Buchrezensionen

Holm Bevers, Katja Kleinert, Claudia Laurenze-Landsberg (Hg.): Rembrandts Berliner Susanna und die beiden Alten. Die Schaffung eines Meisterwerks, E.A. Seemann 2015

Im Fokus der Kabinettausstellung von Gemäldegalerie und Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin steht der Entstehungsprozess des Gemäldes »Susanna und die beiden Alten« von Rembrandt, eines der großen Meisterwerke des Künstlers. Robert Bauernfeind war zwar nicht in Berlin, hat sich aber den Katalog zu Gemüte geführt.

Im vergangenen Frühjahr widmete die Berliner Gemäldegalerie in Zusammenarbeit mit dem Kupferstichkabinett einem ihrer berühmtesten Werke eine Kabinettausstellung: Rembrandts »Susanna und die beiden Alten« war einer umfangreichen kunsttechnologischen Untersuchung unterzogen worden, durchgeführt von der Gemäldegalerie in Zusammenarbeit mit dem Berliner Helmholtz-Zentrum und dem Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag. Die Ergebnisse boten eine kleine Sensation und wurden nun der Öffentlichkeit dargelegt: Nicht nur konnte die Behandlung des Gemäldes mit Neutronenautoradiographie die einzelnen Abschnitte der rund zwölfjährigen Entstehungsgeschichte veranschaulichen; den Forschern gelang auch der Nachweis, dass Sir Joshua Reynolds, in dessen Besitz sich die Berliner Susanna von 1769 bis 1792 befand, gravierende Überarbeitungen an dem Gemälde vorgenommen hat. Der Katalog zur Ausstellung bietet detaillierte Einblicke in die Befunde, versammelt die Dokumente zum Entstehungskontext und stellt Überlegungen zu Reynolds Beweggründen an.

Das Buch ist in fünf Aufsätze unterteilt, die die wissenschaftlichen und kuratorischen Verantwortlichen verfasst haben. Zunächst verschafft ein Text von Holm Bevers einen Überblick über das Susanna-Thema und die Ausprägung einzelner Typen in der Ikonographie der frühen Neuzeit. Rembrandts Berliner Gemälde wird dabei einem Typus zugeordnet, der die erotische Spannung betont, in die der (männliche) Betrachter beim Anblick des Übergriffs der beiden Alten auf die Badende versetzt werden kann und soll – eine im zeitgenössischen Kunstdiskurs munter umstrittene Auffassung des Themas.

Das eigentliche Herzstück des Katalogs sind jedoch die beiden Texte, in denen zunächst Katja Kleinert und Claudia Laurenze-Landsberg die technologischen Untersuchungsbefunde mit stilistischen Beobachtungen zu einer Rekonstruktion des Werkprozesses verknüpfen und dann Bevers Zeichnungen zum Susanna-Thema aus Rembrandts Werkstatt in den Kontext des Berliner Gemäldes setzt.

In der Auswertung von Autoradiographie, Stereoskop- und Röntgenaufnahmen können Kleinert und Laurenze-Landsberg annähernd lückenlos den Entstehungsprozess des Bildes dokumentieren, das Rembrandt in den zwölf Jahren der Entstehung in insgesamt drei Zuständen anfertigte. Kenntnisreiche Vergleiche mit weiteren Rembrandt-Gemälden sowie Werken seines Umfelds machen selbst kleinste Varianten nachvollziehbar, etwa die früheste Darstellung von Susannas Hand, in der die Finger noch nach dem Vorbild eines Gemäldes von Rembrandts Lehrer Pieter Lastmann gespreizt waren. Ein aufgeschreckter Schwan sollte den Mittelgrund beleben und verschwand wieder; der vordere Alte sollte in seinem Ungestüm durch eine Vase charakterisiert werden, die sein Fuß in hastiger Bewegung umstürzte. Aber auch ganze Bildkompartimente wurden verändert, darunter die anfangs niedrige Palastarchitektur am linken Bildrand, die im endgültigen Zustand annähernd die gesamte Höhe einnimmt – übrigens unter einst blauem Himmel, doch dem sollte erst Reynolds eine bräunlich-düstere Nachtstimmung versetzen.

Diese technischen und die stilistischen Befunde der Werkstatt-Zeichnungen durch Bevers ergänzen einander. Bevers zeigt in seinem Aufsatz auf, dass die von Kleinert und Laurenze-Landsberg festgestellten Entwicklungsphasen des Gemäldes auch auf der Ebene der Zeichnungen nachvollziehbar sind, die Rembrandt und seine Schüler zwischen 1635 und 1647 anfertigten. Nicht nur wird das Susanna-Thema in der Zeit der ersten Bearbeitung und der endgültigen Überarbeitung des Gemäldes in der Werkstatt vermehrt behandelt. Einzelne Blätter wie eine in farbiger Mischtechnik angefertigte Zeichnung von Rembrandts Schüler Barent Fabricius geben sogar einen exakten Einblick in den Zustand des Gemäldes während der verschiedenen Entstehungsphasen (hier flattert etwa der Schwan noch im Mittelgrund). Hinzu kommen Skizzen, die Rembrandt selbst anfertigte, um – wie Bevers etwa an der Berliner Susannenstudie überzeugend argumentiert – Details wie die Lichtreflexion auf der Haut der gebeugten Figur neu zu planen. Insgesamt ergeben die beiden Aufsätze somit eine dichte, facettenreiche Rekonstruktion der Entstehung des Gemäldes.

Eine veritable Sensation der Untersuchung wird im vierten Aufsatz wiederum von Kleine und Laurenze-Landsberg aufgedeckt: Ausgehend von einer in Details gravierend vom heutigen Zustand abweichenden Reproduktion aus dem Jahr 1769 wurden die entsprechenden Stellen genauer untersucht. Dabei konnten Schwärzungen festgestellt werden, die nur durch Antimon, eine erst im 18. Jahrhundert verwendete Farbzutat, entstehen konnten; sie zeugten von einer teils radikalen Überarbeitung des Gemäldes zu dieser Zeit. Sir Joshua Reynolds, der langjährige Besitzer des Bildes und notorisch für seine teils radikalen Eingriffe in Werke Alter Meister, steht im Verdacht, das Rembrandt-Gemälde großflächig überarbeitet zu haben. Doch während an den technologischen Befunden zu einem Eingriff im 18. Jahrhundert kein Zweifel bestehen dürfte, können Kleinert und Laurenze-Landsberg gegen ihn nur einen Indizienprozess führen. Mag dieser auch so dicht sein, dass er Reynolds überführt, bleiben die Überlegungen zu Reynolds Beweggründen hypothetisch. Reynolds dürfte die Malschichten geöffnet haben, um Rembrandts Technik zu studieren; seine Übermalungen ganzer Partien, insbesondere die dunklere Neugestaltung und die Auflösung ursprünglich feingemalter Konturen habe aber vielleicht eine Angleichung der »Susanna im Bade« an die Erwartungen an einen echten Rembrandt im England des späten 18. Jahrhunderts bewirken sollen.

Die Reihe der Aufsätze wird abgerundet durch einen Text über tropisches Holz – sogenanntes Zuckerkistenholz – als Bildträger, da Rembrandt für die Susanna dieses ungewöhnliche Material verwendete. Kleinert und Laurenze-Landsberg geben darin einen kulturhistorischen Überblick über die Produktion und den Import von Zucker in den Niederlanden und insbesondere die Kisten, in denen Zucker aus Brasilien nach Europa verschifft wurde, und diskutieren anschließend die weitere Verwendung der Kistenhölzer durch Maler.

Der Anhang beinhaltet technische Aufnahmen des Susannenbildes, eine ausführliche Provenienzgeschichte, sowie eine Liste der übrigen in der Ausstellung gezeigten Werke.

Insgesamt bietet der Katalog also eine detaillierte technologische Analyse des Materials in Verbindung mit stilistischen Einordnungen. Die Auflistung technologischer Befunde kann in anderen Fällen zur trockenen Lektüre werden; hier hingegen gelingt es den Autoren, eine Spurensuche mit überraschenden Ergebnissen nachvollziehbar zu machen. Dies gelingt umso besser, als die Aufsätze umfangreich mit den Bildern der Untersuchung ausgestattet sind, an denen die Befunde buchstäblich bis ins kleinste Detail veranschaulicht sind. Faszinierend sind dabei auch die Rekonstruktionen der früheren Zustände des Susannengemäldes, in die die kompositorischen und motivischen Änderungen graphisch eingetragen sind. Der Vergleich mag ein Klischee sein, aber die Lektüre gleicht in vieler Hinsicht einer Detektivgeschichte und ist ähnlich spannend. Man würde sich über eine Fortsetzung freuen.

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