Buchrezensionen

Horst Bredekamp: Der schwimmende Souverän. Karl der Große und die Bildpolitik des Körpers, Wagenbach 2014

Hält man eine neue Publikation von Horst Bredekamp in den Händen, so kann man sich des originellen Inhalts gewiss sein. Dies hat der Doyen der alternativen Kunstgeschichtsschreibung so oft schon unter Beweis gestellt, dass es dazu keiner genaueren Erläuterung mehr bedarf. Und man wird auch diesmal nicht enttäuscht. Polyglott in allen Epochen bewandert, führt er sein Publikum diesmal in die Ära von Karl dem Großen. Ulrike Schuster hat sich mitnehmen lassen.

Karl der Große war ein passionierter Schwimmer. Seiner Liebe zu den heißen Thermalquellen ist es zu verdanken, dass er seine Residenz in Aachen errichten ließ. Die antiken Bade- und Schwimmanlagen, die er dort vorfand, ließ er beträchtlich erweitern: Die größeren der Schwimmbecken könnten es in ihren Maßen sogar mit heutigen Anlagen aufnehmen.

Doch das Schwimmen war ihm auch Mittel der Politik: Den Akt des Badens zelebrierte er öffentlich und präsentierte sich im Kreis seiner Höflinge als bester Schwimmer – so überliefert es zumindest sein Biograph Einhard. In der politischen Ikonografie wurde seine herausragende körperliche Leistung umgerechnet auf das Bild des Ersten Mannes im Staat. Die Fähigkeit, sich über Wasser zu halten, oder gar über das nasse Element zu gebieten, stand nämlich in enger Verbindung mit der Vorstellung vom siegreichen Souverän. Umgekehrt übrigens waren Bilder des Ertrinkens für gewöhnlich den Feinden und den Schurken vorbehalten, was mittelalterliche Chronisten einige Jahrhundert nach Karl dem Großen in ein veritables Dilemma geraten ließ, als Kaiser Friedrich Barbarossa auf seinem Weg ins Heilige Land bei der Durchquerung eines Flusses ertrank. Auch dieser Vorfall ist Bredekamp eine genauere Betrachtung wert.

In den ersten Kapiteln seines Essays widmet er sich einer vergnüglich zu lesenden Kulturgeschichte des Schwimmens. Sein Blick geht zurück bis in die Antike, wo das Schwimmen einen festen Platz in der militärischen Ausbildung hatte. Es diente gleichermaßen zur Leibesertüchtigung wie als Demonstration der herrschaftlichen Tugenden. Sehr wahrscheinlich nahm sich Karl diesbezügliche Berichte aus den antiken Kaiserviten zum Modell der eigene Lebensführung.

Ganz anders dagegen, wenn Bredekamp anschließend einige Zeilen aus einem Gedicht des Höflings Walahfrid Strabo zitiert. Dieser verfasste seine Verse knapp zwei Jahrzehnte nach dem Tod des Kaisers und man kann daraus entnehmen, dass in der Aachener Pfalz inzwischen ein ganz anderer Geist Einzug gehalten hatte. Karls an der Antike orientierte Bildprogramme gerieten nun zum Gegenstand einer heftigen Kritik, die auch die Badeanlagen mit einbezog. Im heiligen Zorn diskreditierte Strabo das Wasser der Thermen als Ort für »Schmutz, Geschrei, besudelte Fluten, Tumulte«.

Von der Bändigung des Wassers schlägt der Autor eloquent einen Bogen zu jener des Haarwuchses. Karl der Große führte an seinem Hof einen Dresscode ein, der das Schneiden von Haupt- und Barthaar mit einbezog. So wie die Wellen des Wassers sollten auch die Wellen und Wirbel der Haare beherrscht und gestaltet werden. Kurios, aber treffsicher beobachtet, beschreibt Bredekamp in diesem Zusammenhang, warum einer der bronzenen Löwenköpfe an der Aachener Pfalzkapelle just den gleichen Schnurrbart trägt, den auch das Münzbildnis Karls ziert.

Konsequenterweise gelangt er denn auch zur Zähmung von wilden Bestien: Der Tierpark der Aachener Pfalz war reich bevölkert mit Wild und kostbaren Vögeln. Belegt ist die Anwesenheit des Elefanten Abul Abbas, der ein Geschenk des Kalifen Harun Al-Rashid war. Die Herrschaft des Kaisers über das Tierreich fand gleichfalls Eingang in das karolingische Bilderprogramm. An dieser Stelle verliert der Diskurs bedauerlicherweise ein wenig von seiner Präzision. Die Provenienz einer Bronzeplastik, der Aachener Bärin, bleibt unklar. Offenbar diente sie einst als Brunnenfigur, ebenso wie das mittlerweile verschollene Reiterstandbild des Theoderich, das aus Ravenna nach Aachen verschleppt wurde und das Bredekamp ebenfalls mit einer Brunnenanlage in Verbindung bringt.

»Der schwimmende Souverän« ist eine kluge Abhandlung über die bildhafte Inszenierung des Herrschens und den wohl kalkulierten Gebrauch der Zurschaustellung von körperlicher Vitalität. Bredekamps Diskurs ist spannend und scharfsinnig, wenngleich seine Ausführungen angesichts einer spärlichen historischen Faktenlage zuweilen den Charakter rhetorischer Trapezakte im Bereich des Hypothetischen haben. Unzweifelhaft von großer Brisanz sind jedoch seine Verweise auf politische Inszenierungen des Körperkults in der Zeitgeschichte. Benito Mussolini präsentierte sich ebenso als großer Schwimmer wie Mao Tse-tung. Der Anführer der italienischen 5-Sterne-Bewegung, Beppe Grillo, durchschwamm im Oktober 2012 die Meerenge von Messina. Aus aktuellem Anlass sollte man vielleicht auch Wladimir Putin in der Riege der Schurken einreihen: Bekanntlich ist der russische Präsident gleichfalls ein großer Freund der spektakulären Körperposen. Zumindest ist es verblüffend, wie sehr sich die Bilder gleichen.

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