Buchrezensionen

Horst Bredekamp: Der Behemoth. Metamorphosen des Anti-Leviathan, Duncker & Humblot 2016

Was haben Carl Schmitt und die Kunst miteinander zu tun? Das mag man sich fragen, wenn man den Essay Horst Bredekamps als ersten Band der »Carl-Schmitt-Vorlesungen« entdeckt. Was zunächst kurios anmutet, entpuppt sich aber als profunde bildwissenschaftliche Analyse eines Wesens, das in Kunst und Philosophie durchaus einiges zu bieten hat. Stefanie Handke hat das Bändchen gelesen.

Seit 2014 werfen Wissenschaftler unterschiedlichster Disziplinen den Blick auf Aspekte des Werks von Carl Schmitt, dem umstrittenen, aber einflussreichen Staatsrechtler. Den Anfang machte Horst Bredekamp mit Betrachtungen zur Bild- und Rezeptionsgeschichte des biblischen Monsters Behemoth. Neben dem weitaus berühmteren Leviathan, der wohl dank Thomas Hobbes‘ die bekannteste Metapher für Chaos und Unordnung ist und in der Bildtradition in der Regel als ein Wesen dargestellt wird, das Züge von Drachen und Schlangen, Krokodilen und Walen hat. Behemoth wird als Landwesen dagegengesetzt, mit Anmutungen von Flusspferden und Elefanten, Wasserbüffeln oder auch Ziegen, manchmal gar in Verbindung mit echsenhaftem Aussehen.

In seinem Vortrag bzw. Essay rückt Bredekamp nach der einleitenden Betrachtung zunächst die antike und mittelalterliche Tradition in den Mittelpunkt. Er sieht die Wurzeln der beiden Monster bereits in der ägyptischen Mythologie. Ein Relief aus Mastaba etwa zeigt ein besiegtes Krokodil und besiegtes Nilpferd als Attribute von Seth, dem Feind des Lichtgottes Horus. Diese beiden Tierarten haben einen klaren Einfluss auf die jüdische Erzähltradition, auch wenn die Monster selbst hier um ein vielfaches größer dargestellt werden. Den größten Einfluss auf die mittelalterliche Bildtradition hatte sodann der »Liber floridus« des Lambert von Saint-Omer. Hier sind die beiden Ungetüme als Reittiere zu sehen; der Teufel reitet auf Behemoth, der Antichrist dagegen auf dem Leviathan. Sie sind als ochsenhaftes, paarhufiges Landlebewesen mit Hauern, Hörnern und ein drachenartiges Wasserlebewesen mit nicht minder gefährlichen Hörnern und langem Schwanz. Eine weitere Darstellung des Behemoths scheint gar metallische Anmutungen zu haben und zitiert die Quelle der christlichen Bildtradition dieser beiden Ungetüme, das Buch Hiob. Auch andere Bildbeispiele weisen auf die Ochsen- und Drachenhaftigkeit der Ungetüme hin, so eine Mittelmeerkarte, in der Opicinus de Canistris das Gewässer aus Körperteilen der beiden Wesen zusammensetzt. Im Laufe des Mittelalters verbreitet sich darüber hinaus die Annahme, dass Gut und Böse in der Schöpfung angelegt sind und so kann Bredekamp eine Neuinterpretation zum Geschichtsmodell einer für Matteo de Planisio geschaffenen Bibel bieten: Dort sieht man in einem Bildquadrat ein gedrungenes Landlebewesen, in einem weiteren eine zusammengerollte schlangen- oder echsenartige Kreatur – beide existieren noch vor Schaffung des Landes. Der Autor bringt sie in Verbindung mit der im Buch wiedergegebenen apokryphen Überlieferung und identifiziert sie als Behemoth und Leviathan. So ergibt sich das Gesamtbild zweier die Allmacht Gottes repräsentierenden Wesen, die Teil der Schöpfung sind.

Wohl am bekanntesten für die Darstellung des Leviathan ist das Frontispiz von Hobbes‘ Schrift aus dem Jahr 1651; er erscheint als menschenähnliche, ungeheuer große Bedrohung und dient als Gegenspieler zum Behemoth. Letzterer wird nicht eigens dargestellt, auch nicht in der gleichnamigen postum erschienenen Schrift – wohl, da dem mächtigen Mensch-Maschinewesen schwerlich eine gleichwertige bildliche Darstellung entgegenzusetzen ist? Erst spätere Generationen von Illustratoren wagten sich wieder an eine Darstellung und griffen auf die mittelalterliche und antike Tradition zurück. Der Maler William Blake ließ Admiral Horatio Nelson einen Leviathan führen und William Pitt Behemoth leiten und stilisierte die beiden so zu Vorboten eines Terrors. Aber auch die Monster selbst stellte er in einer Illustration der Hiob-Geschichte dar und beruft sich dabei ganz auf die biblische und mittelalterliche Tradition. Behemoth tritt als ein bulliges Landlebewesen mit Hauern entgegen, sein Mitmonster als Wasserschlange mit scharfen Schuppen und Zähnen. Den von Hobbes eingeführten Widerspruch von Staatlichkeit und Bürgerkrieg lässt er dabei außer acht. Louis Breton zeigt dagegen eine seltenere Interpretation Behemoths: einen Elefanten mit mächtigem Bauch. Das ist wohl auf den Einfluss des populären »Dictionnaire Infernal« zurückzuführen.

Was aber hat das ganze nun mit Schmitts Staatstheorien zu tun? Der war sich der Bildhaftigkeit der beiden Wesen, die Hobbes einander gegenüberstellte, wohl bewusst und untersuchte sie. Seine umstrittene Untersuchung des Hobbes’schen Leviathan konstruierte diesen als neutrales, sich selbst genügsames Gebilde, das auf diese Weise Schutz gewährt und Gehorsam verlangt. Dieser Leviathan hält als mächtiges Wesen das Bürgerkriegsmonster nieder. Zugleich bezeichnet Schmitt die beiden Wesen als besonders mächtiges Bild und gibt auch zu erkennen, dass er die jüdisch-christliche Bildtradition beider Wesen kennt. Er kritisiert dabei vor allem Hobbes‘ Deutung Leviathans; eher hätte seine Schrift »Behemoth« heißen müsse, da der als Landwesen eher den Staat verkörpere. Nichtsdestotrotz erkennt er die Bilder an und wählt als Schluss seines Buches die Darstellung eines Riesenfischs –quasi der Staat in einer Mimikry. Kritikwürdig ist dabei Schmitts Einvernehmen mit der NS-Ideologie und ihrer Staatlichkeit, die, so Bredekamp, zu Widersprüchen in seinen Schriften führte: Einerseits schätze er Spinoza, andererseits warf er dem (jüdischen) Philosophen die Aushöhlung des Staates vor. Auch weitere Interpretationen Schmitts bietet Bredekamp an, denn im »Glossarium« revidierte der Staatstheoretiker seine Kritik an Hobbes und bezeichnet den Leviathan als barocke Fassade der Staatlichkeit, hinter der sich allerdings Partikularinteressen und somit Chaos verbergen

Insbesondere gelingt es dem Kunsthistoriker Bredekamp, den Einfluss künstlerischer Darstellungen auf Schmitt darzustellen. Neben den mittelalterlichen und neuzeitlichen Buchillustrationen sind das auch barocke Architekturen. In Santiago de Compostela etwa fand der Staatstheoretiker eine Barockfassade vor, hinter der sich ein eindeutig dem Mittelalter entsprungener Innenraum verbarg. In der Folge beschäftigte er sich weiter mit dem Ungeheuer Behemoth, das sich im Gegensatz zu Leviathan einer »Fassadierung der Politik« widersetzt. Besonderen Einfluss auf ihn hatte zudem ein lächelnder Daniel, den er gemeinsam mit dem (schweigenden) Monster Behemoth als Identifikationsfigur sah.

Es mag verwundern, einen Kunsthistoriker wie Horst Bredekamp einen Kommentar zum Wirken eines Staatstheoretikers wie Carl Schmitt abliefern zu lassen. Aber Bredekamp schafft es, mit seinem bildwissenschaftlichen Blick tatsächlich einige Einflüsse auf Schmitt zu illustrieren. Mittelalterliche Buchmalereien und neuzeitliche Buchillustrationen veranschaulichen die Entwicklungsgeschichte des Ungetüms Behemoth, das zuletzt zur Identifikationsfigur Schmitts wird und in die Gegenwart hinein schließlich positiv als Verkörperung der Demokratie bewertet wird, etwa wenn es den Namen für eine Zeitschrift liefert. Zuletzt erschienen gar zwei Filme, die sich jeweils einem der Wesen widmeten: »Leviathan« (2014) und »Behemoth« (2015) imaginieren den modernen Staat als Monster. So wird der Essay zu einer kleinen Bildgeschichte des Behemoth und des Leviathan und bietet vor allem dadurch eine Bereicherung. Den Staatstheoretiker Carl Schmitt mag man indes nach wie vor einer profunden Kritik unterziehen, so wie er es auch selbst tat.

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