Buchrezensionen

Horst Bredekamp. Sankt Peter in Rom und das Prinzip der produktiven Zerstörung. Wagenbach 2008

Architektur- als Demolierungsgeschichte: Horst Bredekamp, der Rebell unter den Kunsthistorikern, legt einen seiner Buchklassiker in neuer Auflage vor. „Sankt Peter in Rom und das Prinzip der produktiven Zerstörung“, erstmals erschienen im Jahr 2000, ist ein spannend geschriebener Essay, der sich mit dem Wechselspiel von Abriss und Aufbau rund um den Neubau des Petersdoms beschäftigt. Dieser Doppelcharakter von Zerstörung und Neuschöpfung offenbart für Bredekamp eine Konstante symbolischer Machtnahme, die zugleich den Schlüssel für die komplexe Historie des Dombaus liefert. Ulrike Schuster hat dieses Buch für uns gelesen.

Der Stoff scheint wie geschaffen für den streitbaren Autor, der einst über das Thema Bildersturm promovierte und die „Kunst als Medium sozialer Konflikte“ analysierte. Auch in dieser Fallstudie ist ihm ein spannungsgeladenes Sittenbild gelungen. Ein prachtvoll inszeniertes Schurkenstück entfaltet sich mit seinen Ränken und Intrigen im Herzen der katholischen Macht, unter der Beteiligung von berühmten Künstlern und intriganten Neidern, konservativen Klerikern und machtbewussten Kirchenfürsten.

Zwar ist nicht alles an den Ausführungen neu (war es auch nicht zum Zeitpunkt der Ersterscheinung), und auch die Trennung zwischen Faktenlage und suggestiver Interpretation fällt nicht immer deutlich aus. Doch die kurzweilige und kompakte Darstellung der Materie macht Lust darauf, sich mit der langwierigen Baugeschichte auseinanderzusetzen und die chaotischen Planungsverläufe in ihren Windungen zu verfolgen.

Bereits in der Mitte des 15. Jahrhunderts ließ Nikolaus V. die Baufälligkeit der altehrwürdigen konstantinischen Basilika feststellen und Fundamente für den Ausbau eines Chorraumes legen. Wichtiger als die angegriffene Substanz war jedoch der Umstand, so Bredekamps Vermutung, dass Gräber und Altäre bereits jeden Winkel der Kirche ausfüllten. Für die Aufstellung neuer Monumente mussten deshalb Kapellenanbauten angelegt werden, die den Baukorpus am Ende des Quattrocento bereits eng umwucherten.

Dennoch war das Vorhaben eines Neubaus von Anfang an umstritten. Nicht nur die immensen Kosten des Projekts riefen zahlreiche Kritiker auf den Plan, sondern auch die Bestürzung über den Verlust der konstantinischen Gründung auf dem Grab Petri mit ihrem einzigartigen historischen Erbe. In den Vorgängen rund um St. Peter finden sich die ersten Stimmen zum Denkmalschutz, darunter so gewichtige wie die von Alberti.

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Allein, es nützte nichts. Im Zeitalter der Renaissancepäpste triumphierte wohl die Verlockung, als große Bauherren in die Geschichte einzugehen, über die Pietät vor der Historia sacra. 1506 erteilte Julius II. den Auftrag zum Umbau an Bramante. Der ambitionierte Architekt legte seinerseits die Dispositionen der mächtigen Vierungspfeiler und schuf damit die faits accomplis, an denen kein späterer Baumeister mehr vorbeikonnte.

Über ein Jahrhundert sollte bis zur Fertigstellung St. Peters vergehen. Raffael, Baldassare Peruzzi, Antonio di Sangallo und viele andere versuchten sich daran, stellten da und dort neue Bauteile fertig oder rissen bereits errichtete wieder nieder. Das Projekt war monströs, in jeder Hinsicht. Nach außen hin bot es den Anblick einer gigantischen Neubauruine, die in zahlreichen Skizzen, etwa jenen von Marten van Heemskerck, festgehalten wurde. Auf der Bühne der Weltpolitik bildete der zur Geldbeschaffung eingeführte Ablasshandel (von dem übrigens nur ein Bruchteil tatsächlich dem Kirchenbau zugute kam) den unmittelbaren Anlass zur Reformation.

St. Peter drohte zum Menetekel des Niedergangs der katholischen Kirche zu werden. Doch dann betrat mit Michelangelo jener Heros die Bühne, der den Bau entscheidend vorantrieb. Im Kampf gegen seine Widersacher bediente er sich der gleichen Strategie wie einst Bramante, indem er markante Bauabschnitte ausführte, die nicht mehr ohne weiteres rückgängig gemacht werden konnten.

1590 vollendete schließlich Giacomo della Porta, nach unzähligen Planungsvarianten und nicht weniger Grabenkämpfen, die Kuppel. Das basilikale Langhaus Alt-St. Peters, das zu diesem Zeitpunkt noch intakt war, musste nur kurze Zeit darauf dem vielgescholtenen Langhausbau von Carlo Maderno weichen. Den grandiosen Schlusspunkt setzte Bernini mit seiner 1656-1667 geschaffenen Platzanlage. So erhob sich am Ende eines langen unübersichtlichen Planungsverlaufes ein strahlend neuer Dom über den Ruinen des nahezu restlos zerstörten Vorgängerbaus. Es war ein Triumph der Architekturgeschichte und zugleich einer ihrer größten Verluste. Bredekamp sieht hier ein Prinzip am Wirken, „dem die Zerstörung ebenso wichtig war wie die Konstruktion.“

Fast mag man es bedauern, wenn sich der Text nach 150 Seiten dem Ende zuneigt. Gerne hätte man noch weitergeschmökert, über das glatte Parkett am päpstlichen Hof, den Streit zwischen Bewahrern und Erneuerern oder die Rivalitäten unter den konkurrierenden Künstlern. Doch vielleicht gibt es dazu eines Tages eine Fortsetzung von Seiten des produktiven Autors.

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