Ausstellungsbesprechungen

Horst Kuhnert – Von der Fläche in den Raum, Galerie Anja Rumig, Stuttgart, bis 30. Juli 2011

Seit 1989 gilt Kuhnerts Interesse der Stabilität in der Instabilität. Den Anstoß hierzu gaben ihm die globalen und gesellschaftlichen Veränderungen, die die gültigen Normen in Frage stellen. Übertragen auf seine zwei- und dreidimensionalen Arbeiten bedeutet dies, dass Kuhnert statische Ordnungsprinzipien im Konstruktivismus hinterfragt, indem er nach neuen Stabilitäten (Konstruktionen) sucht, um diese sichtbar zu machen. Günter Baumann hat sich die Ergebnisse angesehen.

Horst Kuhnert gehört zu den Künstlern, deren Werk man kennt – meist ohne dass man das auch bewusst verinnerlicht. Dies gilt zumindest für den Stuttgarter Großraum, wo Kuhnert zu den bedeutendsten Gestaltern des öffentlichen Raums zählt. Doch während die figurativen Plastiken von Daniel Wagenblast oder Jürgen Goertz – um nur die nahezu allgegenwärtigen Freiplastiker im deutschen Südwesten zu nennen – coram publico gefeiert oder angefeindet werden (beides bringt den Künstlern eine gewisse Aufmerksamkeit, wenn nicht gar eine erfreuliche wie verdiente Bekanntheit), haben es abstrakte Künstler im öffentlichen Stadtbild schwerer, wahrgenommen zu werden (Die Archiskulptur von Otto Herbert Hajek mag hier eine rühmenswerte Ausnahme sein).

Kuhnert, der dem Konstruktivismus verpflichtet ist, kam ursprünglich von der Malerei her, was man in der Stuttgarter Ausstellung dank der großformatigen Bilder bestens verstehen kann. Seine auf den ersten Blick glasklar durchkomponierten Gemälde erweisen sich bei näherem Hinsehen als starkfarbige Tiefenräume. Darin verwinkeln sich Streifen, als wären hier surreale Baugerüste aufgehängt – unweigerlich kommen einem Piranesis radierte Kerkerräume in den Sinn: Sinken und Steigen, In-die-Irre-Gehen und Verankert-Sein fallen ineins. »Von der Fläche in den Raum« hat die Galeristin Anja Rumig ihre kleine Werkschau des Künstlers genannt, dessen Arbeiten in der Tat von der Fläche ausgehen und den Raum ergreifen. Dass es Kuhnert um Projektionsflächen im Übergang zu regelrecht baulichen Systemen geht, liegt auf der Hand. Allerdings torpediert er genau diese durch sein Spiel mit den Instabilitäten. Dafür sorgen in den Malereien die Farben, die nur vordergründig in die Komposition eingebunden sind, während sie tatsächlich ihre eigene und eigendynamische Ordnung durchsetzen.

Die plastischen Objekte greifen demgegenüber direkt in den Raum hinein und machen die standhafte Instabilität beziehungsweise wankelmütige Stabilität zur methodischen Auseinandersetzung mit der Plastik als architekturnahen Konstruktion. Egal, wie man die kaum als solche erkennbaren verleimten Holzkonstrukte dreht und wendet, es entsteht immer ein in sich ruhender, aber eben potentiell mobiler Rahmen um einen Nicht-Kern. Dieses komplexe Raumgefüge basiert zwar auf einfachsten Modulformen, doch lässt sich der Betrachter durch die Acryl- und Dispersionsbemalung verleiten, die Objekte als Metallplastiken anzusehen, die eine Schwere und damit Festigkeit suggerieren, während es sich eben um Holzarbeiten, zuweilen auch um Polyesterstoffe handelt, die dem flüchtigen Volumen auch noch weiteres Gewicht entziehen. Im Gegensatz zu den Gemälden sind die dekonstruktiv-konstruktiven Plastiken monochrom gefasst, dafür beziehen sie das Licht mit ein – sobald man sie unter den freien Himmel setzt.

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