Ausstellungsbesprechungen

Ichundichundich – Picasso im Fotoporträt, Museum Ludwig, Köln, bis 15. Januar 2012

Denkt man an eine Picasso-Ausstellung, so steht der spanische Künstler vor dem geistigen Auge meist unsichtbar hinter Gemälde und Skulptur. Nicht aber in Köln - hier ist der Ausnahmekünstler nicht Schöpfer sondern gänzlich das Objekt der künstlerischen Darstellungen. Das Ludwig-Museum hat aus einer Vielzahl von Fotografien eine biographische und dokumentarische Schau gezaubert, die die Persönlichkeit des Virtuosen beleuchtet. Günter Baumann berichtet über diese ungewöhnliche kuratorische Leistung.

Wie in einem jener poetischen, faszinierend inszenierten französischen Filme prozessiert eine kleine Gruppe Menschen vom Strand her auf den Betrachter zu, dessen Position stellvertretend von dem Starfotografen Robert Capa eingenommen wird: Lachend schreitet Francois Gilot im langen Kleid voran, gefolgt von Pablo Picasso in legerem Strandlook mit einem Sonnenschirm in der Hand; im Hintergrund macht Picassos Neffe Javier Vilato die nach schräg unten geführte Dreieckskomposition perfekt. Blickwechsel: Pablo Picassos Gesicht in Großaufnahme, das linke Aug ziemlich exakt in der Mitte der Fotografie von Irving Penn, das andere Auge verschattet. Auch hier wird die Komposition meisterhaft in Szene gesetzt – das alles bestimmende Auge wird oben durch eine Hutkrempe, unten durch einen ornamental bestickten dunklen Kragen betont. Das sind nur zwei von über 200 hochkarätigen Lichtbildern, die das Jahrhundertgenie – einmal 1948, das andere Mal 1957 – dargestellt haben.

Gemeinhin eignen sich biographische Fotodokumente nur bedingt dazu, ein Werk zu beleuchten. Im Fall von Pablo Picasso scheint das anders zu sein: Der Künstler hatte offenbar einen Heidenspaß an der Selbstinszenierung und an der Glorifizierung seiner Person durch berufene Geister. Wer allerdings irgendwelche Macho-Allüren des Spaniers erwartet, kann sich entspannt zurücklehnen: Der egomanisch wirkende Titel – »Ichundichundich« – stellt den sich sicher selbst als genialen Schöpfer begreifenden Künstler in den Vordergrund und unterschlägt die große Bewunderung der Fotografen für dessen imposante Erscheinung. Picasso war weit davon entfernt, Klischees zu erfüllen. Ist in den Abbildungen der jüngeren Jahre der Blick des rastlos neugierigen Menschen meist von Melancholie geprägt, entfaltet der alte Picasso eine mimische Physiognomie-Parade, die vielleicht nicht so viel vom Charakter des Künstlers verrät als von einem lebensbejahenden Erfolgsmenschen, dem alles zu gelingen schien, dem gar alles zum Happening geriet. Jede Alltagssituation, jede Geste vermochte er zum Kunstwerk umzumünzen. Robert Doisneau bekommt Picasso am Esstisch sitzend vor die Linse (1952), auf dem zweimal vier Brötchen so drapiert sind, als seien sie die Künstlerhände, welche tatsächlich unterm Tisch verborgen sind. Immer scheint der kreative Tausendsassa zu einem Tänzchen (David Douglas Duncan), zur theatralischen Pose (Lucien Clergue, Roberto Otero, Eduard Quinn) oder zur phantasiestrotzenden Posse (Cappa, Duncan, Quinn, André Villers) bereit. Der Schalk sitzt dem Künstler oft im Nacken, und wenn er nicht gerade nachdenklich dreinschaut, sieht man Picasso meist lachend. Am meisten beeindrucken allerdings die Fotografien zweier körperlicher Protagonisten, die dem unbändigen Schöpfergeist zu Willen sind: die Hände (Brassai, Jacques-Henri Lartigue, Villers) und noch mehr die Augen (neben Penn auch Doisneau, Duncan, Dora Maar, Arnold Newman, Villers), die zuweilen sogar ausreichen, um den Menschen dahinter zu vergegenwärtigen. »Und alles konzentriert sich in der flammenden Starrheit seines Blicks, der einen durchdringt, unterwirft, verschlingt… « (Brassai). Letztlich genügte das schwarze Profil im Gegenlicht (Denise Colomb), um Picasso unverkennbar abzulichten.

Die Mischung von Schnappschüssen und Meisterwerken der Fotografie macht die Ausstellung zu einem besonderen Vergnügen – wobei die gekonnten Charakterstudien von Hobbyfotografen wie die intimen Einblicke, die Picasso den Profis gewährte, ein durchgängig hohes künstlerisches Niveau gewährleisten. Picasso bediente sich der Fotografen als Medium, das er souverän nutzte, ohne sich verstellen zu müssen: Die Linse ersetzte sozusagen den Spiegel, der nur einen Augenblick widergeben könnte, während der Fotoapparat ihn verewigt. Wie sehr Picasso bei den Sitzungen selbst Regie führte, wird man kaum endgültig sagen können. So bleibt oft genug die künstlerische Handschrift der Fotografen erkennbar, denen im fulminanten Katalog auch ein biographisches Lexikon eingerichtet wurde.

Die Künstlerliste der Fotografen

Rogi André, Richard Avedon, Cecil Beaton, Bill Brandt, Brassai, René Burri, Robert Capa, Henri Cartier-Bresson, Chim, Lucien Clergue, Jean Cocteau, Denise Colomb, Robert Doisneau, David Douglas Duncan, Yousuf Karsh, Jacques-Henri Lartigue, Herbert List, Dora Maar, Mme d Ora, Willy Maywald, Lee Miller, Gjon Mili, Inge Morath, Arnold Newman, Roberto Otero, Irving Penn, Julia Pirotte, Edward Quinn, Man Ray, Willy Rizzo, Gotthard Schuh, Michel Sima, Horst Tappe, André Villers.

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