Ausstellungsbesprechungen

Ilja Repin und seine Malerfreunde. Russland vor der Revolution

In den letzten Jahren ist ein erwachendes Interesse an der russischen Kunst zu beobachten. Das illustrierten schon Ausstellungen in den Niederlanden, Österreich, Deutschland, Frankreich und den USA.

Jetzt zeigt auch das Wuppertaler Von-der-Heydt-Museum einen der Protagonisten der russischen Kunst. So sind dort die Werke des hervorragenden russischen Realisten Ilja Repin sowie seiner Malerkollegen, Freunde und Schüler zu bewundern.

Die „Wolgatreidler“ als richtungsweisend

Ilja Repin (1844 - 1930) wurde schon zu Lebzeiten als einer der wichtigsten Vertreter der russischen Schule angesehen. Mit seinem Gemälde „Wolgatreidler“ (1870-73), das auf der Weltausstellung von 1873 in Wien gezeigt wurde, erlangte er großes Ansehen weit über die Grenzen seiner Heimat hinaus. Der Gegenstand des Bildes sind Treidler – einfache Männer, die unter brennender Sonne ein Schiff die Wolga hinauf ziehen. Die Darstellung der Treidler thematisierte deren schwere und unmenschliche Arbeit. Das Bild zeigte dabei schon die Richtung, die Repin in seiner Kunst einschlagen sollte.

Die Wandermaler und die „Wahrheit des Lebens“

Repin gehörte auch zu den bedeutendsten und talentiertesten Mitgliedern der „Genossenschaft der Wanderausstellungen“, der so genannten „Wandermaler“. Diese Künstlervereinigung zeichnete sich durch den Wunsch aus, das „Leben an sich“ darzustellen, also ohne Verschönerung oder Vorenthaltung der grausamen, traurigen oder alltäglichen Seiten der damaligen russischen Wirklichkeit. So wurden in den Werken der Wandermaler hauptsächlich Szenen aus dem Leben der niederen Schichten der Bevölkerung für bildwürdig erklärt und auf den Wanderausstellungen in der russischen Provinz gezeigt. Aber auch die russische Landschaft oder Ereignisse aus der russischen Geschichte oder der damaligen Gegenwart fanden oft Eingang in die Werke der Wandermaler.

Die Wuppertaler Ausstellung nun zeigt etwa 50 Werke Repins, darunter Studien zu bekannten großformatigen Gemälden wie den „Wolgatreidlern“, „Iwan der Schreckliche und sein Sohn Iwan“ oder „Kreuzprozession im Gouvernement Kursk“. Darüber hinaus sind 29 grafische Arbeiten des Künstlers zu sehen. Unter anderem bleibt ein großformatiges, mit Kohle auf Leinwand ausgeführtes Porträt der italienischen Schauspielerin Eleonora Duse (110x139 cm) im Gedächtnis haften. Die großen Maße des Porträts, die in gewisser Weise einen Anspruch auf ein Gemälde aussprechen, waren zusammen mit der Technik der Kohle-Zeichnung noch etwas Ungewöhnliches im Russland des 19. Jahrhunderts. Damals galt ein nicht farbig gestaltetes Bild als „unbeendet“.

Die Tretjakow-Galerie zu Gast in Wuppertal

Neben historischen Gemälden, wie etwa der „Zarentochter Sophia“ oder den „Saporozher Kosaken“ sind viele Porträts von bekannten Zeitgenossen Repins wie den Schriftstellern Iwan Turgenew und Lew Tolstoj, dem Komponisten Anton Rubinstein oder den Malerkollegen Iwan Kramskoi und Nikolai Ge ausgestellt. Diese bedeutenden Persönlichkeiten, die auf ihrem jeweiligen Gebiet große Leistungen vollbracht haben, vervollständigen das Bild vom Russland des 19. Jahrhunderts – Repins Russland. Auch Pawel Tretjakow – der Sammler und Begründer der bekannten Moskauer Tretjakow-Galerie – ist hier zu sehen. Er nimmt nicht umsonst einen prominenten Platz im ersten Ausstellungsraum ein, denn die meisten Werke dieser Ausstellung stammen aus diesem Museum. „Die Tretjakow-Galerie zu Gast im Von der Heydt Museum“, so begrüßte denn auch bei der Eröffnung der Ausstellung Dr. Sabine Fehlemann, die Direktorin des Wuppertaler Museums, die zahlreichen Besucher.

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Thematisch präsentiert

Die Ausstellung präsentiert die Werke nicht in chronologischer Abfolge, sondern in thematischen Gruppen, beispielsweise Porträts („Repin und seine Kunstfreunden“), „Berühmte Zeitgenossen und Familie“ oder „Russische Dramen“ . Während man von einem Raum zum anderen geführt wird, könnte sich der Besucher fragen, wo die Werke der Malerfreunde eigentlich ausgestellt seien. Denn erst im letzten großen Ausstellungsraum sind die meisten Bilder von Repins besagten Malerkollegen wie Bogoljubow, Ge, Schischkin, Wasilijew, Polenow, Surikow, Serow oder Kramskoi zu sehen. Als Erstes begegnet hier dem Blick des Betrachters ein meisterhaftes Beispiel der russischen poetischen Landschaftsmalerei – ein Gemälde von Wassili Polenow, „Zugewachsener Teich“. Das scheint auch ein Anziehungspunkt beim Publikum zu sein, denn viele Besucher sammeln sich vor diesem Bild, aber außer dem Titel erfährt man hier nichts Weiteres über das Gemälde.

Dennoch ist die Ausstellung insgesamt didaktisch gut aufbereitet. Die Info-Tafeln mit Künstler-Biografien und Angaben zu einigen Bildern sowie der Audioguide liefern dem Besucher wichtige Hintergrundinformationen.

Bei den circa dreißig Arbeiten von Ilja Repins „Malerfreunden“, die überwiegend auch zu den Wandermalern gehörten, handelt es sich mehrheitlich um Landschaftsdarstellungen und Porträts, also weniger um für diese so typischen Genrebildern. Dabei ist auch eine der wenigen Landschaften von Ilja Repin, „An der westlichen Dwina. Sonnenaufgang“ (1892) zu sehen, eine Leihgabe der Kunsthalle zu Kiel.

Obwohl die Bilder zum ersten Mal in diesem Kontext und dieser Zusammenstellung ausgestellt sind, dürften die meisten gezeigten Werke Repins dem Besucher aus der Saarbrücker/Berliner Ausstellung „Ilja Repin – Auf der Suche nach Russland“ von 2003 bekannt sein. Auch der Katalog der Ausstellung weist einige Ähnlichkeiten mit dem aus Berlin auf. Dabei wurde manche Redewendung etwas unglücklich angepasst oder ausgetauscht. Wenn etwa der Berliner Katalog Ilja Repin den „Tolstoi der Malerei“ nennt, so wird er im Wuppertaler als „Dostojewski der Malerei“ bezeichnet, wobei hier übergangen wird, dass Tolstoi und Dostojewski, wenn auch beide berühmte Realisten, sich dennoch an entgegengesetzten Polen befinden. Einzelne Fehler sind zum Teil auch in den anderen Materialien zur Ausstellung zu finden.

Etwas bedauerlich ist auch, dass die Werbemittel der Ausstellung, etwa das Plakat und der Flyer, in der Bildwahl keinen Zusammenhang zum Ausstellungsthema herstellen. Dort werden weder die Malerfreunde noch Russland vor der Revolution thematisiert, sondern ein Bildnis der schlafenden Frau des Künstlers, Vera Repina, gezeigt. Zwar ist dies eins von Repins Glanzstücken, hat aber thematisch mit dem Ausstellungsthema nicht wirklich etwas zu tun.

Dennoch ist die Ausstellung gelungen und zeigt eine Auswahl malerisch wie technisch meisterhaft ausgeführter Gemälde und Zeichnungen, die uns das Russland vor der Oktoberrevolution (1917) malerisch vor Augen führen.

 

Weitere Informationen

 

Öffnungszeiten
Dienstag–Sonntag 11–18 Uhr

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