Ausstellungsbesprechungen

Im Licht der Lagune. Venetische Meisterzeichnungen in Weimar. Goethe-Nationalmuseum Weimar, bis 16. Mai 2010.

Die am 27. Februar eröffnete Ausstellung der Venetischen Meisterzeichnungen zeigt eine umfangreiche, gut 200 Werke umfassende Schau von zumeist graphischen Werken, zusammengestellt aus den Beständen der Graphischen Sammlung der Klassik-Stiftung Weimar. Unter den ausgestellten Künstlern ist Giovanni Battista mit seinen Söhnen Giovanni Domenico und Lorenzo Baldissera Tiepolo vertreten, die zu Recht die Höhepunkte der Ausstellung darstellen. Die Schau setzt mit den Federzeichnungen eines Nicolo Bambini fort, bis hin zu selten gezeigten Künstlern wie Antonio Zucchi. Insgesamt wird ein breites Spektrum der Kunst der Lagunenstadt präsentiert, wobei das Hauptaugenmerk auf dem 17. und 18. Jahrhundert liegt. Unser Autor Jan Hillgärtner hat die Ausstellung besucht und zieht Bilanz.

Betritt man die auf zwei Stockwerken angelegte Ausstellung, so fällt im Erdgeschoss der erste Blick auf kleinformatige Radierungen von Giovanni Battista Piazzetta und das Werk »Drei Steinmetze bei der Arbeit« von Bernardo Bellotto. Besonders hervorzuheben sind hier die feinen Arbeiten Piazettas, die fast ausschließlich Köpfe und Brustbilder zum Motiv haben. Widmen sich andere Ausstellungen sonst seinen Genreszenen und religiösen Motiven, zeigt die von Hermann Mildenberger kuratierte Schau ein neues Bild des italienischen Meisters. Nicht nur die Radierung »Brustbild einer Frau mit Kopftuch nach rechts« offenbart das feine künstlerische Talent, auch die im kleinen Format überzeugenden Arbeiten - die weich angedeuteten Züge einer Madonna beispielsweise - dokumentieren dies. Deutlich wird das auch bei seinen Studien prägnanter Charakterköpfe, die eindringlich zum Betrachter zu sprechen scheinen und die stilistische Nähe zu weiteren Mitgliedern der Tiepolo-Familie aufzeigen. Der Kurator präsentiert mit den Arbeiten von Piazetta und Bellotto wahre Schätze aus dem reichen Bestand des eigenen Archivs in einer Sammlung und gibt einen Einblick in eine reichhaltige künstlerische Tradition Venetiens.
Die Lichtempfindlichkeit der Bilder bringt allerdings einige Probleme für ihre Präsentation: die Bilder hängen in einer dunklen Umgebung, die einerseits die Erhaltung sichert, andererseits aber auch für eine schlechte Sichtbarkeit sorgt. Gerade auf der Fensterseite des unteren Stockwerks hängen die Zeichnungen in verspiegeltem Glas gerahmt parallel zum Fenster, was unschöne Spiegelungen und Reflektionen verursacht und die Betrachtung der Werke einschränkt.
Kommen wir zu einem der wahren Meister der venezianischen Zeichenkunst: Im Erdgeschoss begegnet man den Werken von Giovanni Antonio Canal, genannt Canaletto, der sowohl mit seinen detailreichen Zeichnungen der Städte Dresden und Venedig, als auch mit geschwungenen Federzeichnungen von Landschaften und Stadtansichten Venedigs in der Sammlung vertreten ist. Über den Aufgang in der Mitte der Ausstellung erreicht der Besucher, bereits die räumliche Positionierung weist auf die herausragende Stellung hin, den Höhepunkt im Museum, die Präsentation der Werke der Tiepolos, der wahrscheinlich bedeutendsten venezianischen Malerfamilie.

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Die Weimarer Ausstellung ist vielfach beeindruckend: Einerseits hebt sie durch die Aufarbeitung der Archivbestände der Klassik-Stiftung einen bedeutenden, wenn auch bisher wenig beachteten Schatz an den Tag, andererseits schafft diese Ausstellung einen wichtigen Orientierungspunkt auf der geistigen Tiepolo-Landkarte Deutschlands. Neben den wichtigen Sammlungen in Berlin und Stuttgart tritt nun auch Weimar mit einem eigenständigen Beitrag in das Zentrum der Aufmerksamkeit. Von großem Gewicht für die Forschung ist die ebenfalls mit der Präsentation bisher unbekannter Werke verbundene Möglichkeit der Händescheidung. Anhand der ausgestellten Zeichnungen und Bilder konnte Wissenschaftlern schon im Vorfeld eine eingehende Analyse ermöglicht werden. Doch was zeigt die Ausstellung selbst? Wir bekommen einen Eindruck vom Werk der drei Tiepolos, das sich aus kleinformatigen Studien und Charakterköpfen des Vaters Giovanni Battista Tiepolo, Studienarbeiten der Söhne Lorenz und Giovanni Domenico Tiepolo, sowie szenischen Bildern, Charakter- und Mariendarstellungen zusammensetzt. In der Zwischenebene wird es für den Besucher besonders beeindruckend, besonders hervorzuheben sind hier die Charakterstudien Giovanni Battista Tiepolos: in ihnen offenbart sich der künstlerisch anspruchsvolle Umgang mit dem Material. Die Studie eines bärtigen Mannes im Profil, die im Zusammenhang mit dem größeren Werk der Würzburger »Anbetung der Könige« steht, zeugt von dem genauen Blick Battistas für die Proportionen eines Menschen. Am Eingang zur zweiten Etage findet man zunächst Werke der berühmten Tiepolo-Schule, die heute den einzelnen Nachfolgern der Tiepolos nicht mehr eindeutig zugeordnet werden kann. Insgesamt beginnt die Ausstellung hier thematisch nun stärker in die Breite zu gehen. Als Ausstellungsobjekte kommen nun Porzellankunst und einige wenige Bücher hinzu, die aber etwas neben den Graphiken untergehen, und es erschließt sich dem Besucher nicht, warum diese Stücke mit ins Ausstellungskonzept integriert worden sind. Jedoch bleibt festzuhalten: »Im Licht der Lagune« ist eine Schau besonderer Werke, die größtenteils zum ersten Mal öffentlich zu sehen sind. Warum sich Venedig selbst lange Zeit als „Bilderrepublik“ verstanden hat, ist anhand der Werke leicht nachzuvollziehen. Das auf den klugen Sammlerverstand Goethes, Rochlitz´ und des Museumsgründers Ruland zurückgehende Archivmaterial ist insgesamt in einer interessanten Weise dargestellt, nach erfolgreicher Renovierung jedoch sollen die Werke in das Weimarer Schloss umziehen, wo sie hoffentlich einen ihrer Bedeutung angemessenen Ort für eine Dauerausstellung finden

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