Ausstellungsbesprechungen

Imago Mortis. Das Bild vom Tod, Sommerpalais Greiz, bis 23. Februar 2014

Kein Tag vergeht ohne eine Fülle von Todesnachrichten – Todesanzeigen, Berichte über Unglücksfälle, Straftaten, Terroraktionen, Naturkatastrophen, Folgen kriegerischer Ereignisse. Sie versetzen uns regelmäßig in Angst und Schrecken. Das Greizer Kupferstichkabinett setzt dem eine Ausstellung entgegen, die mittels hochwertiger Druckgrafiken ein differenzierteres Bild des Todes zu zeichnen weiß. Rowena Fuß hat sich mit den schaurig-schönen Totentanzdarstellungen befasst.

Es ist klirrend kalt und ein feiner Schneepuder bedeckt den Greizer Park. Im Sommer mag man hier wandeln und sich an den mannshohen Rhodedendronbüschen und exotischen Gehölzen erfreuen. Jetzt im Winter liegt eine Art Totenruhe auf dem Gelände. Es ist Zeit für »Imago Mortis«.

Mit erstaunlich wenig nacktem Entsetzen warten denn aber die in der Ausstellung präsentierten Druckgrafiken auf. Der Totentanz ist eben ein eher humorvolles Thema. Glauben Sie nicht? Dann warten Sie mal ab! Das Greizer Kupferstichkabinett hat eine ganze Bandbreite von Totentanzdarstellungen aus der eigenen Sammlung aufgefahren. In unzähligen Vitrinen liegen rund 200 Radierungen, Lithografien und Zeichnungen aus dem 15. bis 20. Jahrhundert. Denn jedes hat seine eigenen Totentänze hervorgebracht.

Ihre Geschichte beginnt im Mittelalter zur Zeit der großen Pest. Einige Berichte beschreiben Situationen, in denen sich Menschen im wörtlichen Sinn zu Tode getanzt haben. Sicher ein schreckliches Bild, das allerdings eher für die wahnsinnige Furcht vor der Krankheit spricht. Eigentlich spiegeln Totentänze ein unumstößliches Prinzip wider: Der Tod verschonte keinen, weder Alt noch Jung, Arm oder Reich, Mann oder Frau, Geistliche oder Bürger. Doch tritt er den Armen immer etwas freundlicher gegenüber als den Mächtigen und Reichen. Darin lag für die Menschen damals ein wenig Trost. Seit Hans Holbein dem Jüngeren (1497/1498-1543) ist der Tod nicht nur jemand, der den (noch) Lebenden in die Grube reißt, sondern jemand, der mitten im Leben steht: Er tritt mitten hinein in den Beruf und die Lust des Erdenlebens. In Anlehnung daran schuf der Schweizer Radierer Johann Rudolph Schellenberg (1740-1806) mehrere Grafiken, die beispielsweise die Dienstbeflissenheit des Todes tadeln. So sitzt derselbe in Skelettform statt der Kinderfrau auf einem Stuhl neben einer Wiege und wickelt das Neugeborene in Binden. Die eigentlich zuständige, ebenfalls anwesende Amme ist darüber natürlich einigermaßen bestürzt. Einzig eine Katze nimmt es gelassen und trinkt ganz ruhig aus ihrem Milchnapf.

In allen Grafiken steckt ein böser, makabrer Humor, der jedoch immer zum Nachdenken anregen soll. Dies gilt auch für einige Darstellungen zum Ersten Weltkrieg, die Motive aus dem Totentanz aufgreifen. Ein Tank, der vom Tod gesteuert über eine Menschenmenge fährt, verweist zum Beispiel ausdrucksstark auf die tödliche Kriegsmaschinerie der Zeit, der so viele an der Somme als Kanonenfutter zum Opfer fielen. Es ist eines von 50 Blättern aus Erich Drechslers Totentanzfolge von 1921. Unter dem Eindruck des erst kürzlich beendeten Krieges strebte er darin die schmucklose Wiedergabe der Weltkriegsrealität an.

Der Tod erscheint in weiteren Blättern als Volksverführer und einziger Sieger der Kämpfe. So auch bei Ludwig Hesshaimer. »Der Tod, er träufelt Gift ins Herz der Macht, und über alles Menschentum senkt sich des Bösen Nacht« lautet der Untertitel einer Radierung aus der Mappe »Der Weltkrieg. Ein Totentanz. Eine Dichtung«. Es zeigt zwei Könige, die einander gegenübergestellt sind. Hinter dem linken steht ein Skelett mit Helm und Sense, hinter dem rechten lugt eine Schlange hervor. Zwischen ihnen befindet sich eine Brücke aus Stahl, Strommasten und eine Hafenstadt. Ganz unten im Vordergrund finden sich von links Sterngucker, ein rastender Wanderer auf einer Anhöhe, Bauern, die ein Feld pflügen, Bergarbeiter, Paare, Kinder und Alte. Letztere hocken unter dem rechten König in der Dunkelheit. Die Götzenstatue weist mit knorrigem Arm auf den weisen alten König gegenüber, der so schlecht vom Tod beraten ist.

Dieser drastischen Schilderung steht ein deutlicher Galgenhumor gegenüber: Auf den Lithografien von Karl Steiger etwa sitzt der Tod auf einem Grabstein und macht »Feierabend«. Böser englischer Humor findet sich hier auch. Thomas Rowlandson hat in einer kolorierten Aquatinta-Radierung eine Jagdgesellschaft festgehalten, die hinter dem berittenen Tod einen Abhang hinunterstürzt. William Combe dichtete dazu: »Such mortal sport the chase attends/ at Break Neck Hill, the hunting ends.« Rowlandson enthüllt die menschlichen Schwächen, Torheiten und Laster seiner Generation. Er tut dies jedoch nicht mit dem erhobenen Finger eines Moralapostels, sondern auf eine eher unterhaltsame Weise.

Zuletzt sei noch auf einige Ex libris verwiesen, in denen der Tod als Verführer einer Schönheit auftritt. So sind auf einer Radierung von Karl Ritter (1888-1987) nicht nur eine unbekleidete Bürgersfrau mit Haube zu sehen, sondern auch ein Teufel und ein Skelett. Und es mutet schon seltsam passend an, wenn das Frack tragende Skelett in der benachbarten Radierung von Walter Helfen zu diesem Reigen die Flöte spielt. In jedem Fall lädt die Schau zu einer Vielzahl von Entdeckungen ein, die sich nicht nur auf die Exponate erstrecken. Auch die umgebende spätbarocke/frühklassizistische Architektur des Sommerpalais lohnt einen Blick. So kann man in den Kabinetten neben dem Festsaal Allegorien der Malerei und der Bildhauerei sowie Allegorien von Ackerbau und Viehzucht betrachten.

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