Ausstellungsbesprechungen

Imperium Romanum

Latein gehört nicht gerade zu den Rennern im deutschen Schulunterricht – selbst die Lehrer für die vielgeschmähte »tote Sprache« gehen aus. Von hier wird über kurz oder lang kein Weg mehr zur römischen Kultur führen. Zum Glück stolpert sogar der interessierte Hobbygeschichtler im Südwesten Deutschlands ständig über römische Spuren – so gesehen ist also nichts verloren.

Stuttgart und Karlsruhe machen aus der Not eine Tugend und präsentieren in einer Gemeinschaftsausstellung eine der spannendsten, ja packendsten Darbietungen eines historischen Themas, das obendrein noch erfrischend lehrreich daher kommt. Tote Sprache? Das mag faktisch so sein (und wird doch von uns allen alltäglich widerlegt), aber wie auch immer: Wer mit einer solchen Lust und Verantwortung an das Thema herangeht wie die Ausstellungsmacher, macht sich womöglich zum Türöffner zu ganz neuen Gefilden. Also ran und rein in die Ausstellungen: Spüren Sie Rom! – nicht als Wegbereiter Italiens, sondern als prägende Kultur für den deutschen Südwesten.

 

Die Blütezeit der römischen Herrschaft über die Provinzen zwischen Neckar, Rhein und Donau wird in der großen Stuttgarter Landesausstellung ins rechte Licht gerückt. Vorgestellt werden nicht nur die repräsentativen Themen, sondern auch der Alltag im Südwesten des Landes. Zum Teil noch nie gezeigte archäologische Funde werden in ihren (nachempfunden) authentischen Kontext gesetzt. Zahlreiche Aktionen und Programme unterstreichen die Bedeutung der Ausstellung für unsere regionale Geschichte. Ergänzend dazu zeigt Karlsruhe den die badische Regionen umfassenden Teil des Projekts.

 

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Man muss es schon zugeben: Baden-Württemberg ist vor seiner Zeit an Rom gewachsen. In Erfüllung ihrer Expansionsträume rückte es halb Europa auf den Leib, brachte aber auch ab 15 v. Chr. die Schrift, das Münzwesen und die Rechtsprechung nach Germanien und Raetien, genauso wie der zugleich übermittelte Steinbau in der Architektur das anfällige Holzhaus verdrängte – unzählige Monumente und Artefakte mögen meist nur noch als Ruinen oder fragmentarisch erhalten sein, doch Rom hat deutliche Spuren im Raum des heutigen Baden-Württemberg hinterlassen. An erster Stelle ist hier das längste Teilstück des obergermanisch-rätischen Limes zu nennen, dem frischgebackenen UNESCO-Weltkulturerbe. Nicht gering zu schätzen ist, was das leibliche Wohl angeht, die hohe römische Kultur der Glasherstellung und der Weinanbau (im »Römer« genannten Weinglas wird dies später auf den Punkt gebracht).

 

Ob nun Baden-Württemberg alles kann außer hochdeutsch, sei dahingestellt. Mit der diesjährigen Landesausstellung, die im Kunstgebäude Stuttgart und im Badischen Landesmuseum Karlsruhe präsentiert wird, beweisen die Archäologischen Landesmuseen des Landes, dass sie eine grandiose Doppelschau auf die Beine stellen können: Selten hat es eine vergleichbar unterhaltsame Ausstellung gegeben – in Vitrinen und wunderbaren Modellen, zudem in filmischen Sequenzen und nicht zuletzt in brillant einfach formulierten Anschauungstafeln rollt sich die knapp 500 Jahre währende Besatzungsgeschichte vor den Augen des Besuchers ab. Die Höhepunkte stellen dabei das in der Replik nachvollziehbar imposante Limestor von Dalkingen dar, dessen hypothetischer Nachbau knapp unter Originalgröße den Kuppelraum (er)füllt, der spektakuläre Silberschatz von Kaiseraugst sowie natürlich das Ladenburger Prunkportal, dessen prächtige Metallbeschläge in Form von Löwenköpfen, Götterbüsten oder kunstvoll gefertigten Schmuckleisten zum besten gehört, was das römische Reich an derartigem Türschmuck zu bieten hat (der Hortfund kam erst 1973 zum Vorschein). Konkret erfährt der Besucher Vieles zu den Themen Kaiser, Bevölkerung, Militär, Schrift und Sprache, Handel und Verkehr, Götter, Tod und Bestattung sowie Wohnen in Stadt und auf dem Land.

 

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Stuttgart und Karlsruhe teilen sich diese imperiale Schau auf: Während in Stuttgart ein umfassender Überblick über die römische Kultur und Herrschaft in Südwestdeutschland von den letzten zwei Jahrzehnten v. Chr. bis ins 3. Jahrhundert n. Chr. geboten wird, erzählt die Karlsruher Ausstellung vom Niedergang des Römischen Reiches von der Mitte des 3. Jahrhunderts bis zum Ende des 5. Jahrhunderts. Noch nie wurde die Römerzeit auf deutschem Gebiet in ähnlich großem Umfang gezeigt; die beiden begleitenden, opulenten Sachbildbände zeichnen die Ausstellungen auf über 700 Seiten mit nahezu 1000 Abbildungen nach. Doch neben den erwähnten Großobjekten – zu denen auch noch der Weihebezirk von Osterburken gerechnet werden kann, deren Altarfragmente und Holzbefunde ausreichende Kenntnisse über die Baugeschichte zulassen – sind es die besucherfreundlichen Darbietungen der Exponate, die einen tiefen Eindruck vom alltäglichen Leben in der Spätantike und im frühen Christentum vermitteln. Vorbildlich greifen die einzelnen Artefakte und Kunstobjekte (es stört keineswegs, dass etliche »nur« Abgüsse sind), historischer und kultureller Aus- und Weitblick (über begehbare Modelle und Ausstellungsbauten) und aktive Teilhabe (über die zum Teil rührend amateurhaften, aber anschaulichen Kostümfilme oder die ausgelegte Kleidung bis hin zum Schuhwerk, die man anprobieren kann) ineinander.

 

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Nachdem die Große Landesausstellung in ihrer Stuttgarter Sektion bereits Anfang Oktober eröffnet wurde, folgte ein paar Wochen später die Karlsruher Römerschau. Während Stuttgart der Blütezeit römischer Herrschaft im Südwesten vom 1. bis 3. Jahrhundert nachgeht, widmet sich Karlsruhe der wechselvollen Umbruchzeit des 3. bis 5. Jahrhunderts. Rund 500 Fundstücke geben Aufschluss über den Alltag der Besatzer, das Handwerk, Kunst, Religion und Kult, Handel und Militär. Der weltberühmte »Silberschatz von Kaiseraugst« (60 kg reines Silber an 270 Platten, Schalen, Münzen usw.), der erstmals außerhalb der Schweiz zu sehen sein wird, bildet einen Höhepunkt der Ausstellung. Aber auch das drei mal drei Meter große »Bacchus-Mosaik« ist ein Augenschmaus. Mit Animationstechnik und Modellen – darunter ganze Schiffe – wird das Leben in der Grenzregion des Imperium Romanum veranschaulicht. Besonders eindrucksvoll ist die Nachbildung einer prachtvollen Deckenkonstruktion in Originalgröße aus Trier, der Kaiserresidenz der Spätantike und Hauptstadt der des weströmischen Reiches. Weitergehende Informationen vermitteln eine Hörstation mit antiker römischer Musik und Medien im Ausstellungsbereich. Ein umfangreiches Rahmenprogramm bis hin zur Bewirtung mit römischen Speisen begleitet die Ausstellung. Es bietet mit einer offenen Werkstatt, Kostümführungen, archäologischen Vorträgen, einer Lesung, Eventabenden, einer Weinprobe, einem Konzert und Exkursionen den passenden Rahmen.

 

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Selbst ohne große Vorkenntnisse erschließt sich dem Besucher so ein rundes multikulturelles Bild vom Privat- und Berufsleben, von den Freuden und Nöten des täglichen Lebens, von Kulten und Glaubensformen bis hin zu Kriegshandwerk und Bestattungskultur. Darüber hinaus räumt die Doppelschau mit dem Vorurteil auf, die Spätantike sei eine Endzeit gewesen: Hier formiert sich ein Neubeginn. Neben den – wie erwähnt: prächtigen – Katalogen, die auch ergänzt werden können durch eine CD-Rom (19,90 EUR) mit 3-D-Modellen, über 600 Abbildungen, interaktiven Karten u.a. sowie einer Detailkarte des obergermanischen Gebiets (1 EUR) erwartet die Besucher auch ein üppiges Begleitprogramm (an den Weihnachtsfeiertagen etwa römische bzw. spätrömisch-alamannische Modenschauen oder eine Römer-Nacht am 28. Januar 2006).

Weitere Informationen

Eintritt

Erwachsene   8,- EUR (für Karlsruhe: am langen Donnerstag erm. 6,- EUR)

Ermäßigt       6,- EUR

Schüler         2,- EUR

 

Wer nach dem Besuch der Karlsruher Ausstellung die Eintrittskarte mitbringt, bekommt in Stuttgart eine Ermäßigung.

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