Kunstbücher für junge Leser, Buchrezensionen

Ina Schulze/Stephanie Kiwitt/Jörg Dittmer: Ich zeig's Euch. Kinder besuchen Künstler und ihre Werke, Kerber 2010

»Ich zeig's Euch. Kinder besuchen Künstler und ihre Werke« - inspiriert von den Führungen von Kindern für Kinder im Museum der bildenden Künste Leipzig entstand ein Buch, das auf den ersten Blick vielversprechend daherkommt: Kinder und Kunst sollen zusammengebracht werden. Ob dies gelungen ist, dazu hat sich unser Autor Lennart Petersen eine Meinung gebildet.

Um weitere Irritationen zu vermeiden, sollte gleich zu Beginn angemerkt werden, dass der Titel des Buches »Ich zeig's Euch« irreführend ist. Wer damit rechnet, dass – wie es bei den Leipziger Kinderführungen der Fall ist – Kinder hier anderen Kindern etwas zu Kunstwerken erzählen, wird enttäuscht. Viel eher wurden Kinder zu Kunstschaffenden und ihren Werken begleitet und durften den Künstlern Fragen stellen. Alles weitere, was bis zur Veröffentlichung des Buches mit diesem geschah, scheint durch Erwachsenenhände gegangen zu sein.

Blättert man das Buch ein erstes Mal durch, bietet sich das folgende Panorama: In den einzelnen Künstlern zugeordneten Abschnitten finden sich Photographien ihrer Werke, hier auch eines Ateliers, dort einer musealen Umgebung, gern einmal mit den Künstlern selbst und den sie besuchenden Kindern. Darauf folgen in großformatiger und seitenbeherrschender Weise die Fragen der Kinder und die Antworten der Künstler in serifenloser Schrift auf einfarbigen Hintergründen: Blau, Rot, Grün, sogar ein blasses Violett findet sich. Zusatztexte zwischen den einzelnen Abschnitten versuchen darüber hinaus nahezu, den Leser mit einer Flut simpler Fragen zur Auseinandersetzung mit dem Aufgeschlagenen zu zwingen. Und aus der nackten Unruhe stellt sich nach einem ersten Durchblättern die Frage, für wen dieses Buch eigentlich gedruckt worden ist.

Gewiss, hier sollen Kinder an Kunst herangeführt werden: nicht durch Erklärungen, sondern durch eigenes Erfahren, durch eigene Assoziationen. Ein explizites Anliegen lässt sich jedoch im Buch selbst nicht finden, außer dass dem Leser »sieben Arbeiten von sechs Künstlern und einer Künstlerin« vorgestellt werden sollen. Auch dadurch, dass die Herausgeber sich für das Duzen des Lesenden entschieden haben, mag deutlich werden: Es handelt sich um ein Kinderbuch.
Kinder an Kunst heranführen zu wollen ist sicherlich ein schwieriges Unterfangen. Vor allem dann, wenn man sich für ›moderne Kunst‹ entschieden hat. Velázquez Belagerung von Breda aus dem 17. Jahrhundert dürfte für Kinderaugen auf den ersten Blick mehr zu bieten haben als beispielsweise die im Buch befindlichen Abbildungen von Ulf Puders Holzschafen mit Schwimmringen. Genau deshalb ist es den Mitarbeitern und Herausgebern durchaus erst einmal hoch anzurechnen, sich an diesen Gegenstand gewagt zu haben. Es drängt sich einzig die Frage auf, inwiefern der von ihnen gewählte Weg ein produktiver sein kann.

Es gibt keine eindeutige Eingrenzung der Zielgruppe und ›Kinder‹ sind eine sehr große Gruppe, die in verschiedenen Altersstufen sehr verschieden agieren, denken und verstehen. Für dieses Buch ließe sich keine bestimmte Altersgruppe definieren. Positiv formuliert könnte man sagen, es ist also für jeden etwas dabei. Eher scheint es allerdings so zu sein, dass es für kein Kinderalter wirklich kindgerecht sein kann.

Die Idee, den Lesern das Erfahren der Kunstwerke selbst zu überlassen, ist keine schlechte. Leider wird dieser Ansatz dadurch unterlaufen, dass das gesamte Buch in einer Art gestaltet worden ist, die immer wieder und an allen Ecken zur Assoziation auffordern soll. So gibt es beispielsweise keine Seitenzahlen. Die Schrift variiert auf vielen Seiten stark in ihrer Größe, wird wild und unterschiedlich eingezogen oder versetzt. Die Zusatztexte versuchen vehement, Denkimpulse aus der Lebenswelt des Kindes zu verteilen: Schau doch hier, sieh doch da – und: Warum denn das? Ist dir dieses auch schon aufgefallen? Kennst du das nicht auch? Hinzu kommen die Interviews der Künstler, in denen immerhin Kinder die Fragen stellen durften. Hier folgt schon mal auf die Feststellung, dass auf jenen Bildern wenig zu erkennen sei, der freundliche Hinweis, länger hinzuschauen. Oder es wird auf einer der gut 21x26cm großen Seiten schlicht die Frage »Fahren Sie Ski?« erschöpfend mit »Ja.« beantwortet. Wer will hier wen zu was anregen?

Es scheint, wirft man einen abschließenden Blick aufs Ganze, dass das Buch sich an sich selbst verschluckt hat. Ein schwieriger Gegenstand wurde mit einer guten Idee viel zu ambitioniert in Szene gesetzt. Statt Künstler und ihre Werke wie angekündigt vorzustellen und einen Rahmen in Buchform zu geben, sich damit in einer selbst gewählten Art auseinanderzusetzen, irritieren Format, Darstellungsweise, Farbgebung und letztlich auch die Texte mehr, als dass sie helfen. Kinder scheinen hier nicht Kunst entdecken zu dürfen, sondern unter allen Umständen entdecken zu müssen, und daher ist zu befürchten, dass »Ich zeig's Euch« ein unbeachteter Regalhüter im Kinderzimmer wird, statt einer ersten Heranführung an die Welt der Kunst und Künstler.

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