Buchrezensionen

Irme Schaber: Gerda Taro, Fotoreporterin. Mit Robert Capa im Spanischen Bürgerkrieg. Die Biografie, Jonas Verlag 2013

Frau, Kommunistin und Jüdin – ein dreifaches Stigma, um in Vergessenheit zu geraten? Mit ihrer jüngst im Jonas Verlag erschienenen Gerda-Taro-Biografie widerlegt Irme Schaber diese Mutmaßung. Denn sie zeigt, wie ergiebig und bereichernd für Wissenschaft und interessiertes Publikum die Beschäftigung mit einer der Pionierinnen der fotografischen Kriegsberichterstattung ist. Verena Paul hat die umfangreiche Publikation für Sie gelesen.

Da liegt der mächtige Band »Gerda Taro – Fotoreporterin« nun schweigend vor mir auf dem Tisch und scheint ungeduldig auf die Lektüre zu warten. Zunächst aber durchblättere ich flüchtig die Seiten, picke mir einzelne Porträtaufnahmen Gerda Taros oder deren fotografische Arbeiten heraus und beginne schließlich mit der Erkundung der Welt zwischen den Buchdeckeln. Dabei werde ich mit jedem Kapitel, jedem Abschnitt und jedem Satz in die bewegte und bewegende Lebens- und Schaffensgeschichte einer humorvollen und entschlossen agierenden Frau gesogen.

Im ersten Kapitel stellt Irme Schaber die jüdische Familie Pohorylle vor, berichtet in den darauffolgenden Teilen über Gerta Pohorylles (so der bürgerliche Name Gerda Taros) Kindheit, ihre Jugend, das Erwachsenwerden, die erste Liebe sowie die Konfrontation mit dem Antisemitismus und die anschließende Übersiedlung nach Paris. Dort begegnet die vierundzwanzigjährige Gerta Pohorylle dem ungarischen Fotografen André Friedmann (alias Robert Capa), mit dem sie später eine private und berufliche Beziehung haben wird.

Ins Zentrum rückt die Autorin in ihrer Biografie Gerda Taros fotografisches Wirken im Spanischen Bürgerkrieg, in welchem die quirlige junge Frau auf tragische Weise ihr Leben lassen wird. Der Blick auf die Rezeption ihres Werks verdeutlicht schließlich, welch große Bedeutung dem wieder aufgetauchten ›Mexikanischen Koffer‹ mit mehr als 800 Kleinbildnegativen zukommt. Denn durch das sich darin befindende Bildmaterial ist Gerda Taro, wie Schaber resümiert, »im fotografischen Kanon etabliert: Als erste Frau, die direkt im Gefecht fotografierte, als erste Kriegsfotografin, die bei der Arbeit getötet wurde, als wegweisende Pionierin, die die fotografische Kriegsberichterstattung markant beeinflusste.«

Neben dem historischen Hintergrundwissen, das in wohl dosierter Form einfließt, erhalten die Leserinnen und Lesern außerdem Informationen zu Techniken (warum Taro etwa eine bestimmte Kamera präferierte) und werden für den ganz eigenen Stil der Fotografin sensibilisiert. Deutlich zeigt sich dies bei der Gegenüberstellung von Gerda Taros und Robert Capas Arbeiten, die das gleiche Motiv zum Gegenstand haben. Die Gemeinsamkeit ihrer Fotografien, so Schaber, besteht primär darin, dass »Gesten, Haltungen und Handlungen nahezu isoliert im Bild« stünden. Im Zuge dessen steigere die »fast scherenschnittartige Kargheit […] die emotionale Aussagekraft«, wobei »Ängste und Hoffnungen, die sie mit den Menschen vor ihrer Kamera teilten, in der Momentfixierung sichtbar« würden und sich genau darin die »Grammatik ihrer Bildsprache« artikuliere. Dieses Eingebundensein in die Ereignisse und die Nähe zu den Menschen vor der Linse verleihen den Werken Gerda Taros eine besondere Tiefe, denn sie erheben eine politische Anklage gegen den Krieg. Gleichzeitig schuf die Fotografin ästhetische, einprägsame Miniaturen (zum Beispiel von einzelnen bewaffneten Frauen oder Gruppen), »betonte und rhythmisierte ihre Silhouetten, verlängerte gekonnt die Blickachsen ins Offene und erreichte damit eine große Klarheit und Anschaulichkeit.« Auf diese Weise konnte Gerda Taro »der Verherrlichung des militärischen Einheitskörpers und idealtypischer Kämpfer in der totalitären Kunst beharrlich ihre Bilder aus dem realen Krieg« wirkungsvoll entgegensetzen.

Fazit: »Gerda Taro fotografierte am Nerv der Zeit«, diagnostiziert Irme Schaber bereits in ihrer Einleitung und fügt erklärend hinzu: »Ihre Metamorphose vom Nazi-Flüchtling zu einem Prototypen des modernen Fotojournalismus im ersten Bombenkrieg auf europäischem Boden geschah im Spannungsfeld von eigener Erfahrung und Öffentlichkeit. Ihre fotografischen Berichte waren ein Votum für eine andere Politik. Die Welt sollte nicht wegsehen.« Gerda Taros Berufs-Ethos, die Entschlossenheit und der Mut sowie ihre markante Bildsprache, die in der vorliegenden Publikation eine wunderbare Würdigung erfahren, werden die Leserinnen und Leser ganz sicher faszinieren. Durch reichhaltige Informationen zum historischen Kontext, zu Taros Leben und Werk sowie durch anschauliches Bildmaterial, eine klare Struktur und die ausgewogene, leserfreundliche Sprache versteht der im doppelten Sinne gewichtige Band zu überzeugen. Daher möchte ich diese Biografie mit dem Prädikat ›absolut lesenswert‹ versehen und Ihnen uneingeschränkt empfehlen!

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