Buchrezensionen

Irmgard Siede, Annemarie Stauffer (Hg.): Textile Kostbarkeiten staufischer Herrscher. Werkstätten – Bilder – Funktionen, Imhof Verlag 2014

Geht es um mittelalterliche Kunst, stehen zumeist Architektur, Buch- und Glasmalerei oder Altarbilder im Vordergrund. Web- und Textilkunst interessieren scheinbar nur Restauratoren und die Besitzer solcher Schätze. Was es in diesem Bereich zu entdecken gibt, zeigt der vorliegende Tagungsband über die »textilen Kostbarkeiten« der staufischen Herrscher. Stefanie Handke hat reingeschaut.

Entstanden ist das Werk im Umfeld der großen Stauferausstellung in den Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim. Es versammelt die Beiträge zur gleichnamigen Tagung. Den Anstoß dazu gaben unter anderem die Restaurierungsarbeiten an einigen der ausgestellten Textilien und die Erkenntnis, hier ein Forschungsdesiderat vor sich zu haben. Drei Themenkomplexe widmeten sich dabei unterschiedlichen Textilien: Stücke aus normannischen und staufischen Textilwerkstätten in Sizilien wurden untersucht, ebenso Textilien aus Werkstätten nördlich der Alpen und die Textilreste aus dem »Cappenberger Barbarossakopf«.

Im ersten Komplex widmen sich Katja Schmitz-von Ledebur und Milena Bravermanová verschiedenen Textilkomplexen. Schmitz-von Ledebur beschäftigt sich in ihrem Beitrag mit den Krönungsgewändern auseinander, die ursprünglich aus Werkstätten in Palermo stammen, dank der Staufer ihren Weg über die Alpen fanden und heute in Wien lagern. Diese beeindrucken durch ihre Pracht und einige Besonderheiten, etwa arabische Gewandinschriften, die eine enge Verbindung Siziliens zum arabischen Raum belegen, aber auch altorientalische Motive. Ihre Verwendung im Zusammenhang mit Herrscherkrönungen und ihre wohl bewusst so gewählte Ausführung führt die Autorin auf ein Propaganda-Programm der Herrscher zurück. Im Gegensatz zu diesen prächtigen Kleidungsstücken müssen die von Bravermanová untersuchten Fragmente und Textilreste etwas zurückstehen, jedoch bilden auch sie dank ihrer Motivik und ihrer Webtechnik ebenfalls eine Verbindung zum byzantinischen Raum, lassen nur leider die Frage offen, wie sie in ein Prager Klerikergrab gelangen konnten. Beide Textilgruppen verdeutlichen aber eindrucksvoll den Versuch, sich in die Tradition der orientalischen Herrscher zu stellen.

Nachdem diese ersten beiden Beiträge den Bereich südlich der Alpen untersucht haben, widmen sich die folgenden Kapitel Textilien aus dem Deutschen Reich. Gleich zwei Autoren beschäftigen sich mit der berühmten Chape de Charlemagne. Die bietet im wahrsten Sinne des Wortes einigen Erzählstoff: Denn der Name ist irreführend, handelt es sich bei dem Stück doch um eine Arbeit, die unmittelbar im Umfeld Friedrichs II. entstand. Seine Metallfaden- und Seidenstickerei zeigt vier nimbierte Adler und zahlreiche kleine Jagd- und Rankenmotive und verbindet so den staufischen Adler mit byzantinischen Motiven – ist also ebenfalls ein Propaganda-Objekt par excellence. Elke Michler stellt ihrer detaillierten Untersuchung zu Bildmotivik und Bearbeitungstechnik des Mantels dankenswerterweise eine Materialanalyse an die Seite. Die Verarbeitung des Mantels legt auch hier die Herkunft aus den palermitanischen Werkstätten nahe, breitet aber sonst im wahrsten Sinne des Wortes den Mantel des Schweigens über die Details ihrer Fertigung.

Fragen zur Motivik stellt auch Claus-Peter Haase: Sein Thema sind islamische Motive und ihr Transfer in die westliche Welt. Vor allem die in byzantinischen Werkstätten verwendeten Motive offenbaren deutlich ihren altorientalischen und islamischen Ursprung. Anhand der drei Beispiele Adler, Falke und Papagei untersucht der Autor die Übertragung dieser Tiere in den christlichen Kontext, der sich oft nur auf die äußere Ebene bezog, während sich Deutungsmuster und Symbolik veränderten. Zugleich rückt er eine weitere Besonderheit der Chape de Charlemagne in den Blick: Die hierauf abgebildeten nimbierten Adler finden sich in dieser Form zuvor nicht und stellen eine Neuerung dar; auch die »Ohren« der Tiere verweisen auf neue Deutungsmuster und den besonderen Status dieser kaiserlichen Vögel.

Doch nicht nur so prächtige Stücke wie Krönungsgewänder und Herrschermäntel können eine spannende Geschichte erzählen: Mehrere gestickte Besätze, die in einem Klerikergrab des Mainzer Doms gefunden wurden, erlebten nach einer ersten Restaurierung so einiges. Die nämlich verlief nicht unproblematisch und im Zuge der Stauferausstellung durften Leihgeber und Kuratoren feststellen, dass die Lagerung der Stücke zu Schimmel geführt hatte, den es nun zu bekämpfen galt, um die Stücke dann – dieses Mal hoffentlich erfolgreich – erneut einzutüten und auszustellen. Im Rahmen der Arbeiten durchgeführte Materialanalysen erhellen zudem die Geschichte der Gewebe: Ihre Motive – Adler – und ihre Verarbeitung – sie sind ebenfalls mit Metallfadenstickerei versehen – deuten auf eine Umnutzung hin; auch ein Vergleich mit den Stickereien auf dem Metzer Mantel und anderen Herrschergewändern lässt darauf schließen, dass sie ursprünglich im Umfeld der staufischen Kaiser entstanden und ihren Weg erst im Laufe der Zeit nach Metz fanden.

Wie so etwas vonstatten ging, untersucht Jan Keupp: Das Schenken abgelegter Kleidungsstücke war nämlich nicht einfach nur eine Gunstbezeugung oder ein Almosen, sondern hochbedeutsam – je nachdem, wer wem wann was schenkte. Und: Was ursprünglich eine freiwillige Gabe war, wurde zur Institution. Mit solchen funktionalen Aspekten staufischer Textilien setzt sich auch Irmgard Siede auseinander. Form, Farbgebung, Motivik staufischer Herrschermäntel erzählen nämlich mehr als man denkt über die Tragweise und Verwendung der Kleidungsstücke. Ganz nebenbei bilden Siegel, Münzen und Buchmalereien, ebenso die Mäntel selbst Veränderungen in der Mode ab: Den Wandel vom römischen pallium zum Tasselmantel. Die beiden Autoren schaffen es damit, die Textilforschung nicht nur für die Kunstgeschichte, sondern auch die Mentalitätsgeschichte nutzbar zu machen.

Der letzte Abschnitt widmet sich einem besonderen Komplex: Dem Cappenberger Barbarossakopf. Er selbst ist zwar keine textile Kostbarkeit, enthält aber zahlreiche textile Reliquienhüllen – und ist natürlich selbst ein Schatz. Vier Autoren beleuchten die historischen Grundlagen des Stifts Cappenberg und seiner Umgebung in der Stauferzeit, seine Verwendung als Reliquiar und schließlich die textilen Reliquienhüllen, die die dem mittelalterlichen Kloster so kostbaren Gegenstände bargen und heute selbst kleine Kostbarkeiten sind. Das hierin schon angedeutete Spannungsfeld zwischen religiöser Bedeutung der Stücke und Maßnahmen zu ihrer sicheren Aufbewahrung führte im Übrigen zu einem Disput zwischen Restauratoren und Kunsthistorikern, wo denn nun die Stöffchen aufzubewahren seien – sie lagern heute in einer Schublade der Vitrine, in dem sich der Kopf befindet.

Das Reliquiar erzählt ebenfalls eine Geschichte der Umnutzung und ist selbst Beispiel für die funktionalen Aspekte mittelalterlicher Kunst – erst als Abbild Friedrichs I. geschaffen, erweiterte sich seine Bedeutung um die des Reliquiars. Mehr oder weniger umfangreiche Inventarlisten aus verschiedenen Jahrhunderten geben Auskunft über die in ihm enthaltenen Reliquien und zum Teil auch über die sie umschließenden Beutelchen, Phiolen Dosen und Tücher. Besonders das Reliquienkästchen mit dem Seidenstoffbezug sticht hervor, ihm gesellen sich neben zwei Phiolen, zwei Reliquienbeuteln und einer Tasche zahlreiche Gewebefragmente und Bündel hinzu. Elke Michler stellt einen Katalog dieser Stücke und berichtet von ihrer Inventarisierungsgeschichte.

Annemarie Stauffer schließlich beschäftigt sich mit der Herkunft der Stoffe, die sie anhand der Webtechnik und der Musterung zu ergründen sucht. Sie unterscheidet drei große Gruppen: Byzantinische Stoffe des 11. und 12.Jh., spanische Textilien des 12. und 13. Jahrhunderts sowie Reliquienbehälter aus dem 14.Jh., die wohl in regelrechter Serienproduktion in der Gegend um Cappenberg entstanden. Lediglich eine Reliquie und ihr Behältnis, ein Seidenband, stammen aus dem 17. Jahrhundert und sind damit in einem anderen Kontext einzuordnen. Stauffer kommt von diesem Befund ausgehend zu dem Schluss, dass der Bestand des Cappenberger Barbarossakopfs ein gewachsener ist und jeweils ein ganzes Konvolut Reliquien hinzugefügt wurde. Da über den Verbleib der in den Gewebefragmenten und Behältern aufbewahrten Reliquien nichts bekannt ist, helfen die Textilien, die Geschichte der Reliquien bis zur Öffnung des Kopfes nachzuvollziehen. Auffällig ist dabei die Korrespondenz zwischen wichtigen Daten der Klostergeschichte und historischer Einordnung der Gewebe. Auch hier ist die Textilgeschichte also Hilfe für die klassische Geschichtswissenschaft und beweist, welche Chancen sie bietet.

Das recht eng gefasste Thema des Sammelbandes – die Textilwerkstätten der Stauferzeit in Sizilien – wirft ein echtes Schlaglicht auf Textilproduktion und Funktionalität von Stoffen und Gewändern der Zeit. Sicher, das ist äußerst speziell, wird jedoch durch gut gewählte Vergleichsbeispiele einigermaßen wettgemacht. Angenehm ist die enge Verbindung kulturhistorischer und funktionaler Aspekte mit Fragen der Handwerkskunst und Ausführung der besprochenen Gewebe und Kleidungsstücke. Dank der Konzentration auf drei große Themenkomplexe können die Autoren jeweils verschiedene Aspekte der Kunst- und Kulturgeschichte beleuchten und verlieren sich nicht in einem recht speziellen Mikrokosmos, sondern ermöglichen die Einordnung in einen größeren Kontext. Da die Textilforschung jedoch immer noch ein exotisches Feld ist, bleiben die Aufsätze ganz interessante, aber ein wenig einsam dastehende Betrachtungen – nicht umsonst äußern die Autorinnen im Vorwort selbst die Hoffnung auf weitere Forschungen.

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