Ausstellungsbesprechungen

Jacob Hashimoto – Sky Columns, Schauwerk Sindelfingen, bis 7. September 2014

Erstmals ist eine von Jacob Hashimotos Installationen in Deutschland zu sehen. Der US-amerikanische Künstler mit japanischen Wurzeln hat im Schauwerk Sindelfingen mit den »Sky Columns« ein geradezu utopisches Projekt verwirklicht. In Venedig baut er derzeit eine weitere seiner Installationen auf. Gudrun Latten hat die Himmelssäulen aus der Nähe betrachtet.

Himmelssäulen – was für ein starker Ausdruck! Wie mögen sie bloß aussehen? Unwillkürlich blickt man in die Höhe, folgt mit den Augen den scheinbar endlosen Reihen aus Kreisen und Quadraten bis sich die Säulen in einer Höhe von fünfzehn Metern nahezu im Nichts verlieren.

Ein rätselhaftes weißes Meer aus Kreisen und blauen Quadraten wiegt sich in dem ehemaligen Hochregallager der Sammlung Schaufler. Kaum merklich bewegen sich die 11.000 Kreise und Quadrate aus japanischem Papier und Bambusgestänge. Glaubt man dem Titel der Installation, so ragen diese Säulen bis in den Himmel, tragen den Himmel. Der Gedanke an Ken Follets Roman »Die Säulen der Erde« kommt auf. Spielt der Titel des Romans auf mittelalterliche Säulen an, die noch heute ganze Kirchen tragen, so schweben die »Sky Columns« frei über dem Boden.

Die Säulen Hashimotos sind der Phantasie entsprungen, nur scheinbar Architektur. Man denkt an Piranesis Capricci, an dessen Scheinarchitekturen. Ähnlich verhält es sich mit den Himmelspfeilern Hashimotos. Auch diese bilden ein beeindruckendes Schauspiel, doch ohne Funktion, eine reine Kulisse. Sie sind nicht anders geplant. Oder sollen etwa vom Himmel aus die Fäden gezogen werden?

15 Meter, 7 Säulen mit blauen Quadraten, 21 Säulen mit weißen Kreisen, ungefähr 11.000 Papierelemente, 22 Papierscheiben aneinandergereiht auf jeder der Schnüre und 18 Ketten je Säule. Dieser Installation sind viele Geheimnisse eigen, viele Perspektiven sind möglich und intendiert. Eine Rampe windet sich in dem ehemaligen Hochregallager der Sammlung Schaufler im Kreis empor, um die Himmelssäulen herum, nähert sich scheinbar dem Himmel an. Oft wechselt der Blickwinkel – diese Installation muss umgangen werden.

Hashimotos Installationen schwanken zwischen Malerei, Architektur und Skulptur. Ein flacher Vorhang aus Papier, von Hand gemacht, drei Schritte weiter oder nach rechts, ein dichter Säulenwald. Die Installation hat nahezu zahllose Ansichten und Facetten. Sie kann sowohl flach wie ein abstraktes Gemälde sein als auch begehbare Architektur oder umgehbare Skulptur, auch wenn Hashimoto den Vergleich zur Skulptur scheut. Die Installation greift in den Raum ein, verändert ihn. Die Reihung der Einzelteile, die strenge Wiederholung der Form weckt Assoziationen zur abstrakten Malerei. Das Material und die Technik sind ausschlaggebend für die Uniformität. Diese konsistente Ordnung der Installation wird gestört von ihrer eigenen Beweglichkeit. Eine fragile Ordnung, die leicht aus der Form gerät.

Unaufdringlich durchziehen blaue Diagonalen aus Quadraten in unregelmäßigen Abständen die Anordnung. Kaum merklich ist Hashimoto von klarer Geometrie und strenger Ordnung abgewichen. Ein Capriccio? Oder ist es, um mit Rudolf Arnheim diese Regelabweichung zu erklären, die unberührte Ordnung eines Kindes? Es scheint sich um ein begehbares Raumornament mit einer ganz eigenen, künstlichen Ordnung zu handeln.

Die Installation strahlt Ruhe und Harmonie aus. Die Einheit in der Vielheit dieser Anordnung ist spätestens seit Francis Hutchesons »Inquiry into the original of our ideas of beauty and virtue« eines der wesentlichen Merkmale von Schönheit. Bei Pflanzen waren es die kleinsten Teile, die Kapillaren, deren göttliche Ordnung Schönheit ausstrahlte. Die Architektur besticht seit Vitruv vor allem durch ihre Symmetrie und Proportion. Mathematische Verhältnisse, Wiederholung und die Einhaltung von Regeln sind seit jeher ein Garant für Schönheit. Kein Wunder, diese Installation gefällt! Wie durch einen Wald kann man auf dem Boden wandeln, mal scheinbar undurchdringlich, mal lichtet sich das Dickicht.

Die »Sky Columns« lassen verschiedene Assoziationen zu. Man denkt an riesige, säulenartige Gesteinsformationen in den USA und in China oder auch an Wolkentürme. Die Installation ähnelt einem schwerelosen Blütenmeer, den Schötchen eines einjährigen Silberblattes oder den Blättern einer Espe, vereinheitlicht und geometrisiert, denn abstrakt sind seine Arbeiten. Ein zarter Hauch von Nichts nimmt den Raum ein, als sei die Luft von Blüten des japanischen Kirschbaumes durchflutet. Phantastische Landschaften zeichnen sich in diesem Gefüge ab. Der Zusammenhang zwischen Landschaft und Abstraktion wird nun deutlich. Es ist ein gigantischer, uniformer Pointillismus, der uns auf japanischem Papier und reduziert auf die Farben Weiß und Blau gezeigt wird.

Hashimoto zeigt uns das Bild einer fremden, rätselhaften Welt, von der Tradition geprägt, scheinbar voller Rituale und Anmut. Die Erinnerung an seine Kindheit in den USA und die japanische Tradition vermischen sich. Die einfachen, handwerklich gefertigten Säulen scheinen Geheimnisse zu bergen, tragen sie doch angeblich das Himmelsgewölbe, Atlanten in der Architektur vergleichbar. Futuristisch, traditionell, fremd, vage vertraut, zurückhaltend, höflich, leicht und raumfüllend hängen diese Säulen im Raum.
Nicht zufällig hat Hashimoto den schnell- und hochwachsenden Bambus für diese Installation gewählt. Die Pflanze scheint sich für den Bau von Himmelssäulen zu eignen. Die Anfertigung der Scheiben muss in einer Art kontemplativen geistigen Zustand erfolgt sein. Einer solch meditativen Tätigkeit wohnen Ausdauer und Tugendhaftigkeit inne. Die Scheiben sind an schwarzen Fäden aufgereiht, die Abstände werden durch die Anordnung der Bambusstäbe um die Schnüre gewahrt. Die blauen Quadrate sind mit Holz bedruckt. Ein weißer Kreis wird dabei ausgespart. Es sind einfache Techniken.

Dem zurückhaltenden Ensemble aus Blau und Weiß stehen zwei Arbeiten in bunten Farben an den Stirnseiten des Raumes gegenüber. Die Farbe verleiht selbigen einen gänzlich anderen Charakter. Die hervorstechenden Ornamente stehlen dem zurückhaltenden weißen Zentrum nahezu die Show. Fast täuscht die Leichtigkeit und unaufdringliche Höflichkeit der Installation über deren gehaltvolle Dichte an japanischer Tradition hinweg, denn geistreich sind sie, diese Himmelsträger. Durch die Muster und das Material scheint man zurückzublicken auf eine jahrtausendealte Kultur, mit klaren Sitten und strengen Bräuchen. Die langsame Handarbeit, übergegangen in 11.000 Kreise, Quadrate und deren Hängung, sind in der Anordnung noch spürbar gegenwärtig.

Der Weg zum Himmel hinauf ist mit Ornamenten gepflastert. Ein geheimnisvolles, unbekanntes Ritual scheint diesem Weg eigen zu sein. Man denkt an die japanischen Drachen und an kindlisches Spiel. Es bleibt unklar, ob es einer alten, unbekannten Tradition entsprungen ist oder dem Kult einer futuristischen Zivilisation. Von Schriftzeichen, die einst in den Quadraten der Säulen − oder sind es doch Druckspalten? – vorhanden gewesen sein könnten, ist nichts mehr zu erkennen.

Die »Sky Columns« erinnern an Anish Kapoors »Sky Mirror«, ein ähnlich großartiges Projekt. Die Ideen, welche Anish Kapoors Arbeiten innewohnen, ähneln denjenigen von Jacob Hashimoto. Beide Künstler nehmen Aufgaben in Angriff, die an Größenwahn grenzen. Man geht davon aus, dass diese kosmischen Ereignisse, Architekturen und Apparaturen in den Skulpturen und Installationen nachgebildet, erfunden oder gebaut werden. Die »Sky Columns« konnten offensichtlich nur als fünfzehn Meter hohe Miniatur gebaut werden − sei es dem Raum oder diesem gigantischen Vorhaben selbst geschuldet.

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