Ausstellungsbesprechungen

Japan und der Westen, Die erfüllte Leere

Das Thema ist – salopp gesagt – eine sichere Bank und spannend obendrein. Paul Klees kleines Ölbild »Schwarze Zeichen«, 1938 unter wahrhaft düsteren Vorzeichen: dem Vorabend des Krieges, hat so gar nichts zu tun mit jenem japanischen Keramikscherben aus dem 17./18. Jahrhundert, der zu einer Schale wieder verklebt wurde.

Und kaum stellt man beide in eine kontextbezogene Nachbarschaft, beginnt diese prickelnde Anverwandlung, diese gegenseitige, unaufhaltsame Verschmelzung. 

Der Ausstellungsmacher Markus Brüderlin, der mit der dialogischen Kulturarbeit im Museumsbereich bereits gute Erfahrungen gemacht hat, baut in Wolfsburg ganz auf das Rezept des Gegenübers – und die Dialogpartner eignen sich zu Traumgespannen: auf der einen Seite die Gedankentiefe des Zen-Buddhismus, die uralte Tradition der Kalligrafie und die sozusagen aktive Lebens-Kunst zwischen Textilkult und Teezeremonie, auf der anderen Seite die Garde der modernen Kunst –

Carl Andre, Beuys, Bissier, Byars, Cage, Geiger, Judd, Klee, Yves Klein, Newman, Ad Reinhardt, Ryman, Twombly und andere mehr.

 

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Einen der gelungensten Dialoge führen eine Nô-Maske und Wolfgang Laibs »Fünf unbesteigbare Berge« – die symbolische Form eines Gesichtes, die allenfalls eine fingierte Sprache haben kann, und eine Inkunabel des Scheiterns, die Fiktion von Bergen, die allein der Geist erklimmen kann. Das sind Eindrücke, die das menschliche Dasein auf lapidare Weise virulent machen.

 

Freilich, sofern sich die westlichen Künstler explizit mit der asiatischen Kunst befasst haben, wie im Fall Bissier oder vieler Minimalisten, drängt sich der Vergleich auf. Doch auch da, wo das moderne Lebensgefühl der erfüllten Leere (so der Untertitel der Ausstellung) ganz aus sich selbst heraus entsteht, liegt die Begegnungskompetenz nahe. Plötzlich sind die fernen Verwandten um die Ecke und die Welt rückt auf Tuchfühlung zusammen – eine angenehme Art der Globalisierung. Wo man hingreift und sei es – östlich gesprochen – ins Nirwana oder – westlich gesprochen – ins Nichts, wo immer man den fernöstlichen Klang der meditativen Leere mit dem heideggerschen »Geläut« der Stille in einer Schwingung vereint, laufen dem Betrachter der Schau wohlige Schauer über den Rücken. Da spielt es keine Rolle, wenn ganz und gar nicht alles, was sich in der westlichen Kunst transzendent gibt, auch ein spirituelles Kreativzentrum besitzt – so mancher Minimalist will eben nichts anderes als eben minimalistisch-reduzierte Kunst machen. Andrerseits machten Künstlergruppen wie die fast schon legendäre ZEN-Truppe um Geiger & Co keinen Hehl um die Bezugsquelle.

 

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Mit einer gewissermaßen selbstironischen Überspitzung wagt man im Museum Wolfsburg die These, dass »die Ästhetik der westlichen Moderne in ihrer Essenz eigentlich nichts anderes ist, als eine stete Annäherung an die traditionelle japanische Kultur der Leere – der erfüllten Leere«. Unterstrichen wird dies auch durch die Begleitausstellung von Fotografien der japanischen Großmeister Araki, Miyamoto und Sugimoto (bis 24.3.2008). Dass man über den genussvollen Strom malerischer oder fotografischer Positionen hinaus schließlich sogar konträre Bildwelten in Harmonie vereint sieht, tut innerhalb unsrer Alltagshektik gut: Als »Reflex des einen Auges im anderen« stehen etwa Aufnahmen von Teehäusern einem Modell des Bauhauses gegenüber. Alles in allem ist es eine sensationelle Ausstellung, die uns erlaubt, innerhalb einer raffiniert durchdachten Kojenarchitektur dem zu frönen, was sonst eben nur in Asien einen festen Platz im Leben hat: dem Nichts.




Öffnungszeiten

Mittwoch bis Sonntag 11-18 Uhr

Dienstag 11-20 Uhr


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