Buchrezensionen

Joachim Knape: Was ist ein Bild? Ein Kunstgespräch im Atelier Friedrich mit dem anwesenden Herrn Goethe, Harrassowitz Verlag 2016

»Zu Friedrich. Dessen wunderbare Landschaften. Ein Nebelkirchhof, ein offenes Meer.« Nichts mehr notierte Johann Wolfgang von Goethe nach seinem Zusammentreffen mit dem Maler Caspar David Friedrich. Das lässt Raum für Spekulationen, was die beiden Herren denn diskutierten. Joachim Knape füllt die Leere mit seinen Gedanken zum Treffen und es entspinnt sich ein Kunstgespräch im besten Sinne. Stefanie Handke ist den Ausführungen Goethes und Friedrichs gefolgt.

Die Tradition des Kunstgesprächs lässt der Professor für Rhetorik in Tübingen, Joachim Knape, mit einem kleinen Bändchen wieder aufleben: Das Kunstgespräch. Als Anlass dient ihm dabei die Begegnung zwischen Johann Wolfgang von Goethe und Caspar David Friedrich in Dresden am 18. September 1810. Über die wissen wir nicht mehr als das, was der Geheimrat in seinem Tagebuch notierte: »Zu Friedrich. Dessen wunderbare Landschaften. Ein Nebelkirchhof, ein offenes Meer.«

Das nutzt Joachim Knape für eine Fantasie, aber auch einen gelehrten Diskurs über das Bild-Problem. Kein Wunder also, dass der schmale Band mit einem »Ich stelle mir vor« beginnt«. Der Autor lässt den Dichter eher als geplant im Haus des Malers eintreffen, sodass er die Gelegenheit bekommt, dem Meister bei der Arbeit zuzusehen. Dort sieht er das, was Georg Friedrich Kersting 1812 auf Leinwand bannte: Friedrich wie er in seinem Atelier vor der Leinwand steht, regungslos, angestrengt auf die Fläche blickend. Nachdem man sich begrüßt hat, geht er nachsehen, was den Blick des Malers gebannt hat – und steht vor einer leeren Leinwand. Die Verwunderung ist groß, doch Friedrich erklärt, dass das Bild bereits vor seinem inneren Auge besteht – und zieht gleich zu Beginn eine wichtige Verbindungslinie zwischen Malen und Schreiben. Er, der Maler müsse das fertige Bild mit seinen Malwerkzeugen nur noch notieren.

So entspinnt sich ein Diskurs über die Natur des Bildes, des Bildlichen an sich. Goethe nämlich vertritt die Auffassungen, dass sich ja in Bildern nur das Sichtbare fangen könne – einmal geschautes werde lediglich übersetzt, ja selbst symbolische Elemente fänden ihre Entsprechung in der sichtbaren Welt. Dem widerspricht der Künstler Friedrich freilich und vertritt da eine andere Auffassung; er erkennt auch eine höhere Wahrheit in der Kunst. Zugleich kritisiert er eine gewisse »Tyrannei der Sehgewohnheiten«, die wenig Raum für neue Ideen und Zugänge lasse und den Künstler in seiner Arbeit einschränke, denn im Grunde spielt ja auch eine Vision des Künstlers die Hauptrolle im Bild.

Diese Vision aber findet sich auch in der Zeichnung und selbst im ersten Strich auf dem Weg zum fertigen Bild – Friedrich nimmt da Goethe auf den Arm, wenn er einen einzelnen Strich setzt und diesen fragt, ob der denn nicht bereits einen Teil von dessen Bild sehe. Doch erst die verschiedenen Striche, die nach und nach auf ein Blatt oder eine Leinwand gesetzt werden. So kommt dem rein technischen Aspekt der symbolische hinzu: jedes Bildelement steht für eine bestimmte Sache. Und die Diskussion über das Bild einer Pfeife erinnert den Leser dann unwillkürlich an Magrittes Nicht-Pfeife, die Knape hier gekonnt in den Diskurs der zwei Herren in Dresden zitiert. Doch im Gegensatz zu Magritte, der damit provozieren, zum Nachdenken über das Phänomen Bild anregen wollte, sind sich die Herren einig: Das ist tatsächlich keine Pfeife, sondern nur deren Abbild, ein »Phantasma«.

Und so geht es weiter, wenn Goethe und Friedrich die grundlegenden Fragen nach dem Bild diskutieren: die Bedeutung konventioneller und neuer Bildzeichen, die Zusammensetzung eines Bildes aus verschiedenen Elemente, aber auch ein notwendiges Angebot an Sinnhaftigkeit sowie Symbolik, die dem Betrachter das Lesen des Bildes ermöglicht. So entsteht auch ein Dialog zwischen Künstler und Betrachter, wenn der Künstler sich in das Bildwissen des Betrachters hineinversetzen muss. Es geht fort und fort und dabei tauchen manche Gedanken, etwa wie die nach erlernten Bildkomponenten und Sinnzusammenhängen mehrfach auf – ganz wie in einem echten Gespräch.

Überhaupt gelingt Knape ein auf den Leser authentisch wirkendes Kunstgespräch zwischen zwei gelehrten, aber auch hoch angesehenen Herren im Jahre 1810. Die diskutieren ihre Zeitgenossen – etwa Philipp Otto Runge, Gottfried Quistorp, Alexander Humboldt – ebenso wie antike und vormalige Philosophen. Dem ganzen stellt Knape ein Nachwort zur Seite, in dem er einen kurzen Überblick zu den Diskussionen über die Bildtheorie von der Antike an bietet, ebenso wie eine kleine Geschichte des Kunstgesprächs. Auf diese Weise rundet er das Programm des Buches ab.

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