Ausstellungsbesprechungen

Joan Miró – Wandbilder, Weltenbilder, Schirn Kunsthalle Frankfurt am Main, bis 12. Juni 2016

Joan Miró ist zweifellos einer der faszinierendsten Künstler des 20. Jahrhunderts und erfreut sich bei Museumsbesuchern wie Ausstellungsmachern einer ungebrochenen Beliebtheit. Manche Aspekte seines Schaffens werden zuweilen aber gerne einmal vergessen, so auch seine Wandbilder. Umso erfreulicher ist es, dass die Schirn sich in diesen Tagen des Themas annimmt. Anna Quintus ist nach Frankfurt gefahren.

Große Bilder mit großer Wirkung und noch größerem Besucherandrang, so zeigt sich die Ausstellung »Joan Miró – Wandbilder, Weltenbilder.« in der Schirn in Frankfurt und konzentriert sich dabei hauptsächlich auf die großformatigen Werke des Künstlers, dessen Anspruch es eigentlich war die Kunst ermorden zu wollen. Und trotzdem oder vielleicht gerade deswegen gehörte er bereits zu Lebzeiten zu den größten Künstlern des 20. Jahrhunderts. Ihn kann man in keine Schublade stecken, man kann ihm keine der gängigen Ismen zuschreiben – er schaffte es stets autark, innovativ und freigeistig zu bleiben, ohne dabei je seinem permanenten Drang Neues und Unbekanntes aufzutun, abtrünnig zu werden. Seine dargestellten Sujets – fortdauernd in reduzierter Formensprache mit farbintensiver Ausrichtung – unterliegen ebenfalls einem experimentellen Drang, wie auch seine Suche nach neuen heterogenen Maluntergründen. So findet sich neben rohen Leinwänden eben auch unkonventionellere Malgründe wieder, wie Jute, Teerpappe oder Faserplatten.

Mich zog es nach Frankfurt, da auch ich zu denjenigen gehöre, die bereits in frühen Kindesjahren mit seiner Arbeit in Berührung kamen. Im Wohnzimmer meines Onkels thronte über der Couch ein Miró-Druck von dem ich mich nachhaltig angezogen fühlte. Seine poetische Bildsprache und die einfachen, reinen Formen, aber auch die fröhliche Farbintensität wirkten unbeschwert freizügig. Nicht ohne Grund sind viele dieser Drucke in Wohnzimmern und Arztpraxen wiederzufinden – die Werke scheinen sich bestens als Dekorationsware bzw. konsumierbares Bild zu eignen. Ob der kommerzielle Umgang mit seinen Arbeiten auch im Sinne des kreativen Katalanen war? Ich denke, diese Frage kann man ohne Zweifel mit ja beantworten. Bekanntermaßen war sein ausgeschriebenes Ziel, zumindest seit den 50er Jahren, Kunst für den öffentlichen Raum zu schaffen, um so für ein breites Publikum erfahrbar zu sein. Kunstobjekt und Publikum sollten miteinander interagieren, die strikte Trennung zwischen erhabener Kunst und Betrachter sollte aufgehoben und zurück in das alltägliche Leben geführt werde. Er wollte seine Kunst für alle zugänglich wissen und schuf Skulpturen, die sich heute in Parkanlagen oder vor Museen wiederfinden, etwa in Baden-Baden, Madrid oder Palma. Oder er schuf monumentale Keramikfriese wie sie heute am Wilhelm-Hack-Museum in Ludwigshafen am Rhein, am Kongresszentrum in Madrid oder eben auch am UNESCO-Hauptquartier in Paris zu sehen sind. Hierfür schuf er die Mond- und die Sonnenwand, deren bereits überdimensional angelegten Skizzen den Abschluss der Frankfurter Ausstellung bilden.

Doch tasten wir uns lieber chronologisch an die Frankfurter Schau heran und widmen uns zunächst dem Ausgangspunkt: Eröffnet wird diese mit einem Werk, dass man auf den ersten Blick wohl kaum Miró zuschreiben würde »Der Bauernhof« (1921/22). Dieses Gemälde zeigt das elterliche Landgut in Mont-roig del Campa. Beim Betrachten des Bildes hörte ich den Dialog zweier Besucherinnen. Diese kommentierten ihren Blick mit den Worten »das sieht aber nicht wie ein Miró aus, sondern vielmehr wie ein Dalí«. Diese Aussage beweist, dass Miró eine ganz bestimmte Bildsprache zugeschrieben wird – eine Erwartung, die bei diesem Bild keineswegs Erfüllung findet. Es zeigt vielmehr die Anfänge seiner Suche nach einer Formensprache. Das Bild ist trotz seiner Detailgenauigkeit geprägt von einer großen Flächigkeit. Seinen Fokus legte der Künstler dabei auf die Darstellung der einfachen Dinge des Lebens, hier im Besonderen des bäuerlichen Lebens. So malte er Eimer, Hacke, Beil, Gießkanne ... jedoch nicht in Benutzung, sondern vielmehr als bloßes, aber logisches, Beiwerk des Lebens auf einem Bauernhof. Besondere Aufmerksamkeit widmete er zudem der Wand des Hauses. Jeden noch so kleinen und unscheinbaren Riss, jeden Makel und jede Unebenheit hielt der Katalane fest und nutzte sie zur ornamentalen Gestaltung und Gliederung der Bildebene. Diese Reduzierung der einzelnen Formen, die Gliederung eines Bildes mittels Linien, die wirkten als wären sie Risse, bilden sich zu seiner Formensprache heraus. Eine Entwicklung, die binnen kürzester Zeit vollzogen wird, wie unverkennbar an den darauffolgenden Bildern der Ausstellung (z.B. »Die spanische Flagge« 1925) sichtbar wird. Mirós ausdrücklich formuliertes Ziel, »mit einem Minimum an Aufwand ein Maximum an Intensität zu erreichen«, findet hierin ihre Umsetzung. Diese Zielsetzung und die großen Formate stellen den Mittelpunkt der Werkschau dar. Damit konzentriert sie sich auf die Vorliebe des Malers und auf den Teil seines Œuvres, der bisher nur wenig Beachtung fand. In Kooperation mit dem Kunsthaus Zürich wurden aus bedeutenden Museen – New York, Madrid, Paris, sowie aus öffentlichen und privaten Sammlungen – 50 Werke zusammengetragen, die dem Besucher ein halbes Jahrhundert Miró-Malerei offenbaren.

Herausragend ist das Triptychon »Blau Ι - ΙΙΙ« (1961) mit seinen imposanten Einzelmaßen von 2,70 x 3,55 Metern. Dabei besticht nicht nur die Größe des Formates, sondern auch die Intensität der blauen Bildfläche, deren intensive, schwungvolle Pinselstriche noch gut erkennbar sind. Die blauen Bildflächen verkörperten für Joan Miró die reine Malerei. Darauf platzierte er in der Wirkung zwar zufällig, tatsächlich aber erst nach langwierigen Überlegungen – die ihn zum Teil in eine Art Trance versetzten – Striche und Punkte aus schwarzer und roter Farbe. Der Größe der in der Schirn gezeigten Werke ist es dann auch zu verdanken, dass man sie betrachten kann, denn die Ausstellung ist überaus gut besucht. Zum Teil muss man warten bis man einen Blick auf ein Werk erhascht, indem man taktiert und die eine Führungsgruppe davonziehen lässt, um schnell genug vor der nächsten Gruppe sich einen Betrachterposten zu ergattert.

Dem Besucher offenbart sich beim Durchschreiten der Ausstellungsräume peu à peu wie sich der Künstler herantastete an eine Kunst als Kommunikationsmittel. Er nutzte unkonventionelle Materialien wie Teer, Kies, Sand, Jute oder Hartfaserplatte, sowohl als Malgrund als auch als Malmittel (»Kopf Georg Aurich« 1929) und brachte Alltägliches und die Haptik der Straße ins Bild. Dabei lässt der Katalane seinen Betrachtern immer noch genügend Freiraum für Interpretation. Seine Werktitel sind meist Beschreibungen der Vorgehensweise, statt Deutungshinweise für das Sujet. Sein kühner Stil, gerade um 1939, wird der politischen Situation in Spanien und Europa zugeschrieben. Die Rauheit als Reaktion auf den Beginn des Spanischen Bürgerkrieges. Diese Bilder stehen im starken Kontrast zu seinen blauen Bildern, die erfüllt von Harmonie scheinen. Später in den Werken der 1950er Jahre erkennt man bereits eine klare Tendenz zu einer Kunst für die Öffentlichkeit. Mirós reduziert figürliche Darstellungen, meist aufgetragen mit einem schwarzen dicken Pinselstrich, wirken fast wie Vorläufer zur Graffiti-Kunst (»Malerei« 1953). Miró war seiner Zeit voraus!

Fazit: Die Bilder der Ausstellung sind hervorragend zusammengestellt. Allein das Schlüsselwerk »Die Magie der Farbe« (1930) geht verloren in der ihm zugewiesenen Nische und umringt von weiteren großformatigen Bildern. Besonders gelungen finde ich allerdings das Digitorial der Schirn Kunsthalle, eine Art Internetpräsentation zur Ausstellung, welche in Mirós Schaffen und Wirken mit besonderer Rücksichtnahme auf die ausgestellten Werke einführt, sie expliziert, dabei hervorragend bebildert ist und vertonte Zitate enthält. Diese informative Einführung in die Ausstellung erreicht man über die Homepage der Schirn und ist für alle gängigen digitalen Medien abrufbar. Ein Blick über die reine Ausstellung hinaus. Sehr gelungen!

Diese Seite teilen

Besuchen Sie uns