Ausstellungsbesprechungen

Johann Heinrich Schönfeld – Zeichnungen und Druckgraphik. Staatsgalerie Stuttgart, bis 7. März 2010

Vor der Kulisse eines zusammenstürzenden Tempels zerren zwei Personen in vermeintlich antiken Gewändern einen reglos in ihren Armen hängenden Mann auf den Betrachter zu – in diesem zwei Meter breiten Gemälde aus den Jahren 1634/35 mit »Simsons Rache an den Philistern« von Johann Heinrich Schönfeld entschwindet die Figurengruppe randständig zwischen antiken Skulpturen, die kaum künstlicher wirken als die über ihren fragwürdig fallenden Schatten tänzelnden Träger des ohnmächtigen Protagonisten: Es handelt sich um den biblischen Simson und seine beiden Brüder, die ihn wohl aus dem Tempel geholt haben, der unter seinem Zorn zerfiel.

Hintergrund war der Scherenangriff auf Simsons Haare durch Dalilas Schergen, der damit seine Kraft verlor. Schönfeld schildert das Ende der Geschichte, dem letzten Aufgebot mit Simsons Rache. Der balletthafte Auftritt – auf dem Platz des Geschehens wie auf dem Bildsockel – findet in einem apokalyptischen Naturschauspiel statt, was die eigentliche Handlung noch ein Stückchen marginaler erscheinen lässt. Wenn man sich Rembrandts »Blendung Simsons« von 1636 vor Augen führt, nicht minder dramatisch, wird man die Schwächen Schönfelds vor allem in der Personendarstellung nicht übersehen. Aber die glasklare Raumillusion verleiht dem Bild eine fast surreale Stimmung, die das Barock weit hinter sich zu lassen scheint.  Vielleicht ist dieser Effekt auf die halbseitige Blindheit des Malers zurückzuführen, was wahrscheinlich zu seiner malerischen Sicht von Tiefe geführt hat.

Seine Kenntnisse eignete sich Schönfeld, Abkömmling einer Goldschmiedfamilie, in Rom und Neapel an und wurde so zu einem der wichtigen Vermittler der Kunst zwischen Italien und Süddeutschland. Geboren 1609 in Biberach, lernte er in Stuttgart, verbrachte seine Lehrjahre dann im Süden, bis er sich 1651 in Augsburg niederließ. Heute zwar nur noch einem kleinerem Publikum bekannt, war Schönfeld zu seiner Zeit eine Größe über die regionalen Grenzen hinaus. Was die europäischen Kollegen an ihm schätzten, war sein eigenwilliger Stil. Die Staatsgalerie Stuttgart und das Zeppelin Museum Friedrichshafen sind angetreten, gemeinsam den Maler zum 400. Geburtstag aus der Versenkung des Vergessens zu holen: Stuttgart zeigt seinen reichen Bestand an Zeichnungen – es ist die weltweit größte Sammlung –, Friedrichshafen präsentiert die Gemälde, um damit das Gesamtwerk allumfassend zu zeigen. Die Stärke der Stuttgarter Schau sind die Vermittlung der grafischen Techniken und der Einblick in den Arbeitsprozess. Die Modernität des Künstlers wird allerdings eher noch durch seine Malerei deutlich, die allerdings auch in der Stuttgarter Region nicht gänzlich unbekannt  ist: Die Ludwigsburger Barockgalerie besitzt eine Hand voll Schönfeld-Bildwerke, darunter eine kompositorisch bewegende Darstellung des geschundenen Bartholomäus sowie eine fast spanisch anmutende Kreuzigungsszene. In Friedrichshafen beeindruckt Schönfeld mit Werken wie dem Simson-Bild oder einer hinreißenden »Sintflut«-Szene, bei der er wiederum wie nebenbei als hervorragender Landschaftsmaler auftritt.

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