Ausstellungsbesprechungen

Jonas Burgert – Lebendversuch, Kunsthalle Krems, bis 13. Juni 2011

Der Shootingstar der deutschen Kunstszene malt in Lebensgröße mystische Szenarien, die sowohl über existenzialistische Befindlichkeiten berichten wie auch beeindruckende kulturgeschichtliche Zeugnisse darstellen. Günter Baumann ist für Sie in dessen Bilder eingetaucht.

Angesichts der Heerscharen junger Maler, die sich lustvoll der Figuration hingeben, gerät zum einen Leipzig etwas aus dem Schlaglicht, was sicher kein Schaden ist (am wenigsten für die über den Markt gejagten Künstler, die kaum noch Zeit fanden, sich weiter profilieren zu können): Zum anderen tauchen aus allen Winkeln des Landes exzellente Realisten auf, die sich zwischen einer symbolischen Spielart und einem Hyperrealismus positionieren, hier und da zum Schaden seiner Vertreter, die vorwiegend summarisch wahrgenommen werden oder – wie auf so mancher Messe zu beobachten – neben mäßigen Positionen im Wellengang des Realismus auftreten müssen. Dass ein junger, bislang wenig bekannter Künstler hier im Kampfareal des Marktes aufschlägt wie eine Bombe, dürfte selten vorkommen: Jonas Burgert ist so einer, dessen Arbeiten mehr als bloße Hingucker sind.

Ziemlich gewagt wirken die Arbeiten allerdings schon, atmen sie doch das ganze Pathos alter Epen, deren psychotische Deutung offenkundig ist. So schrammt Burgert sehenden Auges am Kitsch entlang, inspiriert von Harlekiniaden, wie sie auf verklärenden Jahrmarktsdarstellungen zu finden sind, sowie vom Science-Fiction-Genre mit seinen Trickfilmeskapaden. Zugleich überzeugen seine Arbeiten jedoch durch den Witz, mit dem er die Posen überzeichnet und dem Trotz der eigenen Protagonisten entgegentritt: allzu ernst kann und darf man diese kunterbunt-infernalischen Psychogramme nicht nehmen. Darüber hinaus – und das scheint noch wichtiger zu sein – macht er keinen Hehl daraus, dass es sich um Malerei handelt. Während andere versuchen, auch die schrägsten Szenen denkbar realistisch wiederzugeben, macht sich Jonas Burgert einen Spaß daraus, seiner grandiosen Beobachtungsgabe, mit der er brillante Bewegungs- und Handlungsstränge bis hin zu apokalyptischen Weltbilder entwirft und glaubhaft in surreale Kompositionen transferiert, einen Streich zu spielen. Als Souverän über seine Inszenierungen beschmiert er die Körper mit grellen Farben, als hätte jemand einen Farbeimer über ihnen ausgeschüttet. Und hat er erst einmal seine Helden derart zu Schmuddelkindern heruntergestuft, malt er gekonnt Kleckse ins Bild, die wie draufgeschleudert aussehen und das tiefenräumliche Bild auf die Fläche zurückführen. Dadurch kann er freier mit den Ängsten, den emotionalen Exkursen über Liebe und Tod, Weltschmerz und Melancholie umgehen. Der Schauer läuft uns den Rücken hinunter, aber lachend können wir nicht anders, als dieses Werk als schaurig schön zu empfinden. Grimmig schauen seine Figuren allesamt drein, nur ab und zu hellt sich ein Gesicht zu einem verdutzten Ausdruck auf, der auch hier eine herrliche Balance schafft zwischen tragischem Oberton und komödiantischem Unterton, verschärft noch in einer Bekleidungsskala zwischen Konfirmandenanzug und Arbeitsklamotte, Heldenumhang und Pennerkostüm.

Entstanden sind die zuerst in der Kunsthalle Tübingen und nun in Krems gezeigten Arbeiten seit 2005. Wer es nicht mehr schafft, die Schau des fulminanten Schreckens zu besuchen, dem sei der Katalog zu empfehlen, der sich erfreulich kurz mit der »Sprengkraft der Pathosformel« oder dem »Gemalten Welttheater« aufs Beste befasst, um voll in die Farbenpracht des Werks einzusteigen.

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