Man muss es schon als Wagnis einstufen, wenn ein Haus von der Größenordnung des Kunstmuseums Stuttgart mit rund 150 Arbeiten eine große Retrospektivschau für eine vergleichsweise junge Künstlerin wie Josephine Meckseper (geb. 1965) ausrichtet: Hält ein solches Werk, das in diesem Umfang noch nie hierzulande gezeigt wurde, den Anforderungen stand?
Während man noch grübelt, ob die im deutschen Lilienthal geborene und in den USA lebende Künstlerin in noble Galerieräume (zur Zeit sogar zu sehen in der Stuttgarter Galerie Hauff), in ein gemütliches Kabinett oder ins lichte Museum gehört, hat der Stuttgarter Glaskubus großzügig über 1000 Quadratmeter Raum geschaffen für die konsumkritischen Vitrinenobjekte und politischen Videos Mecksepers. Sowie der mehr oder weniger zweifelnde Besucher der Ausstellung Raum für Raum durchschritten hat, schwindet die Skepsis schnell dahin: Die Überblickspräsentation der Kunst Josephine Mecksepers gehört zu den eindrucksvollsten Veranstaltungen in der Stuttgarter Kunstlandschaft, gerade als Parallelschau zu der des Generationskollegen Stan Douglas, der im Württembergischen Kunstverein und in der Staatsgalerie umjubelt wird. Stuttgart zeigt sich hier als jung-dynamisches Zentrum der Kunst – es war höchste Zeit nach müden Zwischentiefs.
Das Wagnis ist aufgegangen. Mit Blick auf das vielfältige Schaffen Mecksepers findet der Betrachter ganz neue Positionen innerhalb des Kunstgefüges. Politisch engagiert wendet sich Meckseper gegen die konsumorientierte Gesellschaft und liebäugelt zugleich mit Warhols Diktum, die Kaufhäuser und Museen würden irgendwann ineinander übergehen. Wer sich zunächst von der Modepuppenästhetik in die Oberflächlichkeitsfalle locken lässt, muss vor den Vitrinen und Videos regelrecht Abbitte tun: die deutsche Wahlamerikanerin treibt die 1:1-Projektion unserer Scheinwelt in die fingierte Realität der Kunst in einer derart brillanten Perfektion, dass man erstaunt das alltägliche Bild als kunstvoll ansieht, wie man das Kunstensemble als Déjà-vu eines Schaufensterbummels betrachten kann. Und so wie sich die Übergänge zwischen Kunst und Kommerz, Muse und Markt verwischen, so nah rückt Meckseper Pop Art und politischen Diskurs aneinander.
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Es ist verwunderlich, wie kaum auffallende Kunstgriffe – mit Vitrinen, Spiegeln, musealen Verfremdungen – aus ästhetischen (und erotischen) Bremsfaktoren wie Gesundheitsschuhen und Korsagen hochspannende, reizvolle Gegenstände macht. Dabei geht es Josephine Meckseper noch nicht einmal darum, Alltägliches zu ästhetisieren. Vielmehr will sie die Macht der Moden und Medien mit den Philosophen Baudrillard und Virilio im Marschgepäck erschüttern, zumindest umwerten, wenn auch die Radikalität ihrer Kunst eher im Formalen als im Inhaltlichen Fuß fasst – da ändern auch die kritischen Politvideos nur wenig.
Immerhin spielt Meckseper souverän mit kleinen Sticheleien, wenn Hugo Boss und Karl Marx Klopapierrolle und Stützstrumpf flankieren oder das Bild einer Akkordarbeiterin die muskelstrotzende Werbewelt ins Wanken bringt. Wie weit die gewollten Irritationen nach außen, über die Kunstschau hinaus wirken, kann der Kontrast zur Einkaufsrealität in der Nachbarschaft des Museums verdeutlichen.
Je nach der Bereitschaft, sich auf das Zusammenspiel von Glamour und Provokation einzulassen, öffnet die einzigartige Kunst Mecksepers Wege zum entschiedenen Protest oder auch nur zum Überdenken unserer gewohnten Wahrnehmung. Es mag kritisierbar sein, ist aber letztlich ein Vorteil ihres Ansatzes, dass Josephine Meckseper nicht dogmatisch verengt auftritt, sondern durch ironische Verwirrspielchen offen lässt, ob die künstlerische Aussage subversiv oder absurd zu lesen ist – und nur so sind heikle Themen wie die RAF oder der Irak-Krieg auf Lifestyle-Niveau abzuhandeln.
Parallel zur Ausstellung im Kunstmuseum Stuttgart gibt es bis 13. Oktober 2007 auch in der Galerie Hauff Meckseper-Arbeiten zu sehen. Nach dem in Deutschland neuen Rummel um die Künstlerin kann der Galerist mit Recht stolz darauf sein, bereits zum dritten Mal eine Einzelausstellung der Künstlerin inszeniert zu haben, auch wenn die Retrospektive der Galeriepräsentation ihm nun etwas die Schau stiehlt. Unterm Strich machen beide Ausstellungen klar, dass wir einen Meckseper-Frühling im Herbst feiern dürfen.
Öffnungszeiten
Kunstmuseum Stuttgart
Dienstag bis Sonntag 10–18 Uhr
Mittwoch 10–21 Uhr
Öffnungszeiten
Galerie Reinhard Hauff
Dienstag bis Freitag 13-18
Samstag 11-15 Uhr