Ausstellungsbesprechungen

Jürgen Partenheimer: Roma - Sao Paulo. Zeichnungen.

»Der Flaneur gibt vor zu flanieren. Insgeheim mag ihn die Verzweiflung des Nichtstuns durch die Straßen treiben, gehetzt in die selbst auferlegte Distanz des Beobachters.« Jürgen Partenheimer (geb. 1947) ist ein Multitalent, dem man nicht gerecht wird, wenn man seine Schaffen auf das eines Künstlers einengt.

Fasziniert von der Brüchigkeit seiner Zeichnungen, die zugleich eine poetische Kraft ausstrahlen, die ihresgleichen sucht, unterliegt der Betrachter dennoch fast einem Drang, Partenheimer mit Etiketten zu schmücken wie: ein Philosoph unter den Künstlern, ein Wortkünstler der Theorie usw. Und ein Blick in die Vita ringt uns auch sogleich einen nickenden Zuspruch ab: Geboren 1947 in München, studierte er Kunstgeschichte, Geschichte und Philosophie, zudem der Freien Künste in Europa (Deutschland, Spanien) und Übersee (USA, Mexiko). Heute lebt Partenheimer als Maler und Zeichner bei Köln und wird inzwischen als einer der bedeutendsten Künstler in Deutschland, ja international geschätzt – was schon seine Preise bis hin nach China deutlich machen.

Mit der Präsentation zweier Zeichnungs- bzw. Aquarellfolgen unterstreicht die Kunsthalle das internationale Renommee des Künstlers Jürgen Partenheimer: 2003 war er Ehrengast in der Villa Massimo (Rom), 2005 folgte ein Aufenthalt als Artist in Residence in Sao Paulo (Brasilien). Als Ergebnis entstanden die Folgen »Römisches Tagebuch« mit 34 Blättern sowie das beklemmende »Tagebuch Sao Paulo« mit 40 Arbeiten, die sich zum literarischen Kunstwerk öffnen. Ihre Schönheit beziehen die Arbeiten aus der über die visuellen Effekte hinausgehenden Dualität von Erlebnis und Erkenntnis. Und hier erweist sich Partenheimer als Zweifler von Becketts Gnaden, das Scheitern des modernen Menschen immer im Bewusstsein, wie es der irische Literaturnobelpreisträger propagierte: Immer wieder scheitern, besser scheitern! Das heißt eben nicht aufgeben, sondern gegen das Unabwendbare anrennen. Im sprachlich enorm dichten und entschieden literarischen Tagebuch liest man bei Partenheimer: »Die Zeichnungen sind unsichtbar. Sie ruhen zwischen Deckeln aus Graupappe, gesammeltes Scheitern.«

In seinem selbstauferlegten Erfahrungsbericht, der Dokumentation seiner kreativen Auslandsaufenthalten, versucht ein Künstler, seine Arbeit be-schreibend in den Griff zu bekommen, wie die Zeichnungen sich oftmals dem schreibenden Gestus nähern, aber er ist sich klar darüber: »Das Schreiben über die Zeichnung ergibt keine Zeichnung. Keine Brücke führt von der Schrift in das Bild. Nichts regt sich. Das Gestammel der Linien verfängt sich zwischen Erinnerung und Vorstellung, das Bild entgleitet, dringt nicht durch. Die Hand irrt, stockt, kennt die Richtung nicht, fühlt keine Bewegung, findet keinen Zugang.«

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Doch vielleicht liegt hierin der Schlüssel: Partenheimers Zeichnungen folgen gerade nicht einem expressiven Gestus, sie sind noch nicht einmal abstrakt zu nennen – auch wenn dies beim flüchtigen Blick so wirkt. Der Künstler ringt heftig, doch sind seine Zeichnungen und Aquarelle Ausdruck bzw. Ausfluss eines Denkaktes, der die Wirklichkeit des Gesehenen und Erlebten auf dem Papier neu entstehen lässt. Diese Präsenz des intellektuellen Überbaus demonstriert nicht nur die Bedeutsamkeit eines jeden Strichs, sie ist auch in der Lage, die Hand zu bremsen, zu blockieren oder gar zu lähmen. Die gezeichneten Tagebücher sind eine faszinierende Gratwanderung zwischen Erfüllung und Scheitern. In diesem heiklen Grenzbereich scheint uns etwas auf, dem die Moderne im Grunde kritisch gegenüber steht, dessen Auftritt aber aufgrund der Schwindel erregenden Sensibilität und der Ernsthaftigkeit des Ausdrucks konsequent, wenn nicht zwingend vollzogen wird: Schönheit.

 

 

Weitere Informationen

 

Öffnungszeiten
Di–Fr 10–17, Sa/So 10–18 Uhr

Weitere Stationen der Ausstellung
Pinacoteca do Estado de Sao Paulo, 10.3.–22.4.2007
Nietzsche-Haus, Sils-Maria, 19.7.–20.10.2007

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