Buchrezensionen

Julia M. Nauhaus (Hg.): Raden Saleh – Ein javanischer Maler in Europa, Lindenau-Museum 2013

Der javanische Maler Raden Saleh (1811-1880) studierte 23 Jahre lang die akademische Malerei in Europa. Bei der Rückkehr in seine Heimat brachte er eine neue Art des Sehens und der Farbgebung mit. Heute gilt Saleh als Mitbegründer des deutschen Orientalismus und Vater der modernen indonesischen Malerei. Im Katalog zur kürzlich vergangenen Schau kann man mehr darüber erfahren. Rowena Fuß hat ihn gelesen.

Das Altenburger Lindenau-Museum würdigte den Künstler mit etwa 70 Werken, die einen Querschnitt seines künstlerischen Schaffens zeigten. Die Schau bildete das Pendant zu einer Ausstellung im Goethe-Institut Jakarta 2012. Was bleibt, ist der wunderbare Katalog. Dieser hat sich zum Ziel gesetzt, die Situation eines zum Orientalen konstruierten Javaners in Sachsen und Thüringen darzustellen und zugleich dessen große Integrationsleistung zu dokumentieren. Gründlich wird der Leser daher über das Verhältnis von Java und Holland, den deutschen Orientalismus und Salehs Dresdner Gastgeber, den kunstinteressierten Major Serre und seiner Frau, informiert. Anschließend rundet eine Auswahl an Briefen den Einblick in die persönlichen Beziehungen ab.

Wir erfahren, dass Saleh in Holland und Mitteldeutschland jeweils anders wahrgenommen wurde und entsprechend darauf reagierte: War er in den Niederlanden ein Eingeborener der Kolonie Niederländisch-Indien, der sich schnell als lokaler Dandy präsentierte, so wollte man in den thüringischen Residenzstädtchen seine Andersheit und forderte von ihm eine orientalische Präsenz. Sehr schön illustriert dies ein Bildnis Salehs von Johann Carl Ulrich Baehr. Es zeigt den Asiaten mit Turban und einer dunklen, aus der beigefarbenen Hose heraushängenden Jacke, die an der Bordüre mit einem floralen Muster verziert ist. Die Troddeln an seiner rot-weißen, mit einem abstrakten Blumenmuster versehenen Kopfbedeckung weisen eher auf eine orientalische, denn asiatische Tradition. Gestützt wird diese These durch ein Foto aus Batavia um 1852, auf dem der Künstler einen einfachen, einfarbigen Turban trägt.

Raden Saleh war eigentlich das Opfer eines gewissen Zeitgeistes: Durch die Industrialisierung fanden große gesellschaftliche Umbrüche statt, die zu einem geistigen Eskapismus führten. Ferner gewann der im 19. Jahrhundert aufkommende Nationalgedanke in den Kolonien sicherlich eine besondere Bedeutung. Salehs bekanntestes Werk, »Die Gefangennahme des javanischen Prinzen Diponegoro« (1857), ist ein verstecktes Zeugnis des javanischen Nationalismus: Diponegoro führte die Rebellion der Javaner gegen die niederländischen Herrscher an. Als Ausdruck für die Arroganz der Kolonialherren hat Saleh ihre Köpfe unproportional groß gemalt. Auch in seiner dynamischen »Büffeljagd auf Java« aus dem Jahr 1842 geht es um die Beziehung zu Holland: Ein verwundeter brauner Büffel greift das weiße Pferd im Zentrum der Jagd an.

1811 in eine gebildete Familie hineingeboren, verließ Raden Saleh 1829 seine Heimat und ging nach Holland. Eigentlich sollte er in der Kolonialverwaltung zum Verwaltungsbeamten ausgebildet werden, doch nahm der adelige Saleh gleich nach seiner Ankunft nebenher privaten Malunterricht. Er lebte in Den Haag und studierte bei Andreas Schelfhout, einem bedeutenden Landschaftsmaler. Nach dem Studium reiste er durch Europa und lebte ab 1839 für mehrere Jahre in Dresden. Sein Lehrer hier war der Norweger Johann Christian Clausen Dahl. Unter dem Einfluss der Dresdner Spätromantik entwickelte er seinen ganz eigenen Stil der orientalistischen Malerei. Mit seinen exotischen Löwen- und Büffeljagden feierte er in Deutschland und Frankreich schnell künstlerische Erfolge. Er stellte von 1846 bis 1848 in Paris aus und zählte während seiner Dresdner Zeit Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha zu seinen engen Freunden. 1851 kehrte Saleh nach Java zurück, wo er 1880 starb.

Die Frage der Selbst- und Fremdwahrnehmung kann an Saleh spannend diskutiert werden. Durch die exotischen Großwildjagden, die er in Szene setzte, wird er oft als erster Vertreter des Orientalismus in der deutschen Malerei angesehen. Doch war er das wirklich? Im ganzen 19. Jahrhundert verklärte man den Orient in Bildern, die Napoleons Feldzug nach Ägypten zeigten oder später Haremsszenen, Tabak- und Haschischraucher. Saleh aber malte Genre-Szenen und Landschaften seiner Heimat. Für ihn nicht exotisch, für Mitteldeutschland schon. Denn bekanntlich hocken bei uns keine Tiger im Gebüsch. Die Ausführung bleibt jedoch einer konservativen akademischen Tradition verhaftet. Was auf Saleh projiziert wurde, war eine Wunschvorstellung, die er auf seine Weise auch bediente. Er ist in jedem Fall eine Wiederentdeckung, die sich lohnt. Immerhin zahlte ein Sammler bei einer Auktion in Köln 2011 für das Gemälde »In letzter Not« stolze zwei Millionen Euro.

Weitere Informationen

Der Katalog ist über das Museum zu beziehen.

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