Ausstellungsbesprechungen

Julius Bissier – Der metaphysische Maler

So kühn der Ausstellungstitel ist, so grandios löst der gezeigte Künstler eben die damit verbundene Anmaßung ein: »Der metaphysische Maler« - man könnte die Formulierung auch als wertfreie Aussage sehen – klingt nach Auszeichnung, nicht »ein«, sondern »der« Maler einer künstlerischen Position zu sein.

Es geht hier nicht um einen schulbildenden Stil, der zahlreiche Anhänger hatte – streng genommen verbindet man die Metaphysische Malerei konkret mit Giorgio de Chirico, im weiteren Sinn kann man den phantastischen Realismus als Sonderform der Neuen Sachlichkeit (Radziwill u.a.) dazu rechnen. Und nun kommt eine umfassende Schau mit rund 200 Arbeiten Julius Bissiers (1893-1965) daher, die bislang eher selten oder doch weniger lautstark mit einem derartigen Prädikat versehen wurden und stellt die Protagonisten metaphysischer Malerei fast in den eigenen Schatten: Gegen Bissier, der diese Bezeichnung tatsächlich verdient insofern, als er die konzentrierte Dinghaftigkeit eines Morandi mit der phantastischen Musikalität eines Paul Klee verbunden hat.

Der philosophische Hintergrund in der Malerei Julius Bissiers geht allerdings viel tiefer unter die Oberfläche und zudem weiter zurück, so dass man manchem Kollegen, dem das Gütesiegel der Metaphysik anhaftet, gedankliche Versäumnisse vorgeworfen werden könnten: Bissier ist in der Malereitradition Deutschlands mit Anleihen von der Mystik und sogar dem Neuplatonismus – mit deutlichen Anspielungen etwa an Aquarelle Albrecht Dürers – genauso zu Hause wie in der chinesischen Kalligraphie, und den Altmeister der modernen philosophischen Plastik, Constantin Brancusi, hat er gründlich studiert (und ihm auch Arbeiten gewidmet). Und bei all dem ist Bissier kein abgehobener Kopfkünstler: Die Ausstellung macht es augenfällig, wie sinnlich der in diesem Kontext schon hellhörig machende Naturalismus sein kann, etwa wenn eine Arbeit unter dem Titel »Weihnacht 38« einen Kalkstein aus der Schwäbischen Alb, ein Stück Rohglas und Galläpfel in Szene setzt, während der Nachhall im Bild »23.10.49« zwar eindeutig abstrakt, aber in der Wesenslage kaum verändert ist – zeitbedingt gab der Künstler seinen abstrakten Formen sozusagen naturalistische (Deck-)Mäntelchen. Genauso verhält es sich mit der nahezu botanischen Detailgenauigkeit der »Rosskastanie« (1940).

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Was das Werk Bissiers über alle Stillagen hinweg zusammenhielt, war die Spiritualität, die den Arbeiten wie selbstverständlich innewohnt und die wesentlich Züge des Zen-Buddhismus sowie Elemente aus der nicht unumstrittenen Philosophie Johann Jacob Bachofen zeigen. »Ein Bild«, so heißt es bei dem meditativen Deutschen (die Nationalität muss man bei Bissier betonen, da man ihn oft – schon im Klangbild seines Namens – in Frankreich verortet), »soll sein wie ein Zeichen; knapp, einfach, wahr, hart wie die Natur, froh wie die Natur und traurig wie sie«. Julius Bissier war ein Sinnsucher, der unermüdlich den Stand seiner Suche in seinen Aquarellen und Pinselzeichnungen protokollierte (die meisten Werke tragen nur das Entstehungsdatum im Titel). Das Faszinosum des weltbewegenden Dualismus in den Begriffspaaren Himmel/Erde, Geburt/Tod usw. wurde ihm dabei ein entscheidender Motor.

Die Vielfalt in der Einheitlichkeit und zugleich die alle Grenzen überschreitende Phantasie im Werk Bissiers werden prächtig im Katalog vor Augen geführt, der die Arbeiten großzügig und in brillanter Widergabe abbildet.

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Öffnungszeiten:

Di, Do bis So 10 bis 17 Uhr, Mi 10 bis 20 Uhr

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