Ausstellungsbesprechungen

KABOOM! Comic in der Kunst, Weserburg Bremen, bis 6. Oktober 2013

Als die Künstler in den 1950er Jahren begannen, sich mit Comic-Bildern auseinanderzusetzen, ging es um Konfrontation: Hochkultur gegen Populärkultur, Abstraktion und Genie gegen Pop Art und Kopie. Paradoxerweise wurden Roy Lichtenstein und Andy Warhol damit weltberühmt. Was ist also dran an den vermeintlich einfachen, bunten Bilderzählungen? Rowena Fuß hat sich in der Bremer Schau kundig gemacht.

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WHAAAM! CRASH! BAM! AAAH! schreit es in den Ausstellungsraum. Es sind typische Comicgeräusche, die Reinhard Doubrawa an Gestängen fixiert hat. Doch erzählt die visualisierte Lautpalette keine Geschichten. Sie ist abstrakte Poesie, die lediglich Erinnerungen an Comics heraufbeschwört. Ähnliches gilt für Christian Marclays 20 Meter lange Sinfonie aus Lautmalereien auf einem Rollbild.

Besucher sind eingeladen, diese Partitur des Comics zu reproduzieren. Wer es ausprobiert, entdeckt eine seltsame, dynamische Melodie voller Höhen und Tiefen, Laute, die Achterbahn fahren, hopsen, anhalten und dann fortfahren. Die unterschiedlichen Klangfärbungen zeigen dabei eindrücklich die strukturelle Offenheit des Mediums für eigene Interpretationen.

Auch Rivane Neuenschwander fordert uns zum Nachdenken auf. Die brasilianische Künstlerin hat in »Zé Carioca, O Mapa da Mina« Seiten aus dem echten Zé Carioca-Comic entnommen und die Ereigniszeichnungen übermalt. Es sieht aus wie Piet Mondrian mit Sprechblasen. Worüber sollen wir nun aber nachdenken? Die Titelfigur im Originalcomic ist ein Papagei, der als brasilianischer Lebemann und Schlitzohr gleich mehrere Klischees des Landes verkörpert, die über den Comic verbreitet und bestätigt werden. Da Neuenschwander diese aber durch ihre Übermalung bereinigt hat, können wir unsere eigenen Vorstellungen von einem Brasilianer entwickeln. Insgesamt 11 Seiten bieten Platz dafür.

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Von Anfang an ist der Besucher Teil der Comicwelten. Kaum hat er den Ausstellungssaal betreten, ist er nämlich schon Leser einer Comiczeitung. Dabei handelt es sich um ein Exemplar des »Eagle«, ein Kindercomic, der in den 50er und 60er Jahren in Großbritannien sehr beliebt war. Peter Blake bildet in seinem Werk jedoch nur einen Teil der Zeitung ab. Die abgebildeten Panels verwischen zunehmend. Im oberen Drittel schließen zwei schemenhafte Köpfe an den Comic an. Zwischen ihnen befindet sich ein Fernseher auf dessen Bildschirm ein Schneegestöber tobt. Wir lesen also und werden dabei observiert. Hintergrund der Geschichte ist eine damalige Studie, wonach kriminelle Jugendliche in britischen Gefängnissen gern Comics lasen. Daraufhin entstand die absurde Idee, dass es zwischen Comics und jugendlicher Kriminalität eine Verbindung gebe. Um der daraus folgenden Zensur bestimmter Inhalte zu entgehen, strichen die Comicverlage sie selbst. Blake erinnert an diese Episode der Comicgeschichte, die auch einen autobiografischen Bezug enthält: »Children reading Comics« markierte seinen Einstieg in die Pop Art. Zugleich zeigt er die Extreme an, zwischen denen sich der Comic bewegt: high and low art, Über- oder Unterschätzung der Inhalte und Aussagen.

Die Ausstellung präsentiert 33 internationale Künstlerinnen und Künstler. Ihre Werke zeigen die Wechselwirkung zwischen Comics und der Kunst von der Nachkriegsmoderne bis in die Gegenwart. Tatsächlich ist es mehr ein Beziehungsdreieck aus Kunst, Comic und Politik. Stets doppelbödig konfrontieren die ausgestellten Disney-, Hergé- oder Manga-Comics den Besucher mit diesen Themen – und fordern ihn zur Auseinandersetzung auf. Denn so einfach wie die Sprache des Comics scheint, ist sie nicht.

Äußerst bereichernd in dieser Sache sind der Katalog zur Ausstellung und die angebotenen Führungen. Erster enthält ausführliche Informationen zu allen gezeigten Arbeiten, während sich die Führungen auf einige signifikante Werke konzentrieren, die den Zusammenhang Kunst/Comic oder Comic/Politik besonders anschaulich illustrieren.

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