Ausstellungsbesprechungen

Keith Haring: 1978-1982 - Die frühen experimentellen Jahre, Kunsthalle Wien, bis 19. September 2010, danach Contemporary Arts Center, Cincinnati, Februar 2011

Der Amerikaner Keith Haring zählt zu den populärsten Künstlern der Welt. Zwanzig Jahre nach seinem Tod bietet die Personale in der Kunsthalle Wien die Möglichkeit, sein selten gezeigtes Frühwerk aus den Jahren 1978 bis 1982 zu entdecken. Es ist die Zeit, in der Keith Haring von Pittsburgh nach New York umzog und vom Kunststudenten zum internationalen Pop-Art-Star aufstieg. Günter Baumann berichtet über diesen einzigartigen Künstler.

Man fühlt sich fast unwillkürlich gezwungen, zweimal auf die Lebensdaten von Keith Haring zu schauen, doch zweifelsfrei: 20 Jahre ist es her, dass er starb. Aber dessen ungeachtet ist der Künstler so populär wie zu seinen besten Zeiten – seine Nachahmer sind Legion, insbesondere die anonymen Schöpfer unzähliger Graffiti, aber auch die kommerzialisierten Ideenspender für Aufdrucke an Tassen, T-Shirts, Kissenbezügen usw. Die Galerien stehen in nichts nach, man kommt schon mal ins Grübeln, ob alles, was da am Markt angeboten ist, auch durch die Hände des 1958 geborenen und 1990 gestorbenen Erfinders jener simplen, eingängigen Strichmännchen und -tierchen gegangen ist. Wie auch immer, der Stern von Keith Haring scheint nicht unterzugehen. So passt es auch, dass die Kunsthalle Wien, in Kooperation mit dem Contemporary Arts Center in Cincinnati (Ohio), das noch wenig gezeigte Frühwerk des Künstlers präsentiert. Man muss sich vor Augen halten, dass der mit 32 Jahren gestorbene Haring kaum ein mittleres, geschweige denn Alters- oder »reifes« Werk hinterlassen hat. Besser sollte man vom Beginn des frühen und einzigen Werks reden, das einmal biographisch unterfüttert ist durch die Studenten- und Untergrundjahre, dem spektakulären Aufstieg und dem Umgang mit der Homosexualität, als die Immunschwächekrankheit AIDS, an dessen Folgen Haring schließlich gestorben ist, auch in der Öffentlichkeit anzukommen begann.

Haring hatte seinen unverkennbaren Stil da schon gefunden, aber die Ausstellung kann gerade für die im Zentrum stehenden Jahre 1978–82 auch eine Orientierungsphase ausmachen, die im vorwiegend zeichnerischen Werk auszumachen ist, aber auch in Fotografien, Videos, Plakaten zum Ausdruck kommt. Da Haring noch nicht festgelegt war, zumindest in der Wahrnehmung nach außen, hat auch sein Engagement bei Performances und politisierenden Auftritten, denen sich die Wiener Schau mehr oder weniger direkt auch widmet. Wenn man also dem präsentierten Zeitraum eine Marke umhängen kann, dann die des Experiments. Das machen auch schon die ersten Räume deutlich, wo tatsächlich ein unbekannter Keith Haring zu entdecken ist: der Zeichentheoretiker, der am Ende vielleicht auch ein geometrieverliebter Minimalist hätte werden können (oder Illustrator der Semiotik), und der Installationskünstler. Aber diese Präliminarien krempeln nun auch nicht das Bild um, das wir von Keith Haring haben und das wir sehen wollen. So sind es doch wieder die signifikanten Figurationen, die den Betrachter in den Bann schlagen, etwa die quicklebendigen Penis-Zeichnungen, die Haring für Ken Hicks machte und die tatsächlich noch nicht die marottenhafte Markterfüllungshaltung einnimmt, weil der gewitzte Strich und die ironische Brechung so überraschend wie unverbraucht war, wie Haring es später nicht mehr erzielen konnte, als er zuweilen schon von den Zwängen des Klischees getrieben wurde. Hier gelingt, was die Kuratorin Raphaela Platow, Direktorin des Contemporary Arts Center, im Sinn hatte: Keith Haring zu zeigen, ohne dem Merchandising zuzuarbeiten. In rund einem Dutzend Abteilungen eröffnet sie Kreativ-Inseln aus dem Werk eines aufgeweckten Künstlers, der sich neugierig in verschiedenen Techniken und Ausdrucksformen versuchte, um jedoch nahezu zwingend in die gültige zweite Phase seines Frühwerks einzumünden, dem keine weitere mehr folgen konnte.

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