Ausstellungsbesprechungen

Klaus Staeck. Schöne Aussichten und John Heartfield. Zeitausschnitte – Fotomontagen 1918-38

Die Berlinische Galerie zeigt eine Retrospektive des politischen Plakatkünstlers Klaus Staeck und gibt gleichzeitig Einblick in das Werk John Heartfields, der als Staecks Lehrmeister in Provokation gelten kann. Sowohl die Arbeiten Staecks als auch Heartfields Fotomontagen sind bis zum 31. August 2009 zu sehen.

„Vorsicht Kunst!“ droht ein Plakat des Künstlers und zeitkritischen Provokateurs Klaus Staeck in Form eines Warnschilds vor Explosionsgefahr. Der Zündstoff, den Staeck über mehrere Jahrzehnte hinweg lieferte und der aufgrund seiner politischen Sprengkraft die bundesrepublikanische Öffentlichkeit erschütterte, ist nun in der Berlinischen Galerie in seiner Gesamtheit zu sehen. In Staecks Plakatgrafik werden Bild- und Textkombinationen zu explosivem Material, indem von Massenmedien transportierte Bilder mit Slogans des öffentlichen Diskurses satirisch kontrastiert werden. Mit seinem angriffslustigen Impetus weist sich Staecks Stil als an den Montagen John Heartfields geschult aus. „Benütze Foto als Waffe!“ lautet dagegen die Forderung des Montagekünstlers nach politischer Wirksamkeit von Fotografie. Mit Pressefotografien, die er aus Zeitschriften ausschnitt und zu agitatorischen Fotomontagen zusammenfügte, griff er während der Weimarer Republik zeitgenössische Reaktionäre an und sagte später den Nationalsozialisten den Kampf an. Die zeitgleiche Ausstellung der Arbeiten des Plakatkünstlers und Heartfields ermöglicht es, nachzugehen, an welche Tradition Staeck anknüpft.
 
Die Werkschau zeigt die gesamte Bandbreite von Staecks Schaffen. Neben den Plakaten setzte dieses Fotografie, Grafik und Objektkunst als provozierende Mittel ein. Jedoch kann nicht behauptet werden, dass die „Provokation öffentlicher Meinung“ für heutige Betrachter ohne Kenntnisse bundesrepublikanischer Debatten seit den 1970er Jahren durchgehend nachvollziehbar und „noch nach Jahrzehnten, heute aktueller denn je“ ist, wie eine knappe Einführung in die Gesamtschau postuliert. Dabei verzichtet die Berlinische Galerie, mit Ausnahme eines weiteren Textes, auf ergänzende Informationen.
Die Retrospektive folgt keiner Chronologie oder thematischen Untergliederung. Die Grafiken, die am Beginn seiner Arbeit standen, werden zusammen mit Collagen aus verschiedenen Schaffensperioden, von seinem Hauptwerk getrennt, gezeigt. Sie geben Aufschluss darüber, wie Staeck seine Plakatkunst durch grafische Experimente weiterentwickelte. Leider ist das ausgestellte Frühwerk so weit abseits vom zentralen Ausstellungsraum gelegen, dass dieses aufgrund mangelnder Hinweise leicht übersehen werden kann.
 
Im zentralen Raum, der verschiedene Genres zusammenstellt, bilden Gruppen aus großformatigen Farbfotografien, die thematisch oder aufgrund formal-ästhetischer Bezüge überzeugend angeordnet sind, Inseln der Reflexion. Mit der Kamera sowohl in der BRD als auch in der DDR unterwegs, richtete Staeck seinen entlarvenden Blick auf Absurditäten des deutsch-deutschen Alltags. Die Fotografien  korrespondieren mit den Themenkomplexen des Plakatwerks. Im Vergleich zu den grellen Plakatprovokationen muten sie beinahe melancholisch an. Ein Thema, das neben den Auswüchsen des Konsums in der Wohlstandsgesellschaft oder der Warnung vor Umweltzerstörungen immer wieder auftaucht, ist die Einschränkung von Meinungsvielfalt. So prangert der in der DDR geborene und bereits vor dem Mauerbau in die BRD ausgewanderte Jurist, der heute Präsident der Berliner Akademie der Künste ist, in zwei Plakaten die Begrenzung des freien künstlerischen Ausdrucks in beiden deutschen Staaten an. Eines kommentiert die Ausbürgerung Wolf Biermanns und die Reaktionen darauf mit dem Bild eines schmelzenden Eisberges inmitten zerklüfteter Eisschollen und der Überschrift „Blick auf das Kulturministerium der DDR. Außenstelle Literatur, November 1976“. Ein anderes bildet ein zwischen Schraubstöcken gefasstes Exemplar des Heinrich Böllschen Romans „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ ab. Es ist mit dem sarkastischen Spruch „Mitbürger! Lesen macht dumm und gewalttätig.“ überschrieben und stellt eine Reaktion auf den Gesetzesentwurf zur Einstufung des Buches als Gewalt befürwortend dar.  
 

# Page Separator #


Doch nicht alle von Staeck aufgegriffenen deutsch-deutschen Debatten sind im kulturellen Gedächtnis so präsent wie diese Beispiele. Daher erschließt sich einem das provokative Wirkungspotential der politischen Plakate nicht ohne weiteres. Angaben, die auf den Entstehungskontext und die Verwendung dieses unmittelbar auf das Zeitgeschehen reagierenden Mediums verweisen, fehlen. Allein drei Vitrinen, die Buchumschläge, Postkarten und Ausstellungsbroschüren mit Bildmotiven Staecks zeigen, lassen den publizistischen Gebrauch ansatzweise erkennen. Dies allerdings ohne Beschriftungen. Die Exponate werden durch Briefdokumente ergänzt, die Wünsche nach Verbot der Staeckschen Arbeiten, insbesondere seitens des politisch konservativen Lagers, dokumentieren. Sie vermitteln einen Eindruck von der Explosivität seiner Bilder.  In den Vitrinen gehen diese Dokumente jedoch aufgrund der Masse ausgelegter Publikationen, genauso wie einzelne Plakate durch ihre Anordnung zu einem großflächigen Wandteppich, unter. Überhaupt hat es die Ausstellung auf Vollständigkeit abgesehen, weswegen einiges redundant wirkt.
 
Anders ist dagegen die Heartfield-Ausstellung gestaltet. Nach Schaffensperioden geordnet, präsentiert sie sowohl den entlarvenden Humor seines dadaistischen Anfangs als auch die während der Weimarer Republik und nach 1933 in der Exilzeit entstandenen Zeitschriftenbeiträge und Buchumschläge mit ihrer sarkastischen Agitation und subtilen Bildsprache gegen politische Feinde. Im Gegensatz zur Werkschau Staecks wird hier deutlich, wie mit prägnanten aber unaufdringlichen Zusatzinformationen eine kleine aber feine Auswahl an Exponaten einen eindringlichen Einblick in den Entstehungsprozess und die Verwendung der Fotomontagen gewähren kann. So wird die experimentierfreudige Arbeitsweise Heartfields ersichtlich, indem die Auswahl ausgeschnittener Pressefotografien, deren weitere Verwertung in mit Notizen versehenen Entwürfen gezeigt wird und damit die Entstehung und der publizistische Gebrauch, verfolgt werden kann.
 
Dass Staeck in der Tradition Heartfields steht, wird durch die Möglichkeit eines vergleichenden Blickes deutlich. Die politische Sprengkraft der Nachfolge Heartfields kann jedoch ohne Zusatzinformationen, auf welche die Staeck-Retrospektive verzichtet, nicht immer nachempfunden werden.

 

Weitere Information

Öffnungszeiten
täglich (außer Donnerstag) 10.00 - 18.00 Uhr
 

Diese Seite teilen

Besuchen Sie uns