Ausstellungsbesprechungen

köln progressiv: seiwert – hoerle – arntz

Köln ist in den Köpfen der Deutschen oft genug ein gedankliches Bollwerk: eine Hochburg des Karneval für die einen, mit seinem Dom bis heute eine der wichtigsten Stützpunkte des Katholizismus und im 19. Jahrhundert (neben der Marienburg) eine Festung der nationalen Identität für andere. Alles mag irgendwo von einem eigenwillig aufmüpfigen Geist oder gleich mehreren Geistern herrühren.

Da fällt es etwas aus dem Rahmen der Klischees – und es gehört doch auch wieder ins Bild – , dass sich jenseits der Traditionspflege im weitesten Sinn eine Gruppe marxistisch gesinnter Künstler in Köln zusammenfand, die in den 1920er-Jahren Kunst und Politik »progressiv« zusammenbringen wollte, weshalb sie sich schlicht »gruppe progressiver künstler« nannte.

Nachdem die Gruppe über Jahrzehnte kaum greifbar war, richtete ihr das Museum Ludwig nun eine Ausstellung ein, die zumindest drei dieser rheinischen Künstler zeigt: die Maler Franz W. Seiwert und Heinrich Hoerle sowie den Holzschneider Gerd Arntz, die in ihrem Streben nach einem entemotionalisierten, vereinfachten und geometrisch-konstruktivistischen Realismus weit über die Neue Sachlichkeit und erst recht über den Dadaismus hinausgingen. Der Mensch wird hier als arbeitendes Subjekt in seinem gesellschaftlichen Umfeld dargestellt, ein Menschenbild, das dem der Nazis so zuwiderlief, dass es unter das Verdikt der entarteten Kunst fiel. Hoerle und Seiwert starben 1936 bzw. 1933, konnten also gar nicht mehr verhindern, dass sie in Vergessenheit gerieten; allein Arntz fand einen Weg über Wien nach Den Haag, wo er hochbetagt 1988 starb – sicher ein Grund, warum es allein ihm vergönnt war, nach 1945 hie und da Interesse zu wecken. Infolge der 68er-Jahre nahm man wenigstens die politischen Ambitionen der Gruppe kurzfristig wahr.

Über 50 Gemälde und noch mehr Grafiken zeigen – man ist versucht zu sagen: erstmals – die Bilder der Polit-Troika auch als ästhetische Erzeugnisse, wobei besonders Hoerle als vielseitigster Künstler der Gruppe erscheint: Er öffnet den spröden Charme der dargestellten Figuren zuweilen einem melancholischen Blick und gibt manchen sogar porträthafte Züge (wie in »Kölner Zeitgenossen«, von 1932, wo auch Konrad Adenauer auftritt). Sogar die Landschaft bezieht Hoerle in sein Werk mit ein, was sicher den Kollegen zu weit ging. Gemeinsam war allen der allgemeinverständliche Ansatz, wie ihn Seiwert um 1919 formulierte: »Wir wollen jenseits von aller schwatzhaften Geistigkeit einfache Arbeit tun […] Wir versuchen innerhalb der uns gegebenen Form, des Bildes, der Plastik, so einfach, so eindeutig zu werden, dass jeder uns verstehen kann.«

Aufmerksam verfolgten die drei Künstler die abstrakten Bewegungen in der Sowjetunion und in den Niederlanden, ohne den figurativen Aspekt je auszublenden. Dass dieser spannende Blick über den Graben zwischen Abstraktion und Figuration hinweg heute auf wachsame Augen trifft, liegt auf der Hand, wo doch diese Gräben in den vergangenen Jahren vollends eingeebnet wurden. Das Museum reagierte darauf und hat diese grandiose Schau um einen Monat, bis zum 13. Juli, verlängert. Schade ist allenfalls, dass der Bildhauer Otto Freundlich, der – neben Stanislaw Kubicki, Augustin Tschinkel und anderen – auch zur Gruppe gehörte, nicht mit aufgenommen wurde. Er hätte bestimmt die ästhetische Fülle angereichert und dem von der Gruppe ja auch propagierten Stil über die Gattungsgrenzen hinweg noch weitere Aspekte eingebracht.
 

 

Weitere Informationen


Öffnungszeiten
Dienstag bis Sonntag (inkl. Feiertage): 10–18 Uhr
jeden 1. Freitag im Monat: 10–22 Uhr

 
Anlässlich der Ausstellung gibt das Museum Ludwig das Faksimile des Aquarells »Entwurf zu dem Glasmosaik Welt der Arbeit« (1932) von Franz W. Seiwert als Edition heraus. Es erscheint in einer Auflage von 150 Exemplaren und ist gerahmt für 350 Euro im Museum Ludwig erhältlich.

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